Taxifahrer rufen, Vermittler locken mit Angeboten für das „preiswerteste“ Zimmer: Willkommen in Marrakesch, der Stadt der Geschichtenerzähler.
Der Taxifahrer, der uns zur Medina bringen soll, nennt einen unverschämt hohen Preis. Wir schütteln die Köpfe. Der Preis sinkt, wir steigen ein, der Fahrer telefoniert. Uns schwant nichts Gutes.
Wie befürchtet wartet am Eingang zur Medina bereits der nächste Helfer. Ich zücke meinen Stadtplan und zeige ihm, dass wir den Weg alleine finden werden. Er folgt uns bis zum Riad, klopft an die Tür und hält die Hand auf. Genervt gebe ich ihm 10 Dirham. Zu wenig. Noch ein Zehner. Er geht.
„No Guide“ schallt es uns auf Schritt und Tritt entgegen. In den Gassen wimmelt es von Helfern für den Touristen. Ob beim Blick auf den Stadtplan, in eine Gasse oder auf ein Gebäude – sie sind sofort da und betonen, dass sie keine Guides sind, nur Freunde, die einem Fremden gerne die Medina zeigen. Und immer wieder stehen wir zufällig vor dem einen Haus mit Terrasse, von der man den schönsten Blick über Marrakesch hat.
Entnervt flüchten wir in die Souks. Vor den vielen kleinen Geschäften mit handwerklichen Produkten, den Gewürzläden, aus denen exotische Gerüche strömen und den Läden mit Stoffen und traditionellen Kleidern, sitzen die Händler. Erst wenn der Blick einen Lidschlag zu lange auf den Waren ruht, werden sie aktiv.
Djemaa el-Fna, der Platz der Gehenkten, ist der Mittelpunkt von Marrakesch und unser nächstes Ziel. In seiner Mitte leuchten farbenfroh mobile Stände, an denen frisch gepresster Saft aus Zitrusfrüchten angeboten wird. Ich entscheide mich für einen Mix aus Orangen und Grapefruit. Zu spät bemerke ich, dass diese Mischung keinen ausgewiesenen Preis hat. Selten habe ich so einen teuren Saft getrunken.
Auf dem Platz ist nicht viel los. Äffchen turnen auf Holzkisten, Meerschweinchen rennen im Kreis, Kobras liegen in geflochtenen Körben. Das Minarett der Kutubiya Moschee, dem Wahrzeichen der Stadt, thront über allem.
Um den „No-Guides“ zu entkommen, laufen wir zu den Saadir-Gräbern. An einer Straße biegen wir falsch ab. Der kürzeste Weg führt nun durch das Haus eines Teppichhändlers. Im Innern stöhnen wir auf. Der zuvorkommende Mann bringt uns jedoch direkt zu den Gräbern.
Der Hunger zieht uns zurück in die Medina. Es ist 14 Uhr und die Garküchen haben noch geschlossen. Ein etwas abseits liegender Imbiss hat geöffnet.
Satt und leicht schläfrig lassen wir uns von einem Berber in seinen Laden mit Gewürzen und Kosmetik locken. Ein Blick genügt ihm und schon weiß er, wo der Schuh drückt. Ich bekomme eine Massage mit Arganöl, schnuppere an Gewürzen, nehme Proben von Naturprodukten und stehe eine halbe Stunde später um einige Verspannungen und etliche Dirham ärmer wieder im Souk.
In einer Nische sitzt eine junge Frau. Vor ihr, auf einem kleinen Tischchen, stehen Schüssel, Topf und Kanne. Mein Blick geht zur Kanne: „Kaffee?“ Sie lächelt und schiebt mir einen Plastehocker zu. Der Kaffee ist perfekt gewürzt. Schon steht ihr Bruder da und preist die Kichererbsen-Bohnen-Suppe, die im Topf blubbert, an. Gut, ein wenig Suppe geht noch. Vorsichtig schlägt die junge Frau das Tuch, das über der Schüssel liegt, zurück. Neugierig sehe ich hinein und halte auch schon ein gekochtes Ei in der Hand.
Inzwischen sind die Gassen der Medina voller Menschen und Mopeds. Um sich Platz zu verschaffen, geben die Fahrer Gas. Smog wabert durch die Sträßchen. Wir biegen ab in einen Souk. Dort gibt es ein Verbot für motorisierte Fahrzeuge.
Über dem Platz der Gehenkten liegen der Dunst von Garküchen und der Geruch von frisch Gebratenem. Es dämmert und das bunte Treiben auf dem Platz beginnt. Schlangenbeschwörer und Wahrsager, Märchenerzähler, Gaukler sowie Musiker und Künstler zeigen ihr Können.
Wir stehen im Kreis zwischen Männern, Frauen und Kindern, die einem Märchenerzähler lauschen. Gemeinsam mit ihnen erleben wir seine Erzählung, und obwohl wir die Sprache nicht verstehen, nimmt er uns mit in die Welt von 1001 Nacht.