Spitzbergen

Einsamkeit heißt nicht, allein zu sein, sondern sich nach niemandem sehnen zu können.
(Aus Spitzbergen)

Reisejahr 2009

spitzbergen (1)

Rau, karg, unwirtlich, eisig schön: Spitzbergen. Nach einem eindrucksvollen Flug über das ewige Eis setzt der Flieger in Longyearbyen, dem nördlichsten Verkehrsflughafen der Welt auf.

Unsere Gastgeber (Anton und Brita) holen uns fünf Besucher am Flughafen ab. Das Wohnhaus liegt zehn Kilometer außerhalb der Stadt. Als wir uns dem Holzhaus nähern, schimmert ein einladendes Licht durch die kalte Polarnacht. Drinnen stehen in drei kleinen Zimmern Doppelbetten oder Stockbetten für uns bereit. Der Ofen im Wohnzimmer strahlt mollige Wärme ab.

Auf der Insel leben mehr Eisbären als Menschen. Überall warnen Schilder vor dem weißen Raubtier. Um sich gegen Angriffe von Eisbären zu schützen, ist durch den Sysselmann – direkter Vertreter der norwegischen Regierung auf Spitzbergen – jedermann verpflichtet, außerhalb von Ortschaften großkalibrige Büchsen zu tragen. Wobei ein bewaffneter Begleiter pro Gruppe reicht.

Warnung vor dem Eisbär auf Spitzbergen
Warnung vor dem Eisbär
Wohnen abseits der Hauptstadt von Spitzbergen
Wohnen abseits der Hauptstadt
Trainigsfahrt mit dem Hundeschlitten

Am nächsten Morgen beginnt das Hundeschlitten-Fahrtraining. 50 Huskys – zierliche Hunde voller Tatendrang – gehören zur Familie. Anton und Brita suchen für jeden das „passende“ Gespann  aus.

Fünf Hunde sollen meinen Schlitten ziehen. Als ich einen der Huskys aus dem Zwinger hole, zerrt er vor Freude so stark an der Leine, dass ich hinfalle und bäuchlings hinter ihm hergezogen werde.

Die Prozedur des Geschirranlegens durch meine ungeübte Hand lassen die Hunde jedoch erstaunlich gelassen über sich ergehen. Kaum sind sie eingespannt, fangen sie an zu jaulen und am Schlitten zu zerren. Noch bevor ich den Schneeanker lösen kann, rennen sie los und ich liege im Schnee.

Die Fahrt geht zu einer Eishöhle im Scott-Turner-Gletscher. Vor dem verschlossenen Eingang zur Höhle sichern wir die Schlitten, rüsten uns mit Helm und Stirnlampe aus, rutschen auf dem Hintern in die Höhle hinein und schlittern auf unseren Füßen durch eine faszinierende Welt aus Eis. Umgeben vom Frost wärmen wir uns mit einem heißen Tee.

Eine faszinierende Welt aus Eis im Scott-Turner-Gletscher
Eine faszinierende Welt aus Eis im Scott-Turner-Gletscher
Eisformationen im Scott-Turner-Gletscher auf Spitzbergen
Eisformationen im Scott-Turner-Gletscher

Am nächsten Tag habe ich bereits sechs Hunde vor dem Schlitten. Der Streifzug durch Täler und über Hügel verläuft ruhig. In der Ferne sind Spitzbergen-Rentiere zu sehen, Eisbären lassen sich keine blicken.

Nur der Muskelkater in den Oberarmen macht mir zu schaffen. Dabei soll morgen die lange Tour starten. Wegen des stürmischen Wetters wird sie jedoch um einen Tag verschoben. Stattdessen bummeln wir durch Longyearbyen und besichtigen Kirche, Universität und Museum. Auf vom Kohlebergbau schwarz gefärbtem Untergrund stehen die Überreste alter Grubenbahnen.

Wohnhäuser in Longyearbyen auf Spitzbergen
Wohnhäuser in Longyearbyen
Kirche in Longyearbyen auf Spitzbergen
Kirche in Longyearbyen
Drei Tage unterwegs im ewigen Eis

Mit Lita, Jagor, Bruno, Ursus, Tuna und Hilmar vor dem Schlitten beginnt der dreitägige Ausflug durch die raue, weitläufige, von Plateaubergen und Hochebenen geprägte Landschaft. An einem Fjord bauen wir für die Nacht kleine Zelte auf.

Zuerst wird jedoch ein Loch in den gefrorenen Boden gegraben, eine kleine Mauer aus Schnee als Sichtschutz drumherum gebaut und schon ist eine Toilette fertig.

Ein Stück entfernt wird für jedes Zelt ein kleiner Graben ausgehoben und die Schlafkabine des Zeltes an diese Vertiefung gestellt. So lässt es sich drinnen bequem sitzen und komfortabel die Kleidung wechseln.

Derweil entfacht Anton in einem großen Zelt ein kleines Lagerfeuer, kocht das Abendessen und taut Wasser für die Hunde auf. Mit dem Satellitentelefon nimmt er Kontakt mit Brita auf: „Alles ist in bester Ordnung.“

Satt und müde gehen wir nach dem Abendessen zu den Zelten. Mit Skiunterwäsche bekleidet, den Innenstiefeln an den Füßen, einer Balaklava auf dem Kopf und eingerollt in einen dicken Schlafsack, schlummern wir wohlig-warm und entspannt.

Morgens geht es weiter über Eisfelder und Bergsättel. Eine ruhige Fahrt durch die mittlerweile blau schimmernde Arktis. Abends schlagen wir die Zelte an einem der Berge auf.

Die Hunde wollen laufen
Die Hunde wollen laufen
Zelten im Eis auf Spitzbergen
Zelten im Eis

In der Nacht kommt Wind auf, der immer heftiger wird. Am Morgen ist der Reißverschluss des Zeltes gefroren und lässt sich nur schwer öffnen. Die Hunde liegen verschneit in ihren selbst gegrabenen Kuhlen.

Nach dem Frühstück werden die Zelte abgebaut. Im Sturm werden sie jedoch zu Gleitschirmen und es braucht alle Hände, um sie einzupacken.

Alles ist auf den Schlitten verstaut. Die Hunde werden unruhig. Sowie sie das Geschirr anhaben, fangen sie an zu jaulen und zu zerren. Sie wollen rennen. Das Kommando „Go“ zum Loslaufen brauchen sie nicht.

Die Fahrt geht durch unberührten Schnee, Gletscher und Berge ziehen vorbei. Ein Fuchs taucht kurz auf.

Pause im  Eis: die Krallen der Bremse fest in den Boden drücken, Schneeanker setzen. Im Gepäck ist ein Lunchpaket und als Höhepunkt etwas Süßes. Der morgens gekochte Tee wärmt wohltuend von innen.

Die Hunde sind ungeduldig. Trotz gesetzter Schneeanker schafft es mein Gespann, sich loszureißen. Wir können sie gerade noch aufhalten. Dabei gerät einer der Anker unter die Kufen des Schlittens. Das Losfahren wird zur Zitterpartie – Schlitten festhalten, Schneeanker unter den Kufen hervorholen, aufspringen. Geschafft.

Meine Skibrille ist indes liegen geblieben. Um etwas sehen zu können, halte ich meine Haare vom Kopf weg in den eisigen Wind. Sie sind sofort gefroren und bieten meinen Augen einen Windschutz.

Der Sturm wird stärker. Das Gespann, das vor meinem fährt, taucht ab und an aus dem Weiß auf. Erleichterung. Verschwindet es, macht sich Beklemmung breit.

Vertrauen.

Vertrauen in mein Gespann, in Ausdauer und Navigationssinn der Huskies.

Es geht bergauf. Auffordernd blicken mich die Hunde an. Sie wollen Hilfe. Das Gespann zieht, ich schiebe und laufe dabei neben dem Schlitten. Die Hunde sind natürlich vor mir auf dem Berg und rennen sofort los. Nur nicht loslassen. Mit Mühe springe ich auf den Schlitten auf.

Der Sturm lässt nach. Die Sicht wird klar. Am Himmel über Spitzbergen zeichnen sich helle Streifen ab. Eine ruhige Nacht liegt vor uns.

Am nächsten Morgen weht wieder ein starker Wind, der den Schnee herumwirbelt und allen die Sicht nimmt. Wenige Minuten vor der Ankunft in unserem Quartier hört der Sturm jedoch auf. Erste kurze Sonnenstrahlen tauchen den Himmel in rot und orange leuchtendes Licht. Die Polarnacht neigt sich dem Ende.

Das Licht kehrt zurück auf Spitzbergen
Das Licht kehrt zurück
Ende der Polarnacht auf Spitzbergen
Ende der Polarnacht
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