Mongolei – Gobi

Wenn du vor etwas Angst hast, dann tu es nicht. Und wenn du etwas tust, dann darfst du keine Angst davor haben.
(Sprichwort aus der Wüste Gobi)

Reisejahr 2006

Ulan Bator – Baga Gazriin Chuluu – Erdenedalai – Delgerkhangay – Geierschlucht – Bajandsag – Khongorin Els – Nemengt – Tsulganaj Oasis (Gobi) – Bayan Onbor – Altai – Uliastai – Tsonontsengel – Terkhiin Tsagaan Nuur – Tsetserleg – Karakorum – Ogi nuur – Hogno Han – Ulan Bator

Mongolei

Heilige Gipfel umgeben die Stadt Ulan Bator und ihren Flughafen. Dort erwartet uns Ariuna, die uns drei Wochen durch die Wüste Gobi begleiten wird.

Vorerst beziehen wir jedoch ein Zimmer in einer Wohnung im Zentrum der Stadt. Von Jetlag geplagt, legen wir uns für ein paar Stunden hin, ehe wir am Nachmittag das Stadtzentrum besichtigen.

Naadam-Fest: das Nationalfest der Mongolen

Am nächsten Tag findet im Stadion die Eröffnungszeremonie des Nationalfestes Naadam statt. Vor dem Einzug in das Stadion zieht die Parade von Athleten, Mönchen und Soldaten, die in der Kriegertracht aus den Zeiten Dschingis Khans kostümiert sind, über den Süchbataar Platz.

Naadam-Fest-Mongolei
Dschingis Khan mit seiner Jurte
Naadam-Fest-Mongolei
Frauen in traditioneller Kleidung
Naadam-Fest-Mongolei
Krieger

Die Zeremonie im Stadion dauert mehrere Stunden und erfordert viel Sitzfleisch. Wir bleiben drei Stunden und sehen der prachtvollen Parade sowie dem Nationalsport der Mongolen, den Ringkämpfen zu. Noch vor dem Ende der Wettkämpfe verlassen wir jedoch die Arena und gehen noch zu den Bogenschützen und den Schagai-Spielern.

Die Wettkämpfe im Bogenschießen finden mehr im Hintergrund des Festes statt. Die Schützen verwenden Holzpfeile mit abgerundeten Spitzen und zielen auf am Boden stehende Gegenstände aus Leder, die nicht größer als eine Coladose sind.

In einer Spielhalle werden die Meisterschaften in Schagai (Schafknöchelspiele), einer sportlichen Nebenveranstaltung des Naadam-Festes, ausgetragen. Dichtes Gedränge umgibt die Spielenden. Sobald wir stehen bleiben, um zuzusehen, rückt die Menge auseinander. 

Am Abend findet eine große Party in der City statt. Wir sind jedoch zum Feiern zu müde und lassen den Tag bei einem Bier im Khan-Bräu ausklingen.

Naadam Fest
Wettkampf der Ringer im Stadion
Naadam Fest
Bogenschießen
Naadam Fest
Meisterschaften in Schagai

Am zweiten Tag des Naadam-Festes findet das Reitturnier statt. Das Rennen ist ein ganz besonderes Ereignis. Über eine Distanz von 30 Kilometern treten Kinder zwischen 6 und 12 Jahren, darunter viele Mädchen, gegeneinander an. Geritten wird meist ohne Sattel. Auf einer kleinen Tribüne sitzen ein paar Zuschauer, die meisten verfolgen das Rennen jedoch auf dem Rücken ihrer Pferde. Wer sich stärken will, setzt sich zu seinem picknickenden Familienverband auf die Festwiese.

Bei den Nomaden in der Wüste Gobi

Das Abenteuer Gobi beginnt mit einer Zeremonie. Ein Lama segnet blaue Schals, die dem Reisenden Glück auf seinen Wegen bringen sollen. Zum Abschluss des Rituals gibt es hochprozentiges Heilwasser zum Trinken auf die linke Hand.

Nach einer langen Fahrt durch die Steppe halten wir an einem Ger. Die Hausherrin lädt ein und bewirtet uns mit einer kräftigen Suppe. Am frühen Abend erreichen wir Baga Gazriin Chuluu: alte Felsformationen, an denen wir das Zelt aufstellen.

In den Felsen gibt es Höhlen, in denen einst mongolische „Robin Hood“ lebten, die den Reichen die Pferde nahmen, um sie den Armen zu geben.

Zelt und Auto sind am Morgen noch da. Die Landschaft verändert sich. Das Grün weicht einer Kies-Geröll-Wüste. An einem Hof (Ger und Holzhütte) halten wir und werden zum Tee eingeladen. Die Kinder bekommen Äpfel und Kekse; wir erhalten dafür getrockneten Quark.

Unterwegs-in-der-Gobi
Unterwegs in der Gobi
Nomaden-in-der-Gobi
Zu Gast auf einem Hof bei Nomaden
Gobi-Mongolei
Hof in der Gobi

Die ersten Kamele tauchen auf; die Gere werden seltener; in der Hitze streikt das Auto. Zeit für eine Pause mit Tee und Brot.

An einem Ger bleibt das Auto ein weiteres Mal liegen. Während Manas (der Fahrer) an dem Kleinbus, einem UAZ, bastelt, laden uns die Ger-Bewohner zum Essen ein. Es gibt Ziegenfleisch am Knochen.

Mittlerweile ist es für eine Weiterfahrt zu spät und wir bauen die Zelte unweit des Gers auf einer nach Schnittlauch duftenden Wiese auf. Zum Schlafen kommen wir jedoch nicht. Die Nacht ist sehr stürmisch und in der Ferne weinen Kamele.

Die Kies-Geröll-Wüste weicht feinem Wüstensand. Mittendrin stehen Saxaul-Wälder und wird in kleinen Oasen Gemüse angebaut. An einer Düne fegt Manas eine dünne Sandschicht beiseite. Skelettteile eines Dinos kommen zum Vorschein. Nur kurz dürfen wir sie ansehen, dann fegt er den Sand wieder über die Knochen.

Die „Singende Düne“

Wir sind auf dem Weg zur „Singenden Düne“. Die kaum erkennbare, vom starken Regen rutschige Piste führt durch Schluchten und zwischen Felsen hindurch, die so dicht am Weg liegen, dass Manas auf den Zentimeter genau lenken muss.

An der Geierschlucht halten wir für eine Wanderpause. Ein Minigletscher versperrt zwar den Pfad durch das Tal, aber wir können unter ihm hindurch kriechen. Nur Geier bekommen wir keine zu sehen. 

Geierschlucht-Mongolei-Gobi
Auf dem Weg in die Geierschlucht
Gletscher-in-der-Geierschlucht
Gletscher in der Geierschlucht
Singende-Duene-Gobi-Mongolei
Singende Düne

Wieder einmal bleibt das Auto liegen. Obwohl es stürmt und regnet, kommt nach einiger Zeit ein weiteres Fahrzeug vorbei, hält und die Fahrer schaffen es, den Bus zu reparieren. Da das Unwetter nicht nachlässt, zelten wir nicht an der „Singenden Düne“, sondern übernachten bei einer Familie, die in der Nähe zwei Gere stehen hat. Obwohl bei Gewitter keine Ziegen gemolken werden, melkt die Gastgeberin extra eine Geiß, damit wir Milch für den Tee haben. Der Sohn besorgt eine Autobatterie, die die Lichtquelle in jedem Ger ist.

Zum Schlafen kommen wir wieder nicht: Der Geruch, den das zum Trocknen aufgehängte Ziegenfleisch verströmt, raubt uns die Nachtruhe.

Gegen Morgen hört es auf zu regnen. Die „Singende Düne“ liegt nur wenige Meter entfernt. Der feine Dünensand klebt dank des vielen Regens fest aneinander und so erreichen wir schnell den Dünengrat. Wieder kommen Sturm und Regen auf und erschweren den Abstieg. Nach sechs Stunden sind wir zurück bei unseren Gastgebern.

Für den Abend haben sich Gäste angekündigt. Wir sind Glücksbringer, da wir den Regen mitgebracht haben. Glücksbringer? Jede Familie hat in der Nacht ein Tier verloren. Eine Kamelstute, deren Baby wir weinen hörten, ist auch darunter.

Die Weiterfahrt beginnt mit einer Überquerung der „Singenden Düne“. Damit wir die passierbaren Stellen finden, fährt der Hausherr mit dem Motorrad vor. Das Auto schleudert zwar im Sand, aber Manas bewältigt souverän die Fahrt über die Düne.

Zum Mittagessen halten wir bei einer Familie, die an einem Salzsee lebt. Der 60-jährige Familienvater ist gerade als Ninja – Bergarbeiter ohne Lizenz und ohne Schutzausrüstung – auf dem Weg zum Gold schürfen. Der viele Regen und die Überschwemmungen haben die Salzgewinnung unmöglich gemacht und der Familie ihr Einkommen genommen. Damit sie einen Zuverdienst haben, lassen wir uns mit Nudeln und Schaffleisch bekochen.

Ninja in der Wüste

Wir machen einen Abstecher zu den Ninja. In dem Goldgräberfeld sind überall Löcher im Boden, gerade so breit, damit ein schmaler Mensch hineinklettern kann. Vorsichtig bewegen wir uns vorwärts. Niemand weiß, in welche Richtung gegraben wurde und wo die Gefahr einzubrechen besteht. Besucher sind hier ohnehin nicht gern gesehen und so fahren wir auch bald weiter.

Die „Flammenden Berge“

Am Horizont türmen sich weiße Haufen im grauen Gobisand. Manas lenkt das Auto dorthin: „Das ist Schafwolle. Ich werde den Leuten beim Schafescheren helfen. Das ist eine Selbstverständlichkeit.“ Die Hirten sind erfreut über die unverhoffte Hilfe, und während Manas mit ihnen arbeitet, trinken wir Tee.

Nomaden-Trek-Gobi-Mongolei
Eine Nomadenfamilie zieht um
Schafhirten-in-der-Gobi
Scheren der Schafe
Flammende-Berge-in-der-Gobi-Mongolei
Zelten an den Flammenden Bergen

Das Nachtlager schlagen wir an den „Flammenden Bergen“ auf. Aber erst zum Sonnenaufgang, wenn die Sonne als große, apfelsinenfarbene Scheibe auf dem Boden zu stehen scheint und der Himmel noch voller Sterne ist, sehen die Berge tatsächlich wie in Flammen stehend aus.

In den Bergen soll es viele Dinosauriereier und Skelette geben. Entdecken können wir auf unserer Wanderung jedoch nichts. Zurück am Zelt werden wir bereits erwartet. Ranger, die uns für Skeletträuber halten, kontrollieren die Pässe. Sie haben eine Spur schwerer Stiefel verfolgt, die zum Zelt führt. An unseren Füßen sind jedoch nur Sandalen. Nach ein paar misstrauischen Blicken verschwinden sie.

Noch tiefer in die Gobi

Je tiefer wir in die Gobi fahren, desto glühender scheint die Sonne. Als ein kleiner See in der trockenen Landschaft auftaucht, glauben wir an eine Fata Morgana. Aber das Wasser ist wirklich da und wir legen uns in das knöcheltiefe Nass. Leider sind wir nicht alleine. Mücken umschwärmen uns, sodass wir flüchten.

Kaum haben wir das Gewässer verlassen sind die Plagegeister verschwunden und wir können die Zelte in Sichtweite zum See aufbauen. Die Nacht ist die schönste der Reise: Riesige Sterne, Sternschnuppen und die Milchstraße in der Konsistenz von Zuckerwatte sind zum Greifen nah und umgeben uns wie eine beschützende Kuppel.

In einem Aimag-Zentrum (Dorf mit Schule, Internat, Läden, Verwaltung), betankt Manas am nächsten Tag das Auto. Wir gehen derweil Lebensmittel einkaufen.

Felsen versperren die Piste. Zum Glück ist Manas ein ortskundiger und geübter Fahrer, der schnell einen anderen Weg findet.

Ein Ger taucht am Horizont auf. Die Frau des Hauses bietet uns an, Suppe mit Ziegenfleisch, Nudeln und Kartoffeln zu kochen. Während sie in anderthalb Stunden das Essen zubereitet, trinken wir Schnaps aus Ziegenmilch und sehen der Tochter zu, wie sie Airag (gegorene Stutenmilch) herstellt.

Nur ein paar Meter und einen Hügel weiter bauen wir die Zelte auf einer grünen Pferdekoppel auf. Wir sind überrascht, denn das Ger der Familie hat mitten in einer Geröllwüste gestanden.

Abends bringt die Gastgeberin Joghurt. Sie erzählt, dass jedes Gebiet seine Beschützer hat: „In unserer Region sind es weinende Kinderstimmen, die Fremde in Angst versetzen und sie vergraulen sollen. Habt keine Sorge. Die Stimmen sollen uns vor den Chinesen beschützen.“

So gut geschlafen haben wir schon lange nicht mehr. Die Mutter unserer Gastgeber kommt früh mit getrocknetem Quark und Milch und bittet uns um den Müll: „Es ist immer noch Brauchbares dabei.“

Wieder stürmt und regnet es. Die Unwetter haben die Pisten weggespült. Obwohl sich Manas so oft es in der kaum bewohnten Wüste möglich ist, nach einer befahrbaren Piste erkundigt, muss er suchen. Meistens sind die Tipps gerade weggespült worden.

Das Zelten ist wegen des Wetters unmöglich. In einem Bagzentrum (der kleinsten Verwaltungseinheit in der Mongolei) übernachten wir in einem Hotel. Die Besitzer wohnen ebenfalls in dem Gebäude und damit wir es auch wirklich gemütlich haben, werden wir im Kinderzimmer einquartiert. Abends trinken wir noch Brüderschaft mit dem Hotelbesitzer.

Die Nacht ist herrlich ruhig. Zum Frühstück bringt der Hausherr Weißbrot und Milchhaut.

Wir fahren zum Einkaufen nach Altai, der Hauptstadt der westmongolischen Provinz Gobi-Altai. Kurz vor dem Ort gibt es asphaltierte Straßen und Straßenschilder. Ein paar Kilometer weiter bauen wir bei herrlichem Sonnenschein an einem Fluss die Zelte auf. Kaum stehen sie, tobt ein Regensturm über uns hinweg. Diesmal sind zwar die Zeltstangen völlig verbogen, aber das Zelt steht noch.

Nach der sehr kalten Nacht bedeckt am Morgen eine dünne Eisschicht die Überzelte. Bis zu unserem Ziel Uliastai haben wir jedoch genügend Zeit, um uns im Auto aufzuwärmen.

In der Nähe des Aimag-Zentrums Uliastai hat Manas Verwandte, die uns zum Buuzessen (gefüllte Teigtaschen) einladen. Neben ihrem Ger bauen wir die Zelte auf, wobei uns die ganze Familie fachsimpelnd beobachtet. Abends sitzen alle auf einer Wiese und lassen die Wodkagläser kreisen.

Aimag-Zentrum-Gobi
Aimag-Zentrum
Aimag-Zentrum-Gobi
Im Aimag-Zentrum
Nomadenfamilie-in-der-Gobi-Mongolei
Geselliges Beisammensein

Am Morgen werden uns zum Frühstück Boortsog (Gebäck) und Milchhaut gebracht. Zum Mittagsmahl laden die Nachbarsfamilien ein. Uns zu Ehren wird eine Ziege geschlachtet und Chorchog zubereitet, ein Essen, das es nur zu besonderen Anlässen gibt.

Die gekochten Innereien sind als Erstes fertig. In einer großen Schüssel werden sie im Kreis herumgereicht. Jeder schneidet sich mit dem Messer ein Stück von dem ab, worauf er gerade Appetit hat.

Der Kreis der Essenden wechselt aus dem Ger nach draußen. Das Ziegenfleisch, das mit im Feuer erhitzten Flusssteinen gegart wird, steht fertig zubereitet auf der Wiese.

Nachdem die Reste des schmackhaften Mahls abgeräumt sind, sollen wir unbedingt noch sitzen bleiben. Ein Junge drückt jedem einen heißen Stein in die Hand: „Das ist gut für die Gesundheit.“ Ich habe eher das Gefühl ein paar Brandblasen zu bekommen und lasse den Stein sofort fallen.

Am nächsten Tag flutet der Regensturm bereits am Morgen unsere Zelte und Sachen. Wir packen alles so gut es geht zusammen und reisen nach einer herzlichen Verabschiedung von unseren Gastgebern weiter.

Die Tankanzeige neigt sich dem Ende zu. Zum Glück ist ein kleines Zentrum mit Zapfsäule in der Nähe. Während des Tankens fällt der Strom aus. Was nun? Manas zahlt, fährt ein paar Meter weiter und betankt an der nächsten Zapfsäule per Kurbelantrieb das Auto.

Aus der Wüste wird Steppe, Geier tanzen am Straßenrand, im Nirgendwo bauen wir im Regen die Zelte an einem Fluss auf.

Morgens steht ein Pferd vor dem Zelt. Ein Junge bringt frische Milch und Milchhaut zum Frühstück.

Tankstelle-Mongolei
Zapfsäule mit Kurbelantrieb
Mongolei-Camping
Camping
Khorgo-Vulkangebiet-Mongolei
Khorgo-Vulkangebiet

Am Terkhiin Tsagaan Nuur, einem See, der im Khorgo Vulkangebiet liegt, soll das Wetter besser sein. Aber auch dort stürmt und regnet es und so mieten wir von einer Familie ein Ger.

Die Nachbarn laden uns auf eine Yakmilch ein. „Wollt ihr Murmeltier zum Abend essen?“, werden wir gefragt. Wir bejahen die Frage und gehen gemeinsam mit dem Hausherrn – erfolglos – auf Murmeltierjagd.

Zurück in unserem Ger heizen wir zuerst kräftig den Ofen. Die Schlafsäcke trocknen; wir tauen auf. Da eine Autobatterie nicht aufzutreiben ist, spenden zwei Kerzen etwas Licht.

Am nächsten Tag zeigt sich die Sonne ein wenig. Ohne Umschweife brechen wir zu einer Wanderung durch das Vulkangebiet auf.

Unerreichbar: die heißen Quellen

Die Nacht ist wieder einmal bitterkalt. Umso mehr freuen wir uns auf das Ziel des Tages: heiße Quellen. Dort stürmt und regnet es jedoch so stark, dass wir sie nur ansehen können. Da es unmöglich ist zu zelten, mieten wir wieder ein Ger.

Die Großmutter unserer Gastgeber erwartet uns am Morgen mit Milch und Milchhaut vom Yak. Als Gegenleistung bittet sie um Ibuprofen oder ähnliche Mittel. Ein Teil der Tiere ist krank, Medikamente gibt es weit und breit nicht, und was Menschen hilft, lässt sich auch gut für das Vieh verwenden.

Der Himmel klart auf und wir fahren weiter nach Karakorum. Kurz vor dem Ziel fällt ein Teil vom Auto ab. Manas fährt in die nächstgelegene, nur 50 Kilometer entfernte, Werkstatt. Bis das Fahrzeug provisorisch repariert ist, sehen wir uns in der Gegend um. Die Landschaft besteht nur aus Sand, Grasbüscheln und viel Ruhe.

Ein Gercamp ist in der Nähe. Den Luxus einer warmen Dusche und richtigen Betten im Trockenen gönnen wir uns. Der allabendliche Sturm und Regen können kommen. Es bleibt trocken.

Das Auto ist zur Instandsetzung in der Werkstatt. Mit einer Gruppe aus dem Camp fahren wir nach Erdene Zuu, dem ersten Kloster des Buddhismus in der Mongolei. Von der einstigen Klosteranlage sind nur die von 100 Stupas gekrönte Mauer aus dem 17. Jahrhundert und vier Tempel erhalten geblieben.

Kloster-Erdene-Zuu
Kloster Erdene Zuu
Mongolei-Kloster-Erdene-Zuu
Kloster Erdene Zuu
Mongolei-Kloster-Erdene-Zuu
Kloster Erdene Zuu
Am Ogi Nuur

Das Auto ist repariert, wir brechen auf. Nachmittags erreichen wir den Ogi Nuur und bauen unser Zelt an seinem Ufer auf.

Der See mit dem glasklaren Wasser liegt mitten in einer Graslandschaft. Ein Pferdezüchter und seine Familie leben hier. Vor ihrem Ger stehen festgemacht mit einer langen Leine sieben Pferde. Es sind die Tiere, die zum Reiten benötigt werden. Der große Rest der Herde ist irgendwo auf Futtersuche.

Im Gepäck habe ich einen geliehenen russischen Sattel, der die Aufmerksamkeit der Mongolen auf sich zieht. Sein Leder ist kunstvoll geprägt. Einer nach dem anderen leiht ihn sich aus. Ein Junge möchte ihn gerne gegen seinen traditionellen mongolischen Sattel aus Holz tauschen.

Gerne darf jeder den Sattel nehmen. Am Ufer des Sees entlang zu wandern und die ersten sonnigen Tage nach drei Wochen Wolken und Regen zu genießen, ist viel erholsamer, als zu reiten.

Die sehr gastfreundliche Familie lädt zu einer Reittour ein. Die Einladung abzulehnen wäre unhöflich. Es soll nur ein kurzer Ritt am See entlang zu einer Wiese, auf der Hunderte von Edelweiß blühen werden. Mir wird versichert, das ruhigste und friedlichste Pferd zu bekommen: die Oma.  

„Tschu“, rufe ich Oma immer wieder zu. Das ist das Zauberwort, um die Pferde in Gang zu bringen. Plötzlich schwenkt Oma zur Seite und steht im See. Sie läuft immer tiefer hinein. Nun gut, denke ich: Das Pferd kann schwimmen; ich kann schwimmen und das Wasser lädt zum Baden ein. Abgesprochen war jedoch eine Reittour an Land, keine Schwimmtour im Wasser. Aber Oma lässt sich nicht beirren. Ich habe keine Idee, wie ich sie aus dem Wasser bekommen könnte.

Der Junge, der uns begleitet, kommt auf seinem Pferd hinterher. Er zerrt Oma aus dem Nass. Die hat ihren eigenen Willen. Entweder sie kann ins Wasser oder bleibt stehen. Ab jetzt hilft auch kein „Tschu“ mehr. Oma muss hinterhergezogen werden.

Wir erreichen die Wiese später als gedacht und müssen aus Zeitgründen sofort umkehren. Nun steht Oma vorn – und läuft los.

Ein Blinken in der Sonne. Oma rennt. Schon versinken wir im Schlamm. Diesmal hilft keiner. Der Junge, der uns begleitet, ruft: „Das Pferd weiß, was es tut“.

Hoffentlich. Krampfhaft halte ich mich am Horn des Sattels fest. Nur nicht herunterfallen.

Vorhand, Hinterhand, Oma windet sich heraus, sieht sich kurz um und rennt Richtung Stall. Schnell überholen die anderen Pferde. Oma wird sofort langsam. Neben mir glitzert das Wasser des Sees in der Sonne. Hoffentlich rennt sie nicht wieder hinein, denke ich. Aber Oma ignoriert das Wasser und entscheidet sich für den ruhigen Gang. Gedankenverloren genieße ich die friedliche Stille, die Wärme der Sonne und das sanfte Schaukeln auf dem Pferderücken.

Am letzten Abend unternehmen wir noch einmal einen kurzen Reitausflug. Allzu weit kommen wir nicht. Ein Unwetter überrascht uns. Sturm und Hagel zwiebeln auf der Haut. In Sichtweite steht zwar eine Hütte, die Pferde kommen jedoch nicht gegen das Unwetter an. Wir drehen um. In rekordverdächtigem Galopp fliegen wir förmlich nach Hause. Dort hat der Sturm unser Zelt derart zusammengedrückt, das alles klitschnass ist. Der 17-jährige Sohn bietet uns sein Ger zum Übernachten an. Unter dem an der Wand hängenden Ziegenkopf schlafe ich sehr gut. Der Geruch nach trocknendem Fleisch stört mittlerweile nicht mehr.

Eigentlich wollen wir früh abreisen. Gäste der Pferdezüchter haben jedoch ein Schaf schlachten lassen und laden uns zum Essen ein. Nach dem Mahl versuchen wir aufzubrechen. In dem Moment hört der Regen auf. „Ihr könnt jetzt nicht fahren. Wir feiern jetzt auf der Wiese ein Fest und ihr seid eingeladen.“

Die Einladung können wir unmöglich ausschlagen. Als alle im Kreis sitzen, gehen ein Glas Wodka und ein Glas Airag von Hand zu Hand. Zu solch einer Runde gehört es, dass jeder ein Lied singt. Die Mongolen können im Gegensatz zu uns sehr gut singen. Nach mehreren Runden zeigen Wodka und Airag ihre Wirkung. Singen können wir immer noch nicht, aber auch nur noch schwankend auf den Füßen stehen. Trotzdem schafft es Manas noch für das Nachtlager bis zur nächsten schönen Wiese zu fahren.

Das letzte Etappenziel – das Hogno Han Gebirge – ist nur 15 Minuten von der Wiese entfernt. Wieder nüchtern klettern wir über die Felsen und besichtigen das alte Kloster Erden Hamp.

Ulan Bator

Am nächsten Vormittag sind wir zurück in Ulan Bator, besichtigen das Gandan Kloster und die 26,5 Meter hohe Janraisig-Statue, fahren in die Zaisan Hill, trinken abends ein Bier im Khan-Bräu und genießen die letzte Nacht in der Mongolei in den frisch renovierten Zimmern der Wohnung und einer warmen Dusche.

Im Flughafengebäude herrscht dichtes Gedränge. Ein Flieger nach Deutschland steht mit einem Schaden seit Tagen auf dem Rollfeld. „Das eingeflogene Ersatzteil passt nicht. Wir lassen jetzt die Leute, die schon länger warten, abreisen“, erklärt das Bodenpersonal.

Nun stehen wir auf dem Flughafen, dessen Halle wenigstens Platz genug zum Frisbeespielen bietet.

Nach einigen Stunden des Wartens erklärt sich der Flugkapitän bereit, mit dem abgestellten Flieger zu starten. Dann wurde das eingeflogene Ersatzteil wohl passend gemacht, denke ich. Erst nach geglücktem Abflug erfahren wir, dass der Flieger nur abheben konnte, weil er lediglich ein Minimum an Kerosin im Tank hat. So war er leicht genug, um über die Berge, die Ulan Bator umgeben zu fliegen.

Zum Nachtanken landen wir in Nowosibirsk. Auf dem entlegensten Zipfel des Flugplatzes, von Soldaten mit ihren Waffen im Anschlag umstellt, warten wir, bis das Flugzeug betankt ist. Mit viel Verspätung, aber gesund landen wir zu Hause.

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