Wer auf dem Bett liegt, kennt die Bettwanzen dort.
(Sprichwort der Mandinka aus Gambia)
Reisejahr 2023
Bijilo (Bijilo Forest Reserve) – Bakau (Kachikally Crocodile Pool) – Banjul – Bintang – Kunta Kinteh Island – Guinea-Bissau
Es ist mitten in der Nacht. Das Auto rumpelt über holprige Pisten nach Bijilo. „Genießt die Fahrt!“, sagt Amadou. „Wir sind gerade in Serekunda, dem am dichtesten besiedelten Teil von Gambia. Am Tag wimmelt es hier von Menschen und Autos.“
Gambia ist mit einer Gesamtfläche von ungefähr 11.000 Quadratkilometern einer der kleinsten Staaten des afrikanischen Kontinents. Das Land erstreckt sich entlang der Ufer des Gambia-Flusses und ist nirgends breiter als 50 Kilometer. Bis auf einen kurzen Küstenabschnitt am Atlantischen Ozean ist es vollständig vom Senegal umschlossen. Obwohl die Bevölkerung zu 90 Prozent muslimisch ist, sieht man nur selten verschleierte Frauen. Der Großteil der Einwohner baut in Subsistenzlandwirtschaft Hirse, Sorghum, Reis, Mais und als Hauptexportprodukt Erdnüsse an.
Bijilo
Bijilo liegt rund 20 Kilometer von Banjul entfernt am Atlantischen Ozean. Ein leichter Wind weht Wüstensand durch die Gassen. An einem Baum hängen Schlauchboote zum Verkauf, daneben stehen Zelte, Bambusmöbel und Autos. Über allem liegt zentimeterdick roter Staub.
Der Ort ist bekannt für das Naturschutzgebiet Bijilo Forest Reserve. Das Reservat besteht hauptsächlich aus einem Wald, in dem Zweige und Blätter der Bäume einen dichten Baldachin bilden und ist unter anderem Heimat für Scharen von Grünen Meerkatzen und Roten Stummelaffen.
Mit den Eintrittskarten erhalten wir eine Tüte Erdnüsse und ein paar Bananen. Sofort sind wir umringt von Affen, die auf den Hinterbeinen stehend nach Futter betteln, hochspringen und mit vorsichtigem Griff die Früchte schnappen.
Als wir uns auf eine Bank setzen, folgt sofort eine Affengesellschaft. Die jüngeren Familienmitglieder springen uns auf den Schoß, tippen auf die Schulter und zupfen an den Sachen. Ein Affe putzt die Erdnüsse mit der Hand, bevor er sie knackt und frisst.
Der Park verläuft auf einer Länge von 1.500 Metern parallel zur Küste. Wir verlassen den schattigen Wald und spazieren am Wasser entlang. Saft und Obstsalat wird an diversen Ständen angeboten. Die Verkäufer kommen zwar auf uns zu und werben für ihre Buden; nach einer freundlichen Ablehnung unsererseits mit dem Versprechen, auf dem Rückweg ganz sicher einzukehren, ziehen sie sich jedoch sofort wieder zurück.
Auffallend viele ältere weiße Frauen schlendern oder sitzen Hand in Hand mit jungen afrikanischen Männern am Strand. Gambia ist für weiblichen Sextourismus vor allem von Seniorinnen aus Europa bekannt. Die Regierung will dieses Image jedoch abschütteln und arbeitet an der Einführung von Gesetzen, die es der Polizei erleichtern sollen, die Prostitution einzudämmen.
Bakau
Am nächsten Morgen machen wir uns gemeinsam mit Amadou auf den Weg zum Kachikally Crocodile Pool. Er befindet sich in der Altstadt von Bakau. Langsam fährt Amadou durch die sehr engen Gassen des Viertels, vorbei an schiefen Wellblechhütten und Kühen, die die Piste blockieren.
Eine farbenfroh mit Wildtierszenen bemalte Wand bildet den Eingang zum Park. In einem über vier afrikanische Rundhütten verteilten ethnografischen Museum befinden sich eine Sammlung kultureller Objekte ethnischer Gruppen sowie Exponate zur politischen Geschichte Gambias.
Hinter dem Museum windet sich ein Pfad unter Palmen und uralten, riesigen Bäumen hindurch bis zu einem von Wassersalat überzogenen Teich mit den als heilig verehrten Krokodilen. Guides sitzen dort und warten auf Besucher, um ihnen den Ort zu erklären und sie an die Tiere heranzuführen.
Etwa 100 Reptilien leben in dem Gewässer; vier liegen dösend am Ufer. Sie sind so vollgefressen, dass man ihre kühle, schuppige Haut betasten kann. „Nicht am Kopf berühren! Da reagieren sie empfindlich“, erklärt ein Guide.
Als eines der Krokodile sich plötzlich vorwärtsbewegt, ist sofort ein Wärter zur Stelle und wirft ihm Fisch hin. Daraufhin setzen sich auch die anderen gemächlich in Gang; zwei weitere kommen das Ufer herauf.
Schon nach wenigen Happen liegen sie wieder bewegungslos in der Sonne. 250 Kilogramm Fisch vertilgen die Tiere jeden Tag. Sind sie satt, verdauen sie und bewegen sich nicht.
Eine kleine, gemauerte Nische steht am Ufer. „Vor allem Frauen, die Kinder bekommen möchten, aber nicht können, kommen hierher. Sie beten, und wir holen das als heilig geltende Wasser aus dem Teich für eine Dusche“, erzählt der Guide.
Banjul
Von Bakau ist es nicht weit bis nach Banjul. Auf dem Independence Drive erreichen wir die Hauptstadt von Gambia. Überspannt wird die Straße vom Arch 22, einer der wenigen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Das 35 Meter hohe, cremefarbene Monument wurde zum Gedenken an den Putsch vom 22. Juli 1994 errichtet. Damals übernahm der junge Armeeoffizier Yahya Jammeh die Kontrolle über das Land und verdrängte Präsident Jawara.
Im Innern steht der Triumphbogen vor dem Verfall. Die über mehrere Etagen verteilten Räume beherbergen eine Ausstellung zur Herrschaft von Jammeh, der von 1994 bis 2017 das Land regierte. Der Exzentriker behauptete, Aids und Malaria durch Handauflegen therapieren zu können und ordnete die Vier-Tage-Woche an, damit die Bewohner „beten, sich mit ihren Freunden treffen oder zu Hause die Felder bestellen“ können.
Der Aufstieg zur obersten Plattform wird jedoch mit einem weiten Blick über die Minarette der King-Fahd-Moschee und die Stadt hinweg bis zum Meer belohnt.
Die eigentliche Attraktion Banjuls ist der Albert-Markt. Wir bummeln durch das Labyrinth des Basars. Neben Früchten wie Orangen, Zitronen, Mangos, Papayas und Wassermelonen liegt ein Potpourri aus Haushaltsgegenständen und gefälschten CDs, Sheabutter, Lippenstift, Haarverlängerungen, Sonnenbrillen, Parfums, Weihrauch und traditionelle Medikamente. Es riecht nach Abfall, Gewürzen und Meerestieren.
Die großen Fische werden jedoch am Ufer des Atlantiks verkauft. Jeden Tag gegen 16 Uhr kommen die Fischer, die morgens aufs Meer hinausfahren, mit dem Fang des Tages zurück.
Ihre bunt bemalten Holzkähne liegen bereits vor Anker. Einige sind an Land und werden repariert. Misstrauisch fixieren uns die Augen der Fischer und der Marktfrauen.
Aus einer Räucherei steigt schwarzer Qualm in den blauen Himmel. Drinnen sitzen Vater und Sohn im beißenden Rauch und achten darauf, dass das Feuer unter den Öfen nicht erlischt.
Fisch, der nicht geräuchert wird und nicht zum sofortigen Verkauf bestimmt ist, wird in Gefriertruhen, die mit Eis gefüllt sind, haltbar gemacht. Gerne würden wir uns einen Stachelrochen zubereiten lassen. Aber es ist Ramadan und die Garküchen sind geschlossen.
Bintang
Mit Amadou haben wir vereinbart, dass er uns nach Bintang ins Landesinnere bringt. Die Straße ist zu unserem Erstaunen asphaltiert. Es gibt viele Polizeikontrollen, aber Amadous grünes Auto wird jedes Mal durchgewunken: Die grün lackierten Fahrzeuge sind durch ihre Farbe als Touristentransporter gekennzeichnet.
Das Land ist durchgehend bewohnt. Massiv gebaute Häuser und zerfallene Wellblechhütten mit schief hängenden Wellblechzäunen stehen in den Dörfern. Grüne und gelbe Fähnchen an langen, in der Erde steckenden Ästen signalisieren, welcher Partei die Sympathien der Dörfler gehören.
Je tiefer wir ins Landesinnere gelangen, desto höher steigen die Temperaturen. Angenehmer wird es wieder, als wir in der Lodge in Bintang ankommen. Sie liegt an einem Seitenarm des Gambia, wurde 1994 erbaut und sieht entsprechend heruntergekommen aus.
Die Bungalows stehen auf Pfählen, die im Schlamm versinken, die Fensterritzen sind mit Lumpen verstopft, Bauschaum füllt die großen Lücken zwischen Wänden und Dach, der Bretterboden hängt durch und auch das Bett hat sich der Form angepasst. Immerhin gibt es im Bad neben vielen Ameisen auch Wasser aus dem Duschkopf und ein WC.
Auch das Abendessen ist etwas gewöhnungsbedürftig. Es muss Stunden im Voraus bestellt werden und besteht aus kalten, trockenen Nudeln und in Ketchup ertränkten Shrimps aus dem Fluss. Trotzdem sind wir noch hungrig und bitten um zwei weitere Portionen. Eine Angestellte erwidert in schroffem Ton: „Die Küche ist geschlossen. Was nicht beauftragt wurde, wird auch nicht gekocht.“
Dafür hält der nächste Morgen eine positive Überraschung bereit. Obwohl die Lodge inmitten eines Mangrovenwaldes steht, wurden wir nachts nicht von Mücken zerstochen.
Nach dem Frühstück starten wir mit dem hauseigenen Motorboot zu einer Tagestour nach Kunta Kinteh Island. Das Boot ist ein einfacher Holzkahn mit Sonnendach und erhöhtem Bug, um die Insassen vor dem Spritzwasser zu schützen.
Die zweieinhalbstündige Fahrt ist eher langweilig. Das Ufer bedecken Mangroven und auf dem breiten Gambia schippert nur ein einzelnes Fischerboot vorbei.
Kunta Kinteh Island
Kunta Kinteh Island, das bis zum 6. Februar 2011 noch den Namen James Island trug, dokumentiert die historische Bedeutung des Sklavenhandels in Westafrika. Der Inselname geht zurück auf den von Alex Haley geschriebenen Roman “Wurzeln”. Demnach war Kunta Kinteh ein junger Mann vom Volk der Mandinka aus dem gambischen Dorf Juffure. Er soll als Sklave am 5. Juli 1767 auf einem Sklavenschiff von James Island nach Maryland verschifft worden sein.
Auf der kleinen Insel stehen noch die Ruinen der Festung Fort James. Guides geben gegen ein Trinkgeld eine Führung durch die Gemäuer mit anschaulichen Erläuterungen zum Leben der Sklaven und ihrer Verschiffung im 18. Jahrhundert.
Juffure, der Ort, in dem sich auch das Sklavenmuseum mit einer Ausstellung über die Geschichte von Kunta Kinteh befindet, liegt etwa fünf Kilometer entfernt auf dem Festland. Während auf der Insel nur ein paar Guides unterwegs sind, wird im Dorf viel gebettelt. Vor allem Kinder sitzen vor Blechbüchsen und Kanistern und trommeln ein paar afrikanische Rhythmen.
Nachdem der Eintritt bezahlt ist, besuchen wir das kleine, mit interessanten Informationen und Bildern bestückte Museum. Mehr gibt es im Dorf jedoch nicht zu entdecken und wir machen uns auf den Rückweg.
Der letzte Tag in Gambia
Den letzten Tag verbringen wir in der Lodge. Nur ein Bummel durch Bintang unterbricht den Müßiggang. Der Ort hat ungefähr 700 Einwohner, die hauptsächlich Reis, Erdnüsse und Gemüse anbauen. Das Dorf ist in drei Kabilos (Zonen) unterteilt, die abwechselnd für die Bewirtung der Gäste der Lodge zuständig sind. Die Einnahmen werden für die Entwicklung der Zonen ausgegeben.
Natürlich werden wir sofort von einem jungen Mann angesprochen: „Ich heiße Bakary und werde euch das Dorf zeigen.“ Als Erstes lotst er uns zur Moschee. Vor dem grün-weißen Gotteshaus sitzen ein paar alte Männer, die uns gestatten es zu besichtigen.
Bintang besteht aus Wellblechhütten und abseits der staubigen Hauptstraße aus verwinkelten Gassen. Bakary lädt uns zum Tee ein. Auf einem kleinen Öfchen wird Holzkohle entzündet und Wasser gekocht. Wir sitzen im Schatten vor einer Hütte mit zwei Zimmern, in die nur durch ein winziges Fenster etwas Licht hereinfällt. In einem der Räume befinden sich ein alter Sessel und ein wackliger Tisch, in dem anderen eine Matratze.
Der Großvater kommt vorbei und spricht uns auf Deutsch an: „Ich habe drei Jahre in Deutschland gelebt.“ Bakary nutzt die Gelegenheit und lädt uns zum Essen ein: „Wir holen Fisch und grillen ihn für euch heute Nachmittag.“ Uns wird er zu aufdringlich und auch ein weiterer Typ rückt immer näher. Wir lehnen ab und machen uns auf den Weg zurück in die Lodge.
Am nächsten Morgen brechen wir in aller Frühe nach Guinea-Bissau auf.