Prostituierte, Bullen, die Treppen am Ganges und die Priester sind die Gefahren der Stadt. Wer vor ihnen flüchten kann, wird sich wohlfühlen hier.
(Aus Varanasi in Indien)
Delhi – Varanasi – Kalkutta – Bangladesch
Mit zwei Stunden Verspätung lande ich in Istanbul. Zu spät – der Anschlussflieger nach Delhi hat bereits abgehoben. Zu meinem Leidwesen erfahre ich, dass der nächste Flug erst 24 Stunden später starten wird. Um mich eher nach Delhi zu bringen, erhalte ich das Angebot, nach Dubai zu fliegen und dort in einen Flieger von Emirate zu wechseln, der nach Indien fliegen soll. Gesagt, getan. Fünfzehn Stunden später als gedacht stehe ich im Flughafen von Delhi am Gepäckband und warte geduldig, bis auch das letzte Gepäckstück seinen Besitzer gefunden hat. Mein Rucksack ist nicht dabei. Das übliche Prozedere beginnt: Verlustmeldung, das Versprechen, dass das Gepäck im nächsten Flieger sein und ins Hotel gebracht wird.
Das Hotel ist im Stadtteil Karol Bagh, mitten im alten Teil Delhis. Vor dem Flughafen warten Prepaid-Taxis. An den Verkaufsstellen für die Coupons muss ich wohl vorbei gelaufen sein. Zurückgehen in das Flughafengebäude mag ich nicht, ein Taxifahrer sieht seinen Vorteil, vereinbart jedoch einen fairen Preis. Als er losfährt, steigt ein zweiter Typ ein; mir ist nicht ganz wohl dabei. In Karol Bagh fahren wir immer wieder im Kreis; Rikschafahrer wissen nicht, wo das Hotel sein soll; ein Typ meint, es sei seit Kurzem geschlossen und ich solle doch in dem – recht teuer aussehenden – Hotel, vor dem wir gerade stehen, übernachten. Nach langem Einreden auf den Beifahrer ruft er endlich die Telefonnummer auf meiner Buchungsbestätigung an. Das Hotel gibt es, und obwohl der Fahrer die Lage beschrieben bekommt, fährt er noch eine Weile im Kreis und erzählt mir, dass genau der Bereich von Karol Bagh, in dem wir unterwegs sind, für Taxis viel teurer sei als die anderen Gebiete.
Ich entdecke das Hotel und zwinge die Typen anzuhalten, drücke ihnen den vereinbarten Fahrpreis in die Hand und lasse sie fluchend stehen.
In den engen Gassen wimmelt es von Autos, Rikschas, Läden und Menschen. Ein junger Mann spricht mich an: „Diese Gegend ist sehr unsicher. Komm mit mir, ich lade dich zu einem Bier und eine Massage ein.“ Obwohl ich ablehne und ihn stehen lasse, klebt er hartnäckig an meinen Fersen. Da es ohnehin schon dämmerig ist, gehe ich auf dem kürzesten Weg ins Hotel zurück.
Vor der Abreise am nächsten Morgen führe noch ein Telefonat mit Emirate – mein Rucksack ist immer noch nicht angekommen – und gebe die Adresse meines Hotels in Varanasi durch.
Varanasi: Heilige Stadt am Ganges
Das Hotel in Varanasi liegt direkt am Haupt-Ghat, und da das Taxi nur bis zur autofreien Zone fahren kann und ich den Rest des Weges zu Fuß zurücklege, kaufe ich nebenbei die am dringendsten benötigten Dinge wie Zahnbürste und etwas Kleidung ein.
Mein Zimmer hat Ganges-Blick. Als ich durch die sehr eng beieinanderstehenden Gitterstäbe schaue, ist jedoch kaum etwas zu sehen. Nur ein Affe guckt mir neugierig in die Augen.
Beim Bummel durch die Altstadt spricht mich ein junger Mann an. Er lässt sich nicht wie alle anderen abwimmeln. Ich sage ihm mit Nachdruck, dass er von mir kein Geld bekommen wird. „Das brauche ich auch nicht. Ich kann für mich selbst sorgen. Mein Name ist Rajiv.“
Wir laufen in die Richtung der Burning Ghats. Meterhoch stapelt sich in Ufernähe das Holz, das zum Verbrennen genutzt wird. Es ist ein spezielles Holz, das auch im Regen entflammbar ist.
Von der Terrasse eines halb verfallenen Hauses sind die Burning Ghats sehr gut zu sehen. Mehrere Holzstöße brennen. Ein Toter, eingehüllt in das traditionelle orangefarbene Tuch, wird zum Fluss getragen und gewaschen. Einer der Arbeiter wirft, nachdem er die Asche der Scheiterhaufen nach Schmuck durchsiebt und anschließend die Ascheberge im Fluss verteilt hat, Beckenknochen – diese verbrennen meistens nicht – in den Ganges. Beim Verlassen der Terrasse muss ich mir den Segen einer alten Frau, die am Eingang hockt, geben lassen. Dafür will sie natürlich Geld haben. 4000 Rupien (58 Euro) hält sie für angemessen. Ich drücke ihr 150 Rupien (2 Euro) in die Hand. Ihre Mundwinkel und ihre Augen zucken zornig. Stumm schluckt sie ihre Wut hinunter. Derweil gibt es eine Rangelei zwischen Rajiv und einem Typen, der mit der alten Frau „zusammenarbeitet“. Das Geld, das angeblich eine Feuerholzspende für die Armen sein soll, wird ausschließlich für Drogen ausgegeben.
Wir schlendern am Ganges entlang zurück zum Hostel und verabreden uns für den Abend. Rajiv hat bis dahin ein Boot organisiert und rudert zum benachbarten Dashaswamedh Ghat. Dort findet die allabendliche Aarti Zeremonie statt. Priester und Pilger beten jede Nacht zu Mutter Ganga. Es werden Lieder gesungen, Lampen und Fackeln entzündet und kleine mit Blumen gefüllte Schalen ins Wasser gesetzt.
Vor dem Ghat schaukeln unzählige Boote mit Touristen. Rajiv drängelt sich dazwischen. Es ist sehr laut und so wirklich gut ist die Zeremonie vom Boot aus nicht zu verfolgen. Rajiv paddelt zurück, wir gehen etwas Essen und er erreicht es anschließend doch noch mich in den Laden, in dem er arbeitet, zu lotsen. Sein Chef versucht sofort ein Verkaufsgespräch anzufangen. Ich ärgere mich und schaffe es, das beginnende Gespräch abzuwürgen und zu gehen.
Um 5 Uhr wird es laut vor dem Hotel. Es ist die Zeit für ein Bad im Ganges und auch um sich ein Boot zu mieten und den Pilgern beim Bad zuzusehen. An den Ghats sind jedoch nur wenige Leute, die ein Bad nehmen, einige waschen Wäsche. Der viel gepriesene Sonnenaufgang verschwindet hinter den Wolken, der Wind weht sehr stark und lässt das Boot schnell abtreiben.
Wellen schlagen über den Bootsrand. Die Strömung ist so stark, dass der Bootsbesitzer per Telefon Verstärkung holt. Aus Sicherheitsgründen werde ich ans Ufer gerudert und laufe zurück zum Hotel.
Mitten im Gassengewirr der Altstadt steht der Vishwanath-Tempel (Goldener Tempel). Er ist Lord Shiva gewidmet, der höchsten Gottheit der Stadt. Nur mit Pass und Geld in der Tasche ziehe ich los. Polizei schickt mich von Eingang zu Eingang – immer wieder ist das nächste Tor die gesuchte Pforte für Ausländer. Irgendwann gebe ich auf und gehe ins Hotel, um meine Kamera zu holen.
Zwischenzeitlich hat Delhi Airport angerufen, mein Rucksack soll am nächsten Tag zwischen 15 und 16 Uhr ankommen. Das könnte knapp werden. Ich habe mir eine Fahrkarte nach Kalkutta besorgt und muss um 16 Uhr zum Bahnhof aufbrechen. Da Zugtickets auf lange Zeit im Voraus ausverkauft sind, kann ich auch nicht länger in Varanasi bleiben.
Kaum habe ich das Hotel verlassen, werde ich wieder einmal angesprochen. Der Typ ist sehr hartnäckig. Er folgt mir unentwegt redend zum Ghat, setzt sich neben mich und erzählt, dass direkt unter uns der Ehevermittlungsplatz sei, er unbedingt ein Kind mit mir haben wolle und ich alle meine Reisepläne vergessen solle, um mit ihm zu leben. Der Typ ist nicht einmal auf Droge. Ich stehe auf und gehe. Er ruft mir noch hinterher, dass mein Verhalten schlecht fürs Karma sei.
Ich komme nur zehn Meter weit. Rajiv von gestern Abend läuft mir über den Weg. „Komm mit in meinen Laden.“ „Nein, ich gehe jetzt essen“, antworte ich. Er kommt mit. Wenigstens ist das Gericht, das er empfiehlt, ausgezeichnet. Er versucht, mich zu einer abendlichen Bootsfahrt zu den Burning Ghats zu überreden. Keine Chance. Ich erzähle ihm, dass ich am nächsten Tag nach Bangladesch abreisen werde. Seine Augen lassen mich nicht mehr los: „Hast du in Bangladesch einen Liebhaber?“ „Nein.“ „Dann verstehe ich nicht, warum du dorthin reisen willst.“
Ob ich im Goldenen Tempel gewesen sei, möchte er als Nächstes wissen. Ich erzähle von meinem Versuch, in den Tempel zu gelangen: „Ich bringe dich rein.“ Wir verabreden uns für den nächsten Tag.
Mittlerweile ist es Mittagszeit, die Temperaturen sind auf 46 Grad gestiegen und ich gehe für eine Mittagspause ins kühle Hotelzimmer. Plötzlich beginnt das Bett zu schaukeln. Das Haus bricht zusammen, denke ich und bin im Nu im engen Treppenhaus und vor der Tür. Später lese ich in der Zeitung, dass es ein großes Nachbeben in Nepal gab. Dort gab es bei Erdbeben im April und Mai 9000 Tote und 600.000 eingestürzte Häuser.
Abends zieht es mich noch einmal zur Aarti Zeremonie am Ghat. Direkt vor den Priestern, die das Ritual ausführen zu stehen ist viel spannender, als vom Boot aus zu zusehen. Nach dem Ende der Zeremonie wird Reis verteilt: große Schalen voller Reis an die Bettler, kleine Schalen an alle anderen. Eine Kuh liegt zwischen den Gläubigen und frisst eine Schale Reis nach der anderen leer. Einige Leute gehen zu ihr, um sie aus der Hand fressen zu lassen. Der Kuh scheint das weniger zu gefallen.
Um 9 Uhr bin ich mit Rajiv für einen Besuch des Goldenen Tempels verabredet. Er kommt nicht. Ich hole meinen Rucksack und gehe einen Kaffee trinken. Jemand klopft auf meine Schulter – Rajiv. Den Rucksack kann ich bei einem der Blumenhändler am Tempel, die extra Schließfächer haben, abgeben, kaufe das preiswerteste Körbchen mit Zuckerzeug und Blumen (15 Euro) und warte auf einen Priester, der mich abholen soll. In der Zwischenzeit schärft mir Rajiv ein, gegenüber den Polizisten am Eingang zu beteuern, dass ich an den Hinduismus glaube und ansonsten keine weiteren Fragen zu beantworten.
Ich folge dem Priester vorbei an einer langen Schlange Wartender. Nach dem Passieren mehrerer Abtastkontrollen der Polizei, der Registrierung meines Passes, der Beantwortung der Frage nach dem Grund des Besuches – mein Glaube an den Hinduismus – und der Verneinung der Vermutung, ich sei Muslimin, sowie dem Zurücklassen meiner Flip-Flops, stehe ich auch schon im Tempel. Dank priesterlicher Begleitung kann ich mich an allen Wartenden vorbei drängeln.
Im Tempel erhält der an der Quelle sitzende Priester die Blumen, das Zuckerzeug bekomme ich zurück. Dann ist der Besuch auch schon beendet. „Mein“ Priester zeigt auf das goldene Dach des Tempels, lässt mich ein paar Worte nachsprechen, segnet mich mit einem Zeichen auf der Stirn und schon stehe ich wieder in der Gasse. Meine Flip-Flops sind noch auf dem Tempelgelände, der nächste Laden jedoch nicht weit.
Rajiv ist auch gleich wieder zur Stelle und schleppt mich in seinen Laden. Nachdem er den Besuch der Tempelanlage ohne Anstehen ermöglicht hat, kann ich nicht ablehnen. Sein Chef merkt jedoch sehr schnell, dass ich ganz sicher nichts kaufen werde und kurze Zeit später verabschieden wir uns auch schon.
Natürlich will Rajiv Geld haben: „Gib mir, was Dein Herz sagt.“ Das sagt bei 46 Grad nichts.
Irgendwas scheint aber am Tempelsegen dran zu sein. Zu meiner großen Freude wartet im Hostel bereits der Flughafenkurier mit dem Rucksack. Zwar verlangt er ein ordentliches Trinkgeld, aber ich bin froh, meine Sachen wieder zu haben.
Der Zug nach Kalkutta fährt erst um 18 Uhr ab. Ich bummele ein wenig durch die Gassen. Plötzlich steht Rajiv vor mir. Ob ich nicht doch Geld für ihn hätte. Nein. Ob ich die Burning Ghats fotografieren möchte; das ist verlockend, jedoch verboten. Ich sage ja, aber du bekommst kein Geld dafür. „Okay“, ist seine Antwort.
Wegen der Mittagshitze verabreden wir uns zu 15 Uhr. Pünktlich ist Rajiv da, besorgt ein Boot und rudert zu den Burning Ghats. Ich fotografiere und fotografiere, bis die Leute am Ufer etwas herüberrufen. Langsam rudert er retour. Verstohlen blicke ich auf die Uhr.
Rajiv gibt das Boot zurück und schlägt vor, noch zu den kleinen Burning Ghats zu laufen. Ich kann nicht widerstehen. Auch dort fotografiere ich, bis die Ersten anfangen zu schimpfen. Rajiv entgegnet etwas und wir gehen. Unbedingt will er mich noch zum Bahnhof bringen. Bevor wir jedoch in eine Rikscha steigen, schleppt er mich in ein Restaurant: Ohne einen warmen Imbiss zum Mitnehmen soll ich die lange Zugfahrt nicht antreten. Langsam wird mir mulmig. Nicht nur die Abfahrtzeit rückt verdammt nahe, Rajiv auch: „Deine Ausstrahlung, dein Lächeln, die Augen, ich bin so voller Zuneigung zu dir.“ In Gedanken lege ich mir einen Fluchtplan zurecht.
Zum Glück benötige ich ihn nicht. Telefonisch hat er einen Freund, der eine Motorrikscha besitzt, geordert. Er sei ein crazy Fahrer und würde nur 15 Minuten bis zum Bahnhof brauchen. Das ist er in der Tat. Pünktlich komme ich am Bahnhof an. Anzeigetafeln gibt es nicht, der Bahnsteig ist trotzdem schnell gefunden. Durch die Lautsprecher werden pausenlos Zugnummern und Bahnsteige durchgesagt. Irgendwann gebe ich es auf, mich darauf zu konzentrieren. Der Zug scheint jedenfalls Verspätung zu haben.
Als Erstes verspeise ich in Ruhe den Imbiss. Anschließend suche ich mir einen Englisch sprechenden Inder. Der Zug hat tatsächlich Verspätung. Ein anderer Zug fährt ein und wieder ab. Eine Gruppe älterer Leute (vier Frauen, ein Mann), schafft es nicht mehr aufzuspringen. Dabei steht der Zug lange im Bahnhof. Die vier Frauen beschimpfen den Mann lautstark, sodass er noch kleiner wird, als er ohnehin schon ist.
Plötzlich springt alles auf – Bahnsteigwechsel. Verstanden habe ich die Ansage nicht, renne aber vorsorglich den Leuten hinterher. Kaum auf dem anderen Bahnsteig angekommen, fährt der Zug auch schon ein. Ich habe eine Liege in der AC 3. Klasse – Klimaanlage, offene Abteile mit sechs Liegen und zwei Liegen an der Längsseite des Wagens.
Kalkutta liegt am Hugli
Bis zur Ankunft in Kalkutta hat der Zug vier Stunden Verspätung. Der Bahnhof Howrath ist ein überfüllter Moloch. Ich erwische den falschen Ausgang und finde mich zwischen Bussen und Motorrikschas wieder. Auf meine Frage, wo denn Taxis abfahren würden, werde ich von oben bis unten gemustert und erhalte in einem abschätzigen Ton die Antwort, dass ich einen Bus nehmen solle. Ich gehe zurück in den Bahnhof. Gedränge. Suchen. Es dauert etwas, aber ich finde den richtigen Ausgang. Unzählige gelbe Autos stehen dort. Die Taxameter sind sogar in Betrieb und ich zahle nur 200 Rupien (knapp 3 Euro).
Nach einer kurzen Pause bin ich auch schon wieder auf dem Weg. In zwei Tagen plane ich mit dem Bus nach Dhaka in Bangladesch weiter zu reisen und es ist höchste Zeit, eine Fahrkarte zu kaufen. Nur drei Metrostationen vom Hotel entfernt ist ein Busbahnhof. Den Bus-Parkplatz finde ich sofort, die Ticketschalter nicht. „Geh zum neuen Markt auf die andere Straßenseite. Dort bekommst du auch Tickets“, erklärt mir ein Taxifahrer.
Der Markt ist ein ganzes Viertel mit Läden. Ein Typ bringt mich zu einem Tickethändler, der am internationalen Busbahnhof anruft. „Die Tickets sind ausverkauft“, ruft er mir achselzuckend nach dem Telefonat zu. Überrascht bin ich nicht darüber, fahre aber trotzdem zum internationalen Busterminal. Das Terminal ist ein öder Platz. In einem kleinen Gebäude am Rand des Parkplatzes befindet sich in einem kahlen Raum ein wackliger Schreibtisch. Dahinter sitzt ein Mann mit Stift und Block und bestätigt, dass es keine Tickets mehr gibt: „Du kannst auch mit dem Zug fahren. Der fährt dreimal in der Woche, Tickets bekommst du bei der Eastern Company.“
Eilig wird ein Taxi herbei gewunken. Zehn Minuten vor dem Ende der Öffnungszeiten hält es bei der Eastern Company. Ein Ticket für den Zug am Samstag ist noch zu haben, allerdings nur Non-AC in der 2. Klasse. Innerlich stöhne ich auf, das kann ja heiter werden bei den Temperaturen. Andererseits bin ich froh, ein Ticket zu bekommen. Zum Kauf muss ich ein Visum für Bangladesch vorweisen. Ich reiche meinen Pass über den Tresen. Der Verkäufer wendet ihn hin und her und bezweifelt die Echtheit meines von der bengalischen Botschaft in Berlin ausgestellten Visums. Erst nachdem mehrere Leute geprüft und einer es für echt befunden hat, bekomme ich das Ticket verkauft.
Mit der Metro geht es zurück. Leider ist es auf den Bahnsteigen noch lauter als auf den Straßen. Von diversen Bildschirmen plärren Filme und Werbung überlaut durch den Bahnhof.
Mittlerweile ist es Abend geworden, ich suche mir eine Garküche und beobachte die Rikschafahrer. Die Rikschas werden in Kalkutta noch von Hand gezogen. Es ist erstaunlich, wie die sehr schlanken Männer ihre Rikscha, in denen meist Übergewichtige sitzen, die schon Mühe haben, ihren Körper in das Gefährt zu hieven, durch die Gassen ziehen.
Der nächste Tag ist Sightseeingtag. Mit der Metro geht es zum Maidan-Park, einer riesigen Grünanlage mit Cricketfeld, Ziegenweide und der Victoria Memorial Hall. Türme überragen die Baumkronen. Sie gehören zur St.-Pauls-Kathedrale. Auch das Minarett der Nakhoda-Moschee ist von Weitem zu sehen. Ich gehe darauf zu, kurz vor der Moschee läuft ein splitternackter Mann vor mir ebenfalls auf die Moschee zu, weitere sitzen davor. Ich drehe um und verzichte auf die Besichtigung.
Den Rest des Tages verbummle ich in den Seitengassen. Dort türmen sich an unzähligen Ständen Obst und Gemüse. Jeder zweite Laden ist ein Stoffladen mit Schneiderei, Rikschafahrer bieten unaufdringlich eine Fahrt an, die Leute beobachten mich mit freundlichen Gesichtern, keiner quatscht mich zu.
Mit dem Zug nach Bangladesch
Vom Bahnhof Kalkutta/Chitpur fahren nur zwei Züge ab. Der Zug nach Dhaka steht schon bereit. Nach dem Passieren mehrerer Sicherheitskontrollen bin ich bis zum Zug vorgedrungen und kann einsteigen. In der zweiten Klasse gibt es bequeme, plüschige Sitze. Die Ventilatoren über den Sitzreihen laufen auf Hochtouren, mein Sitznachbar bietet mir seinen Fensterplatz an. So lässt es sich gut aushalten. Selbst die Toiletten sind sehr sauber. Ich bin froh, dass es keine Plätze mehr in einer der AC-Klassen gab.
Alle dösen vor sich hin, Soldaten kommen immer wieder vorbei. Plötzlich wird es hektisch, alle greifen nach ihrem Gepäck: die Grenze. Der Zug hält. Jeder drängelt und schubst, als ob nur die ersten zwanzig Leute über die Grenze gelassen werden.
In einer großen Halle hat sich eine lange Warteschlange gebildet, grüppchenweise werden die Leute in einen weiteren Raum gelassen. Dort werden die Frauen abgescannt, die Männer nicht. Mein Pass sorgt bei den Beamten für ein wenig Abwechslung. Mit Spaß lesen sie sich meine Visa durch, bevor ich den Ausreisestempel erhalte und nach Bangladesch einreisen darf.