Usbekistan

Vor dem Tee fehlt die Kraft zu arbeiten, nach dem Tee die Lust.
(Sprichwort aus Usbekistan)

Reisejahr 2010

Taschkent – Ferghanatal Chiwa Buchara Wüste KisilkumSamarkand – Taschkent

Müde steigen wir am frühen Morgen in Taschkent aus dem Flieger. Die Stadt schläft noch und auch wir gehen im Hotel ein wenig schlummern.

Am Vormittag sind wir verabredet mit Kachramon, einem Deutsch sprechenden Usbeken. Noch vor dem Treffen machen wir uns auf die Suche nach einer Möglichkeit, Geld zu wechseln. Vergeblich. Erst mithilfe von Kachramon finden wir ein Hotel mit Wechselstube. Dort erhalten wir Dollar für unsere Euro, die wir später bei Straßenhändlern in usbekische Soʻm tauschen.

Taschkent: zwischen Europa und dem Orient

Mit dicken Geldbündeln im Rucksack fahren wir zum Fernsehturm, auf dessen Plattform wir es nach Pass- und Sicherheitskontrollen tatsächlich schaffen. Der Blick bis zum Tienchan-Gebirge ist den Aufwand jedoch wert.

Unweit vom Fernsehturm ist eine Metrostation, die wir gleich nutzen, um die sehenswertesten drei Bahnhöfe abzufahren: Alisher Navoiy, Ozbekiston sowie Kosmonavtlar. In Alisher Navoiy sind in einer stilisierten Medrese die Werke des Dichters Alisher Navoiy abgebildet, die Station Ozbekiston symbolisiert das wichtigste Agrarprodukt des Landes, die Baumwolle und Kosmonavtlar vermittelt das Gefühl, sich in einer Raumstation zu befinden.

Großzügig angelegt sind auch die Straßen. Tief verschleierte Frauen spazieren neben knapp in Designermode gekleideten Damen. Viele Parkanlagen sorgen für frische Luft; Putzfrauen polieren die marmornen Stufen und Einfassungen der Grünanlage eines pompösen Konferenzzentrums.

Taschkent-Usbekistan
Unabhängigkeitspark
Taschkent-Usbekistan
Vor der Tagungshalle wird geputzt
Taschkent-Usbekistan
Blick vom Fernsehturm auf Taschkent

Der einzige Ort in der Stadt mit einem Hauch von orientalischem Flair ist Alt-Taschkent. Umgeben von kleinen Holzhäusern befinden sich dort die Barak-Khan-Medrese, Moscheen, Mausoleum und der älteste Marktplatz Chorsu Basar. Auf dem Basar herrscht erstaunlich viel Ruhe, niemand preist seine Waren lautstark an, alle wirken entspannt. Der Duft nach frischen Backwaren lockt uns zu einem Bäcker, der das verzierte Taschkenter Brot anbietet. Wir können nicht widerstehen und essen jeder eines.

Das meist geschlossene Amir-Temur-Museum hat geöffnet. Der runde Bau ist dem mongolischen Krieger und Politiker Amir Temur (Tamerlan) gewidmet, in dessen Tradition sich Präsident Islam Karimov sieht.

Nachtrag: Seit dem Tod Karimovs im September 2016 regiert der ehemaliger Premierminister Miromonowitsch Mirsijojew das Land.

Im Unabhängigkeitspark, in dem sich in protzigen Gebäuden aus Glas und Marmor das Parlament und das Finanzministerium befinden, suchen wir erfolglos ein kleines Fleckchen, das nicht unter Polizeibeobachtung steht. Immerhin werden wir als Ausländerinnen nicht ständig taschenkontrolliert. Das bleibt den Usbeken vorbehalten.

Ein Usbeke, der in der DDR als Soldat gedient hat, spricht uns an: „Ich will unbedingt eine von euch heiraten.“ Von uns beiden hat aber gerade keine Lust auf Hochzeit und ich antworte, dass wir verheiratet seien und nur die Ringe zu Hause vergessen hätten.

Über den Kamtschik-Pass ins Ferghanatal

Von Taschkent wollen wir ins Ferghanatal reisen. Da der April erst begonnen hat, ist bei unserer Ankunft noch unklar, ob eine Fahrt über den in 2520 Meter Höhe liegenden Pass Kamtschik überhaupt möglich sein wird. Zudem verteilt sich das Ferghanatal auf die Staatsgebiete von Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan und gilt wegen des traditionell starken Islam in der Region als Unruheherd.

Wir haben Glück. Die Passstraße ist befahrbar, an der „Grenze“ ins Ferghanatal werden wir von Soldaten durchgewunken.

In Kokand, der Hauptstadt des ehemaligen Reiches von Kokand und Knotenpunkt an der Seidenstraße, halten wir und durchstreifen die Ruinen der Freitagsmoschee, besichtigen den Khanpalast und schlendern auf dem Friedhof vorbei an den Gräbern der Khane von Kokand.

Während wir uns die Stadt ansehen, beschließt Kachramon zum Beten in eine Moschee zu gehen. Nach Jahren als Sowjetbürger will er Muslim werden. Einen Koran hat er sich bereits zugelegt. Da er jedoch erst einmal Geld verdienen muss, hat er keine Zeit, in ihm zu lesen. Um seinem Vorhaben dennoch eine gewisse Ernsthaftigkeit zu verleihen, geht er im muslimischen Ferghanatal in die Moschee.

Usbekistan-Gebirgspass-Kamtschik
Gebirgspass Kamtschik
Usbekistan-Medrese-in-Kokand
Medrese in Kokand
Ferganatal-Baecker
Bäckerei im Ferganatal

50 Autominuten von Kokand entfernt und an der Grenze zu Kirgistan liegt Rishtan, eine für ihre Keramik bekannte Stadt. Wir legen dort eine Pause ein und schauen einem der tausend Töpfer eine Weile über die Schulter, ehe es weiter nach Ferghana geht.

Es ist schon später Nachmittag, als wir in Ferghana ankommen. Die Industriestadt besticht durch ihre Vielfalt an dekorativen Bäumen und Sträuchern und erinnert an einen großzügig angelegten botanischen Garten.

Am nächsten Morgen brechen wir auf nach Margilan, eine Hochburg des konservativen Islam und der traditionellen Seidenfabrikation.

In der Seidenfabrik „Jodgorlik“, in der edle Seide produziert wird, die zu den gefragtesten der Welt gehört, ist vieles Handarbeit. Männer sitzen im Schneidersitz auf dem Boden. Vor ihnen steht ein Gestell, auf dem die Fäden für einen Teppich gespannt sind. Mädchen stellen an Webstühlen Stoffe her; in der Färberei hocken Männer vor Bottichen, die in unterschiedlichen Farben leuchten. Vor den Werkstätten sind Hunderte Meter lange Seidenfäden gespannt.

Usbekistan-Seidenfabrik-Marginal
In der Färberei sitzen Männer vor den Farbbottichen.
Usbekistan-Seidenfabrik-Marginal
Männer am Webstuhl.
Usbekistan-Seidenfabrik-Marginal
Mädchen stellen an Webstühlen Stoffe her.

Farbenfroh leuchten auch die vielen orientalischen Früchte auf dem Markt von Margilan. Ein Händler, der unbedingt fotografiert werden möchte, schenkt mir vor Freude über das Foto eine Handvoll Erdnüsse. Derart gestärkt besichtigen wir zum Schluss noch die Chonachan-Moschee.

Zurück nach Taschkent

Lange hält das Sättigungsgefühl jedoch nicht an. Im richtigen Augenblick stehen „4 Füße“ am Straßenrand; in einem kleinen Wasserbecken schwimmen ein paar Fische. Unsere Wahl fällt auf ein besonders großes Exemplar. Dieses wandert in die Küche und wir auf die „4 Füße“, ein aus Holz gefertigtes Gestell mit einer quadratischen Grundfläche, bequemen Kissen und kleinem Tischchen.

Die Kontrolle am Pass Kamtschik können wir diesmal nicht ungehindert passieren. Der Blick der Soldaten in die Pässe reicht ihnen nicht und wir müssen in das Postenhaus. Eine halbe Stunde lang übe ich mit einem von ihnen die richtige Aussprache meines Namens. Die mittlerweile auf fünf Soldaten angewachsene Gruppe amüsiert sich prächtig.

Über Urgentsch nach Chiwa

Der Flieger nach Urgentsch am Amurdarja soll sehr früh am Morgen starten. Allerdings will auch Islam Karimov, der usbekische Staatspräsident, im Laufe des Tages fliegen und so sitzen wir auf dem Flughafen fest. Bis zum ungewissen Abflug des Präsidenten dürfen keine Maschinen abheben.

Wir haben Glück und warten nur zwei Stunden.

Von Urgentsch fahren wir ohne Aufenthalt weiter nach Chiwa, die Stadt in der Oase Choresm, die umgeben ist von den Wüsten Karakum (schwarzer Sand) im Westen und Kisilikum (Roter Sand) im Osten.

Chiwa-Usbekistan
Chiwa
Tischlerei in Chiwa
Tischlerei in Chiwa
Kinder-in-Chiwa
Kinder begleiten uns durch die Stadt

In der Altstadt von Chiwa ist das traditionelle Bild einer Oasenstadt sehr anschaulich erhalten geblieben. Mehrere Stunden bummeln wir durch 2500 Jahre Geschichte: Moscheen, Mausoleen, Medresen und Paläste. Begrenzt wird die Altstadt von einer zwei Kilometer langen, zehn Meter hohen und acht Meter breiten mächtigen Stadtmauer, an der sich die Festung Kunja-Ark erhebt.

Chiwa-Usbekistan
Chiwa
Chiwa-Usbekistan
Chiwa
Chiwa-Usbekistan
„Investitionsruine“ Minarett (der Erbauer fiel in einer Schlacht)

Quer durch die Wüste Kisilikum und Zwangspausen an diversen Passkontrollen reisen wir weiter nach Buchara.

Buchara: Stadt in der Wüste Kisilikum

Buchara war einst ein Zentrum der islamischen Lehre und galt als das Mekka Mittelasiens. Unzählige Moscheen, Medresen und Mausoleen gibt es nach wie vor in der Stadt und wir verbringen viel Zeit mit dem Erkunden einiger der Bauten.

Festung von Buchara
Teppichmarkt-Buchara
Teppichmarkt in Buchara
Straße-nach-Buchara-Usbekistan
in einer Bäckerei

Etwas außerhalb Bucharas befindet sich das große Gelände Sitorai Mochi-Hosa, „der Ort, wo Mond und Sterne einander begegnen“, der als Sommerresidenz für den letzten Emir von Buchara erbaut wurde. Wir wandeln durch die prunkvollen, unterschiedlich dekorierten und eingerichteten Räume sowie den gepflegten Garten, in dem sich Pfaue von ihrer schönsten Seite zeigen.

Von der im 19. Jahrhundert erbauten Sommerresidenz zieht es uns in das im 14. Jahrhundert entstandene Zentrum der Nakschibandi-Bruderschaft, eines Sufi-Ordens. Der Komplex ist einer der wichtigsten Pilgerstätten der Muslime Zentralasiens.

Heiliger Wanderstab, dessen Umrundung Glück bringt.
Sitorai-Mochi-Hosa-Usbekistan
Sitorai Mochi Hosa
Nekropole-Tschor-Bakr-Usbekistan
Nekropole Tschor Bakr

Das letzte Pilgerziel ist die Nekropole Tschor Bakr. Auf dem Gelände mit mehr als dreißig Bauten befinden sich die Gräber von vier Saiden, den Nachkommen des Propheten.

Nurata und Jangigasgan: Dörfer in der Wüste

Durch die Wüste Kisilikum ziehen wir weiter in das Dorf Jangigasgan, in dessen Umgebung ein paar Jurtencamps stehen. Unterwegs legen wir eine Pause in Nurata ein. Der Ort wurde von Alexander dem Großen gegründet und noch heute thronen die Ruinen seiner Festung über der Oasenstadt. Unterhalb der Zitadelle befindet sich eine Quelle, die samt ihrer darin schwimmenden, wohlgenährten Fische als heilig gilt.

Für uns gibt es in Nurata jedoch Palov/Osh (Reis, Brühe, fettes Fleisch). Unsere Gastgeberin glaubt, sie mache uns eine große Freude. Aber wir bekommen das fette Essen kaum noch runter.

Wenigstens bestätigt sich unsere Sorge, das Jurtencamp könnte ein überfüllter Ort sein, nicht. Außer uns gibt es vier weitere Gäste und jede Menge Schildkröten, die gemächlich durch die Wüste wandern.

Unterwegs
Wasserstelle
Kizilikum-Usbekistan
Dorf in der Kizilikum

Der Morgen beginnt abrupt für alle im Camp um 6 Uhr: Kachramon hat das Autoradio laut gestellt. Er findet, das wäre origineller als an die Jurte zu klopfen. Das Wetter ist nicht besser als der Weckruf: Dichter Nebel umgibt uns. Der in der Nähe des Camps gelegene Aydakulsee, der seine Existenz einer gebrochenen Staumauer verdankt und an dessen Ufer wir eigentlich entlang spazieren wollen, liegt im tiefsten Nebel und wir stehen im dicksten Schlamm.

Samarkand: Prachtvolle Plätze und Grabstätten

Ohne Spaziergang geht es weiter nach Samarkand. Dort erwartet uns bereits Kachramons Bruder Djahangir mit einem Freund. Djahangir hat an der Universität mit einem Deutschstudium angefangen und möchte die Sprache üben. Sein Freund hört vorerst zu, um später zu entscheiden, ob Deutsch der richtige Studiengang für ihn sei.

Amir-Temur Denkmal-Samarkand
Amir Temur Denkmal
Schulkinder
Samarkand-Usbekistan
Samarkand

Gemeinsam streifen wir durch die Parks und das märchenhafte Samarkand, besichtigen die Nekropole Shah-i-Sinda mit über 20 Mausoleen, die wunderschöne Bibi-Khanum-Moschee, die Timur (Tamerlan) von verschleppten Baumeistern aus aller Welt errichten ließ, den Registan-Platz, der das Zentrum des antiken Samarkands mit dem Ensemble der drei Medresen bildet, sowie das Gur-Emir-Mausoleum, das die Grabstätte Tamerlans und einiger Mitglieder seiner Familie ist.

Samarkand-Nekropole-Shah-i-Sinda
Nekropole Shah-i-Sinda
Samarkand-Nekropole-Shah-i-Sinda
Nekropole Shah-i-Sinda
Samarkand-Nekropole-Shah-i-Sinda
Nekropole Shah-i-Sinda
Samarkand-Registan-Platz
Registan-Platz
Gur-Emir-Mausoleum-Samarkand
Gur-Emir-Mausoleum
Chidr-Moschee-Samarkand
Chidr-Moschee

Für den Abend laden uns Kachramon, Djahangir und sein Freund zum Besuch einer Disco ein. So ganz nach unserem Geschmack ist die Art zu tanzen jedoch nicht. Moderne Tänze, verbunden mit folkloristischen Elementen, beherrschen wir nicht wirklich.

Durch das Zarafshan-Gebirge nach Schachrisabs

Am Morgen brechen wir auf in die Heimat Tamerlans, nach Schachrisabs, wo er seine Ruhestätte ursprünglich geplant hatte.

Die Piste führt durch das Zarafshan-Gebirge. Zwischen den Felsen stehen hier und da Leute mit frischem Fleisch. Wer Hunger hat, lässt es sich in einem Lehmofen zubereiten. „Probiert einmal“, rät Kachramon. Wir lassen uns nicht lange bitten und kosten von einem zarten Stück Lamm..

Zarafshan-Gebirge-Usbekistan
Zarafshan-Gebirge

Lehmofen
Schachrisabs-Usbekistan
Gruft in Schachrisabs

Außer dem Timur-Denkmal, der Kuk Gumbas-Moschee und dem Palast Aksaray gibt es nicht viel zu sehen in Schachrisabs. Zum Abschluss des Dorfrundganges gehen wir in die Gruft, die Timur zu seinen Lebzeiten als seine Grabstätte hat anlegen lassen. Da er im Winter starb, konnte sein Leichnam wetterbedingt nicht nach Schachrisabs gebracht werden und er wurde in Samarkand beigesetzt.

Im Umland von Samarkand

Auf dem Rückweg nach Samarkand rasten wir im Dorf Tersak. Schaf- und Ziegenherden weiden an den Berghängen, die Umgebung lädt zum Wandern ein. Kachramon, der immer neue Geschäftsideen entwickelt, schlägt uns ein Joint Venture vor: „Kauft eine Herde und ich betreue sie gewinnbringend.“ Er versucht auszurechnen, wie viele Soʻm wir als anteiligen Gewinn erhalten könnten.

Tersak
Bauernfamilie
Fröhlicher Nachmittag bei einer usbekischen Familie

Ein paar Kilometer von Samarkand entfernt befindet sich in Urgut der größte Basar Usbekistans. Bis zur Mittagsstunde trödeln wir über den sehr lebhaften Markt. Zum Mittag sind wir in Samarkand zum Essen bei der Tante von Kachramons Frau eingeladen. Schnell finden wir heraus, dass der Mann der Tante Dozent an der Universität und Kachramons Lehrer ist.

Nach einem bestandenen Deutsche-Literatur-Test durch den Dozenten verbringen wir dort einen schönen Nachmittag mit Tischreden, Tanz und viel Lachen.

Der letzte Tag in Usbekistan. Unser Flieger geht zwar erst um 2 Uhr, aber unsere Visa sind nur bis Mitternacht gültig. Gerade als wir nach Taschkent aufbrechen wollen, steht Kachramon vor der Tür und bittet uns, mit in die Universität zu kommen. Wir sollen ein wenig Deutschunterricht geben und bei der Gelegenheit den Studenten Rede und Antwort stehen. Unsere Lust darauf hält sich in Grenzen.

Der Hörsaal ist voll, der Dozent fehlt. Er hat wohl verschlafen und braucht noch eine Weile. Wir atmen auf und drängen darauf nach Taschkent aufzubrechen. Widerwillig lässt Kachramon uns ziehen.

In Taschkent haben sich zwischenzeitlich Fahrpreise und Polizeipräsenz erhöht: In Kirgistan ist Präsident Kurmanbek Bakijew nach einem blutigen Volksaufstand gestürzt worden und hat sich im Süden seines Landes verschanzt. Unsere abgelaufenen Visa interessieren niemanden mehr.

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