Serbien

Alles kommt nach Haus zurück.
(Sprichwort aus Serbien)

Reisejahr 2021

Tekija (Djerdap-Nationalpark) – Niš – Sjenica (Uvac- Naturreservat) – Beserovina (Tara-Nationalpark) – Belgrad

Serbien

Rund 600 Kilometer Donau, noch kaum kommerzialisierte Nationalparks und eine urwüchsige Natur locken uns nach Serbien. Am Flughafen von Belgrad mieten wir ein Auto und machen uns sogleich auf den Weg, um das Land zu erkunden.

Djerdap-Nationalpark: am Donaudurchbruch Eisernes Tor

Von Sturm und Regen umgeben taucht die Festung Golubac auf einer kleinen Landzunge an der Donau aus dem Grau auf. Neun Türme und beeindruckende Mauern, die sich den Hang hinaufziehen, umschließen das Festungsgelände. Wegen des starken Windes und der Nässe sind die Wege auf der Wehrmauer jedoch für Besucher gesperrt. Nur der Palast und zwei kleinere Türme sind geöffnet.

Die Burganlage steht am Eingangstor zum Djerdap-Nationalpark, in dem sich die Donau im Durchbruch Eisernes Tor durch schroffe und bis zu 300 Meter hoch aufragende Felsen schlängelt und gleichzeitig die Grenze zwischen Serbien und Rumänien bildet. Wir folgen ihrem Lauf bis in das Dorf Tekija.

Festung Golubac in Serbien
Eisernes Tor und Decebalus-Skulptur

Auf der rumänischen Seite schimmern das auf einem kleinen Vorsprung stehende Kloster Mraconia und der in den Felsen gemeißelte Kopf des letzten Königs von Dakien Decebalus (ca. 85–106 n. Chr.) durch den Regen. Obwohl die Skulptur durchaus das Werk eines antiken Steinbildhauers vorgaukelt, ist es eine Auftragsarbeit eines rumänischen Geschäftsmannes, an der von 1994 bis 2004 gewerkelt wurde.

Am Abend erreichen wir Tekija. Bei unserer Vermieterin erkundigen wir uns nach einer der Bootsfahrten zur Decebalus-Skulptur, die von hier angeboten werden. Wegen des schlechten Wetters sind jedoch alle Touren für die kommenden Tage abgesagt. Auch unsere Vorstellung von gemütlichen Abenden auf dem Balkon bei einem Glas Wein zum Sonnenuntergang und dem Blick über die Donau wird vom Regen weggespült.

Wenigstens gut essen wollen wir noch. „Gibt es Restaurants im Ort?“, fragen wir nach. „Es gibt zwei Gasthäuser. Beide haben die gleiche Speisenkarte und die gleichen Preise“, antwortet unsere Gastgeberin. Heute will uns jedoch nichts gelingen. Im Restaurant unserer Wahl gibt es aufgewärmte Fischsuppe und versalzenen Fisch. Um den unangenehmen Nachgeschmack loszuwerden, decken wir uns später im Markt mit reichlich Schokolade ein.

Die Wettervorhersage stimmt und so regnet es auch am nächsten Tag unaufhörlich. Als Alternative zur Bootsfahrt fahren wir mit dem Auto zur Skulptur des Decebalus. Der Grenzübergang nach Rumänien am Staudamm Eisernes Tor 1, auf dessen Dammkrone die Straße zur Grenze verläuft, ist nur wenige Kilometer von Tekije entfernt.

Die Einreise nach Rumänien gestaltet sich unangenehmer als erwartet. Der Grenzer redet im wütenden Ton auf Rumänisch auf uns ein, zum Kauf einer Vignette stehen wir 20 Minuten im Regen, ehe sich eine ältere Frau lustlos zum Verkauf bequemt.

Im Gegensatz zur serbischen Uferseite ist die Wasserfront in Rumänien weitestgehend mit Pensionen und Hotels zugebaut. Das anhaltend schlechte Wetter scheint jedoch die Touristen vertrieben zu haben. Auch an der Decebalus-Skulptur halten sich so wenige Besucher auf, dass die Imbissbuden geschlossen sind. Nur eine Souvenirverkäuferin hält ihren Stand offen. Müll liegt zuhauf in der Landschaft.

Die 40 Meter hohe Felsskulptur steht an der Einmündung des Flusses Mraconia in die Donau. Decebalus hat für das rumänische Volk eine große Bedeutung. Ihren Ursprung leiten die Rumänen vom dakischen Volk ab, dessen letzter König Decebalus war, der im Jahr 106 n. Chr. den Römern unter Trajan unterlag. Der Name des Autobauers Dacia ist eine Anlehnung an die Vergangenheit Rumäniens als römische Provinz Dakien (lateinisch Dacia).

„Schaluppe?“, werden wir von einer Ticketverkäuferin gefragt. Wir nicken und lassen uns überraschen wohin die Fahrt geht. Das überdachte Motorboot kurvt am Kloster Mraconia, das auf den Ruinen des alten Klosters steht, welches beim Bau des Staudammes geflutet wurde, vorbei in den Donau-Canyon bis zur Ponicova-Höhle. Von der Höhle aus versuchten viele Rumänen in den 1960er-Jahren bis 1980er-Jahren die hier schmale Donau zu durchschwimmen, um in das freiheitlichere Jugoslawien zu gelangen. Den wenigsten gelang die Flucht. Einige wurden von rumänischen Grenzern erschossen, andere von serbischen Grenzschützern zurückgetrieben.

Kloster Mraconia in Serbien
Kloster Mraconia
Kloster Vodita in Serbien
Kloster Vodita

Auf dem Rückweg entdecken wir in einem von der Straße gut einsehbaren Bergeinschnitt das Kloster Vodita. Die mittelalterliche Holzkirche liegt romantisch in einem Tal. Kaum haben wir das Auto geparkt, eilt auch schon ein Mönch herbei und öffnet die Tür. Leider kann er kein Licht anmachen, sodass wir die Schnitzereien, mit denen der Raum ausgestattet ist, nur erahnen. 

Die Ausreise aus Rumänien verläuft zügig, auf serbischer Seite grüßt von einem Berghang eine aufgemalte Flagge mit der Überschrift „Tito“ die Einreisenden.

Von der Donau nach Niš

Am nächsten Morgen hat der Regen aufgehört. Der Himmel ist zwar grau und wolkenverhangen, aber der Blick auf die Donau, die Felsen und die bunt belaubten Bäume klar. Als wir jedoch auf der Fahrt nach Niš ins Landesinnere abbiegen, setzt wieder Regen ein.

Die Straße windet sich in Serpentinen vorbei an bunten Wäldern, gelben Stoppelfeldern, schroffen Felsen und durch kleine Dörfer, in denen die meisten Häuser dem Verfall preisgegeben sind. Sie ist in einem viel besseren Zustand als erwartet. Die Schlaglöcher sind ausgebessert und Tempo 80 kein Problem.

Ursprünglich wollten wir die Fahrt mit kurzen Wanderungen zu Wasserfällen unterbrechen. Da wir jedoch schon von so viel Wasser umgeben sind, steuern wir das Wehrkloster Manasija an. Breite hohe Mauern mit elf Türmen umgeben eindrucksvoll das Klostergebäude. Die Festung war ein Zufluchtsort für Künstler und Schreiber, die vor der türkischen Invasion flohen.

Kloster Manasija  in Serbien
Kloster Manasija
Kloster Manasija
Niš: Rock und Jazz in der Festung

Über die Autobahn geht es weiter nach Niš. Plattenbauten mit bröckelnden Fassaden tauchen aus dem Regengrau auf. Am Stadtrand steht in einer Kapelle der sogenannte Schädelturm. Er wurde 1809 errichtet, nachdem serbische Rebellen in einem aussichtslosen Kampf gegen die Osmanen das Pulvermagazin angezündet und dabei sich selbst und osmanische Soldaten getötet hatten. Daraufhin befahl Wesir Hurshid Pascha, einen Turm aus den Schädeln der Rebellen zu bauen. Der Turm ist circa vier Meter hoch und enthielt ursprünglich 952 Schädel, die an vier Seiten in 14 Reihen eingebettet waren.

Der Schädelturm ist circa vier Meter hoch und enthielt ursprünglich 952 Schädel.
Festungstor in Nis in Serbien
Festungstor

Wir kehren zurück in die Innenstadt und zum Wahrzeichen von Niš, die Festung. Die Stadtmauer und das Festungstor sind verhältnismäßig klein, umfassen jedoch ein großes Gelände mit römischen Ausgrabungen.

Auf der abendlichen Suche nach einem Nichtraucherlokal werden wir – wie schon bisher – auch in Niš nicht fündig. An einer ansprechend aussehenden Menükarte bleiben wir stehen und lassen das Internet übersetzen. Dabei kommen Kreationen wie „verzweifelte Kebabs“ und „Ich bin ein Schnitzel“ heraus. Das ist so originell, dass wir einkehren.

Aus der Stadt in die Natur

Im täglichen Regen verlassen wir Niš am nächsten Tag mit dem Ziel Uvac-Canyon. Diesmal liegen die Klöster Zica und Studenica am Weg. Während das in Rot gehaltene Kloster Zica Krönungsort serbischer Könige war, gilt das Kloster Studenica als Wiege des serbischen Königreiches.

Kloster Zica in Serbien
Kloster Zica
Kloster Studenica in Serbien
Kloster Studenica

Die Straße wird immer kurvenreicher, bis sie in den Wolken verschwindet. Nebel liegt über den Dörfern. Immer öfter stehen zwischen verfallenen Häusern neu gebaute Heime. Die Jungen, die einst ihre Wohnorte aus Karrieregründen verließen, zieht es wieder zurück in die alte Heimat.

Verkehrsschilder erlauben nur noch Tempo 20. Die Straßen sind jedoch so leer, dass selbst bei Nebel ein Auffahrunfall schwerlich passieren kann. Das Navi lotst uns in einem kleinen Bergdorf auf eine schmale Seitenstraße und weiter in den Wald auf eine enge Schotterpiste mit tiefen Unterspülungen. Wir haben zwar unsere Zweifel, ob das die richtige Strecke ist, können jedoch nicht wenden. Eine alte Frau, die wilde Äpfel pflückt, sieht uns verwundert an, als wir vorbeifahren. Nach drei Kilometern sind wir endlich wieder auf einer Straße, von der wir – entgegen den Anweisungen des Navi – erst abbiegen, als auf einem Hinweisschild der Weg zum Quartier angezeigt wird.

Uvac- Naturreservat: Gänsegeier und wilde Natur

Drei Kilometer Schotterpiste von der Hauptstraße entfernt, befinden sich acht Holzhütten in den Bergen. Dort haben wir uns eingemietet, stehen jedoch vor einem verschlossenen Tor. Ein Mann, der mit seinen Kühen gerade vorbeikommt, ruft bei den Vermietern an. Eine halbe Stunde später sind Agnija und ihr Vater da. 

Entschuldigend sieht uns Agnija an: „Wir haben euch eine Nachricht geschickt, dass wir die Saison plötzlich beenden mussten. Gestern hat es geschneit. Der frühe Wintereinbruch hat alle überrascht.“ Die Information hat uns nicht erreicht. Sie zeigt uns trotzdem eine der Hütten. Diese wurden erst vor drei Monaten gebaut und duften noch nach frischem Holz. Aber das dazugehörige Restaurant hat geschlossen, wir haben heute noch nichts gegessen und das nächste Lokal ist in Sjenica. Außerdem hängen die Wolken tief und in der Dunkelheit wollen wir nicht auf einer unbefestigten Straße in den Bergen fahren. Schweren Herzens entscheiden wir uns für eine Übernachtung in einem Hotel in Sjenica.

Agnija kümmert sich um ein Zimmer. Auf der Fahrt in die Stadt erzählt sie, dass vor allem Inder und Chinesen Serbien als Reiseland entdeckt haben. Sie zeigt auf eine grüne Fläche, auf der ein Pferd grast. „Das ist ein See. Von hier starten die Boote für eine Fahrt durch den Uvac-Canyon. Aber das Niedrigwasser kam in diesem Jahr unerwartet früh und der Bootsverkehr ist eingestellt.“ Damit hat sich auch unser Wunsch nach einer Bootstour erledigt.

Das Hotel in Sjenica ist erst vor Kurzem eröffnet worden. Wir erhalten das Zimmer zum niedrigeren Preis der Hütte. Mit Agnija vereinbaren wir für morgen eine Tour zum Aussichtspunkt Molitva. Von dem Plan, dorthin zu wandern, haben wir uns wegen des anhaltend schlechten Wetters und der Kälte verabschiedet. Ein wenig Hoffnung haben wir aber, dass wir in einer Regenpause einen Blick auf den Uvac-Fluss erhaschen können.

Am nächsten Morgen steht ein Fahrer mit dem für die Tour benötigten Allrad-Auto vor der Tür. Nach einer rumpligen Fahrt hält er nur wenige Meter vom Aussichtspunkt entfernt. Es fängt an zu nieseln. Vorsichtig laufen wir über matschigen Boden und schmierige Steine zur Plattform über dem 200 Meter tiefer liegenden Uvac-Canyon. Wir haben Glück. Die Wolken hängen in den Bergen und der Blick in die Schlucht und auf den Fluss ist frei. Unwirklich schlängelt er sich einem Labyrinth ähnlich durch die Kalksteinfelsen. Gänsegeier kreisen über den Mäandern, die sich an einigen Stellen im 270-Grad-Winkel drehen.

Kohlenmeiler in den Bergen
Uvac-Canyon in Serbien
Uvac-Canyon

Tara-Nationalpark: üppige Wälder und Wanderparadies

Zweieinhalb Fahrstunden vom Uvac-Naturpark entfernt, befindet sich der Tara-Nationalpark. Die Straße dorthin ist reich an Serpentinen, verschwindet oft in den Wolken, aber es regnet nicht mehr. Das gibt uns etwas Hoffnung, im Nationalpark ein paar bereits ausgesuchte Routen erwandern zu können.

In der Nähe des Dorfes Beserovina haben wir ein typisch serbisches, mit Holzschindeln gedecktes Haus direkt am Fluss Drina gemietet. Eine Haushälterin erklärt uns in einem atemlosen Wortschwall auf Serbisch das Heim, dann ist es ruhig. Nur das Rauschen des Wassers in den Stromschnellen und die stromaufwärts schwimmenden und springenden Lachse auf ihrem Weg zu den Laichplätzen sind zu hören. 

Das Wetter lädt am nächsten Tag nicht zum Wandern ein. Als Alternative haben wir uns für eine Fahrt mit der Schmalspurbahn Sargan 8 entschieden. Von 1925 bis 1974 verband die Eisenbahn Belgrad mit Sarajevo. Heute verkehrt sie als Touristenattraktion zwischen Šargan und Mokra Gora. Zur Überwindung des Höhenunterschieds von 240 Metern wurde die Trasse in Form einer 8 angelegt.  

In den Bahnhof von Mokra Gora fährt eine Diesellok mit drei nostalgischen Wagen ein. Die Waggons sind mit Holzbänken und einem Holzofen in der Mitte der Sitzreihen ausgestattet. Allerdings steht zum Wärmen neben dem Ofen ein propangasbetriebener Heizer. Die Fahrt geht durch viele Tunnel und Spitzkehren hinab ins Tal und es ist fast unmöglich festzustellen, wo der Zug bereits vorbeigefahren ist und wohin er noch fahren wird.

Sargan 8 in Serbien
Diesellok mit drei nostalgischen Wagen.
Das Haus eines Bahnarbeiters in traditioneller Architektur

Am nächsten Morgen ist es trocken. Über enge Serpentinen fahren wir nach Mitrovac, einem Ferienort und Ausgangspunkt für Wanderungen im Tara-Nationalpark. Im Dorf ist nichts los, die Hotels und Ferienwohnungen stehen leer, nur ein Café hat geöffnet.

Wir folgen dem Wanderzeichen zum sechs Kilometer entfernten Aussichtspunkt Banjska Stena. Fünf Kilometer gehen wir auf einer moderat ansteigenden Forststraße durch den Wald. Am Ende der Straße biegt ein Pfad ab und führt über Felsen und Baumwurzeln hinauf zur Aussichtsplattform.  

Ein Feuer, an dem sich ein paar Männer wärmen, brennt am Banjska Stena. Schneeflocken wirbeln im eisigen Wind um uns herum. Aber nur kurz, dann klart es auf, die Sonne wirft ein paar Strahlen in das Tal, spiegelt sich im Drina-Canyon und lässt das Wasser im Perucac-See blau leuchten. Auf der anderen Talseite liegt Bosnien-Herzegowina. Eine Moschee steht abseits eines Dorfes. Der Ruf des Muezzins schallt herüber.

Tara-Nationalpark in Serbien
Banjska-Stena
Tara-Nationalpark in Serbien
Blick auf die Drina-Schlucht

Für den Rückweg schlagen wir die Route durch den Wald ein. Die Wege im Nationalpark sind so gut gekennzeichnet, dass wir die Wanderkarte nicht benötigen. Nur über das ständige Auf und Ab, das wir auf dem Hinweg nicht hatten, wundern wir uns etwas.

In Mitrovac setzen wir uns noch zum Wärmen in das Café. Es hat einen kleinen Gastraum, in dessen Mitte ein Holzofen Wärme spendet. Ich bestelle das regionale Mahl Komplet Lipinja – mit Rührei gefülltes Fladenbrot. Dazu gibt es einen heißen Kakao. Der ist so schokoladig, dass der Löffel darin stehen bleibt. Was für ein Genuss, wenn nur der Wirt nicht mit dem Ofen um die Wette qualmen würde.

Auf dem Rückweg halten wir noch in Bajina Basta. Der Ort liegt nicht weit vom Ferienhaus entfernt, hat viele Gaststätten und ein auf einem Felsen gebautes Haus in der Drina. Das von der Dorfjugend gebaute Flusshaus ist das meistfotografierte Objekt des Ortes und auch wir machen ein Bild. Abends recherchieren wir noch im Internet nach Nichtraucherlokalen und Menükarten in Belgrad. Wir sind die immer gleichen Speisekarten leid und vor allem auch den Qualm in den Lokalen. Dabei entdecken wir Foren, die sich nur mit dem Thema Nichtraucherlokale in Belgrad befassen.

Der Morgen beginnt mit Regen, Kälte und überfrorener Nässe auf den Straßen. Damit ist auch die letzte Wanderung gestrichen. Nur das wertvollste historische Denkmal des Parks, das Raca-Kloster am Fuße des Berges Tara, besuchen wir noch vor der Fahrt in Serbiens Hauptstadt.

Das von der Dorfjugend gebaute Flusshaus ist das meistfotografierte Objekt des Ortes.
Kloster-Raca-Serbien
Kloster Raca
Partymetropole Belgrad

In Belgrad geben wir das Auto zurück, fahren ins Hotel in der Altstadt und lassen uns einen Tisch im angesagtesten Fischrestaurant der Stadt reservieren. „Leider gibt es nur noch einen Tisch im Nichtraucherbereich“, entschuldigt sich die Rezeptionistin. Sie ahnt gar nicht, wie froh wir darüber sind.

Das Restaurant liegt im historischen Stadtteil Zemun an den Ufern von Save und Donau. Ein Taxi zu bekommen ist, obwohl viele davon herumkurven, ähnlich schwierig wie ein Nichtraucherlokal zu finden. Man sollte es mindestens eine Stunde vor Abfahrt bestellen.

Zemun ist nur an der Wasserkante, wo sich Lokal an Lokal reiht, herausgeputzt. Taxis befahren Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung, um ihre Gäste direkt am gewünschten Gasthaus absetzen zu können.

Es ist noch früh am Abend und das Restaurant kaum besucht. Zum Glück, denn der Nichtraucherbereich ist nur mit kleinen Glasscheiben, die rundum viel Luft haben, vom Rest des Lokals abgetrennt. Die Menükarte ist ein Augenschmaus und das Essen ein kulinarischer Leckerbissen. Bei fangfrischem Fisch und einer Flasche serbischen Wein lassen wir die Reise Revue passieren.

Am nächsten Tag scheint endlich die Sonne. Unweit vom Hotel befindet sich der Platz der Republik. Er ist ein ernüchternder Anblick für den repräsentativsten Platz der Stadt. Umrahmt wird die graue Betonfläche vom Nationalmuseum, dem neobarocken Nationaltheater und den bröckelnden Fassaden sozialistischer Baukunst, die nicht den morbiden Charme des verfallenen Sozialismus, wie man ihn aus anderen Städten kennt, ausstrahlen.

Platz der Republik mit Nationalmuseum und Nationaltheater
Flaniermeile Knez Mihailova

Am Ende der Flaniermeile, der Knez-Mihailova, in deren Jugendstil- und Gründerzeithäusern sich die allseits bekannten Markenläden befinden, steht die Festung Kalemegdan auf einer 125 Meter hohen Klippe. Innerhalb der Festung befindet sich ein großer Park mit vielen Möglichkeiten, sich sportlich zu betätigen oder in einem Restaurant zu chillen. Von der Festungsmauer schweift der Blick auf den Zusammenfluss von Save und Donau: links die Save, an deren Ufer Partyboote im Wasser schaukeln und sich Neu-Belgrad erhebt, rechts die Donau mit grünen Ufern.

Für den Nachmittag haben wir uns mit Mara zu einer Tour in einem Zastava Yugo zu historischen Plätzen in der Stadt verabredet. Sie hält an einer grünen Wiese mit einem alten Funkturm. Nichts deutet darauf hin, dass hier von 1941-1944 das Konzentrationslager Sajmište stand.

Wir bleiben in Neu-Belgrad. Im Gegensatz zur Altstadt, die auf 32 Hügeln erbaut wurde, steht die Neustadt auf flachem, ehemaligem Sumpfgebiet. Breite Boulevards zerteilen die Viertel, die statt Straßennamen Blocknummern tragen. Die Wohngebiete sind auch heute noch wegen des vielen Freiraums, den kurzen Wegen zu den Ufern von Save und Donau und den durchaus modernen Wohnungen beliebt. So gibt es in einigen Appartements Schiebewände, mit denen man die Räume vergrößern und verkleinern kann.

Wohnhaus in Neu-Belgrad in Serbien
Wohnhaus in Neu-Belgrad
Der Zastava vor dem ehemaligen „Palast der Föderation“.

Mara hält am ehemaligen „Palast der Föderation“, den Tito als Regierungssitz bauen ließ. Jede der seinerzeit sechs jugoslawischen Teilrepubliken hatte einen eigenen repräsentativen großen Salon, ein überkuppelter Saal bot 2000 Personen Platz. 1961 fand die Gipfelkonferenz der Blockfreien Staaten in dem Gebäude statt.

Heute stehen viele der 744 Büroräume leer, einige werden noch von Regierungsstellen, Institutionen und Verwaltungen genutzt. Der Platz vor dem Haus ist ideal geeignet, um mit dem Yugo als Selbstfahrer ein paar Runden zu drehen. Allerdings biegen wir gleich bei der ersten Gelegenheit „falsch“ ab und nehmen die Auffahrt zum Gebäude. „Fahr schnell weiter. Das sehen sie hier gar nicht gern“, flüstert Mara.  

Eine der schönsten Oasen in Belgrad ist der Park der Freundschaft. Seine Geschichte geht auf die Gipfelkonferenz der Blockfreien Staaten zurück. Als Symbol der Freundschaft wurden von den Staatsoberhäuptern und Regierungschefs Platanen gepflanzt. Bis heute haben sich 180 Länder an der Gestaltung des Parks beteiligt.

Nicht weit entfernt steht das Hotel Jugoslavijia. Der Bau des Hotels mit 600 Zimmern, Suiten, Salons und einem Hauscasino in den 1960er-Jahren war eine Herzensangelegenheit von Tito. Es wurde die extravaganteste Hotelanlage des gesamten Balkans und zugleich gesellschaftlicher Mittelpunkt des Landes. Gäste wie Königin Elisabeth II., Fidel Castro, Neil Armstrong und Richard Nixon logierten dort. In den 1990er-Jahren machten es sich Kriminelle im Hotel gemütlich und führten am Ende auch das Hotelcasino.

Hotel-Jugoslavija-Belgrad-Serbien
Hotel Jugoslavija, die extravaganteste Hotelanlage des gesamten Balkans.
Genex Turm

Ein weiteres Wahrzeichen von Belgrad ist der im Architekturstil des Brutalismus erbaute Genex-Turm: Zwei 115 Meter hohe Türme mit Wohnungen und Büros, die in der 26. Etage durch einen Brückenbogen miteinander verbunden sind. Während der eine Teil des Towers leer steht, sind im anderen Teil Wohnungen und viele Bed & Breakfast Appartements. 

Beendet wird die Tour durch die Geschichte mit einer Fahrt in die „Beverly Hills“ von Belgrad. In dem hügeligen Gelände befindet sich das „Museum von Jugoslawien“. Hinter dem etwas irreführenden Namen verbergen sich das Mausoleum von Josip Broz Tito, dem Gründer Jugoslawiens und ein Komplex mit einer Sammlung von Geschenken von Staatsoberhäuptern und Zeitungsausschnitten aus seiner Partisanenzeit.

Bevor wir das Land in Richtung Heimat verlassen, brechen wir noch zu einer Stadtwanderung auf. Vorbei am Haus der Nationalversammlung der Republik Serbien, an der Straße Gavrilo Princip (der Attentäter von Sarajevo) und dem 1999 von der Nato zerbombten Verteidigungsministerium laufen wir zum Dom des Heiligen Sava. Strahlend weiß leuchtet das Gotteshaus unter dem blauen Himmel und umgeben vom Grün eines Parks in der Sonne. Innen ist er prachtvoll mit Goldmosaiken gestaltet, ein paar Leute singen spontan ein Lied unter der Domkuppel. Die Akustik ist hervorragend.

Haus der Nationalversammlung
Ruine des Verteidigungsministeriums
Dom des Heiligen Sava
Mosaik im Dom des Heiligen Sava

Wir haben noch etwas Zeit übrig und verbringen sie im Zoo. Der Tierpark ist einer der ältesten in Europa. Robben, weiße Löwen, Nilpferde, weiße Tiger und viele Tiere mehr bevölkern das kleine Areal. Aber etliche Käfige sind leer, da gerade umgebaut und saniert wird. Trotzdem ist der Besuch ein schöner Abschluss der Reise.

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