Wenn es keinen schlechten Geschmack gäbe, würden die Waren nicht verkauft werden.
(Aus Panama)
Reisejahr 2018
Panama City (Panamakanal) – El Valle de Antón – Portobelo
Von einem Willkommen ist bei der Einreise in Panama, anders als in Kolumbien und Ecuador, nichts zu merken. Maulig hängt die Beamtin auf ihrem Stuhl. Vom Flughafen in Panama City fährt ein Bus in die Stadt, der aber nur mit einer Prepaidkarte benutzbar ist, die es am Flughafen nicht gibt. Zähneknirschend steige ich in ein überteuertes Taxi.
In der Innenstadt von Panama City türmen sich die Glasfassaden der Hochhäuser in den Himmel. Mein Hotel, ein altes Haus, steht unscheinbar dazwischen.
Auf dem kürzesten Weg vom Pazifik zum Atlantik
Panama, eine ehemalige Provinz Kolumbiens, verdankt seine Unabhängigkeit dem Bau des Panamakanals. 80 Kilometer technisches Meisterwerk verbinden den Pazifik mit dem Atlantik. Im Internet habe ich mir ein Ticket für die vollständige Durchquerung des Kanals gekauft.
Um 5:30 Uhr startet die Tour. Viel zu früh, aber wenigstens gibt es Kaffee an Bord des Dampfers und in Panama ist, anders als in Ecuador, Kaffee auch Kaffee.
Die Konturen von Kränen, Schiffen und der Brücke Puente de las Americás, die bis 2004 die einzige Straßenverbindung zwischen Nord- und Südamerika war, schimmern durch den Morgennebel.
Entlang der Hafenanlagen fahren wir zur Ersten der drei Schleusen. Ein Containerschiff kreuzt den Weg, schleust jedoch nicht mit uns, sondern als ganz großer Pott in einer weiteren Anlage. Unser Boot fährt gemeinsam mit einem Schüttgutfrachter durch die Mirafloresschleusen und später durch die Pedro-Miguel-Schleusen. Riesig türmt sich der Frachter vor dem Dampfer auf. Elektroloks ziehen den Pott an Stahlseilen in die Schleusenkammern und halten ihn in Position.
Nachdem wir die Pedro-Miguel-Schleusen hinter uns gelassen haben, gehen die Halbtagesfahrer von Bord. Übrig bleibt eine sehr überschaubare Anzahl an Passagieren, die fast alle deutschsprachig sind.
Wir fahren unter der 2004 eingeweihten Brücke Puente Centenario hindurch, die als Entlastung für die Brücke Puente de las Americás gebaut wurde und in den schmalsten Teil des Kanals ein. Dschungel säumt das Ufer. Nach knapp 13 Kilometern erreichen wir den Gatúnsee, einen für den Kanalbau angelegten Stausee.
Die Überreste gefluteter Hügel ragen wie kleine Inseln aus dem Wasser. Motorisierte Schrotthaufen und Containerschiffe passieren unseren Weg. Es beginnt zu regnen.
Zweieinhalb Stunden schippert das Boot über den See, bis es die Gatún-Schleusen erreicht. Vom Ziel, dem Atlantik, trennen uns nur noch 26 Meter Höhe, die durch die Fahrt durch drei Schleusenkammern überwunden werden.
Regen und Nebel werden immer dichter. Schiffe, die auf die Genehmigung zur Kanaldurchfahrt warten, liegen im Meer verstreut vor Anker.
Nach acht Stunden Fahrt legt der Dampfer in Colón an. Im Hafen wartet bereits ein Bus und bringt alle Reisenden zurück in ihre Hotels. Mein Fazit: Die Halbtagestour hätte völlig ausgereicht.
Panama City – kolonial und modern
In Panama City sind die wichtigsten Sehenswürdigkeiten gut mit der Metro zu erreichen. Drei Stationen vom Hotel entfernt soll die Altstadt sein.
Als ich aussteige, stehe ich jedoch an einer lauten, stinkigen Durchfahrtsstraße. Der Stadtplan hilft mir auch nicht weiter, aber ich glaube eine frische Brise zu spüren. Die Altstadt liegt am Meer und ich laufe dem Hauch kühler Luft nach.
Es ist die richtige Entscheidung. Zuerst gilt es jedoch eine Fußgängerzone, in deren unzähligen Läden billiger Ramsch verhökert wird, zu durchqueren. In den Seitenstraßen türmen sich stinkende Müllberge. Einige Häuser im Kolonialstil haben frisch verputzte Fassaden, die heruntergekommenen Gebäude sind großflächig mit Graffitis verziert.
Erst in der überschaubaren Altstadt sind die meisten Bauten in den engen, mit Kopfsteinen gepflasterten Gassen aufwendig renoviert. In das Parterre sind szenige Läden und teure Lokale eingezogen.
Von der Kathedrale ist wegen Sanierungsarbeiten nicht viel zu sehen. Der Präsidentenpalast, der sich ebenfalls in der Altstadt befindet, liegt irgendwo gut geschützt vor den Blicken Neugieriger. Erst als ich schon auf dem Weg zum Fischmarkt bin, kann ich einen Blick auf das Gebäude, das auf einem Felsen direkt am Meer steht, werfen.
Kleine Fischerboote schaukeln vor der Skyline der Stadt im Wasser. Laut buhlen Restaurantbedienungen um Kundschaft. Die Preise auf dem Fischmarkt sind vor allem für Panama niedrig. Ceviche (in Zitrussaft marinierter roher Fisch) ist sogar unschlagbar preiswert. Mein Erstaunen darüber legt sich, als das Essen kommt. Die Portion Ceviche wird in einem mit Zwiebel reichlich gefüllten 250 ml Becher serviert, die Fischstückchen dazwischen sind an einer Hand abzählbar.
Regenwolken ziehen auf. Am Fischmarkt gibt es zwar eine Bushaltestelle, über das Liniennetz bin ich jedoch nicht so gut informiert. Um mich nicht zu verfahren, gehe ich zurück zur Metro. Der kürzeste Weg zur nächsten Station führt durch eine Seitengasse der Fußgängerzone, in der ich gerade erst unterwegs war. Uniformierte stehen davor. „Hey Tourist. Da nicht lang, zu gefährlich“, rufen zwei Polizisten. „Da lang geht es zur Altstadt.“ Widerwillig schlage ich den Umweg ein.
Am nächsten Morgen verlasse ich Panama City in Richtung El Valle de Antón. Um die Zeit bis zur Abfahrt des Busses zu überbrücken, nutze ich das restliche Guthaben auf dem Prepaid-Metroticket für eine Fahrt nach San Isidro. Dort thront auf einem Hügel ein Tempel der Bahai. An der Zugangsstraße zum Tempel steht ein Schild mit den Abfahrtzeiten eines Zubringerbusses. Der nächste Bus fährt erst in drei Stunden. Macht nichts, denke ich. Es sind ohnehin nur zwei Kilometer bis zum Ziel.
Der Tempel steht in Form einer umgestülpten halben Eierschale auf der Hügelspitze und wird von neun sternförmig angeordneten Mauern gestützt: Der neunzackige Stern symbolisiert bei den Bahai Einheit und Vollkommenheit.
Ein Gläubiger ist sofort an meiner Seite: „Die Religion ist erst 150 Jahre alt und hat ihren Ursprung im Iran. Wir glauben an die Einheit der Menschheit in Vielfalt. Andere Religionen werden bedingungslos anerkannt. Das ist auch der Grund, warum wir nicht missionieren.“
Die Bahai gelten im Iran als Abtrünnige der islamischen Weltanschauung.
Im Tempel stehen lange Reihen mit Holzbänken, kühle Luft strömt durch filigrane Öffnungen, leises Vogelgezwitscher ist zu hören. Fasziniert spüre ich, wie schnell sich in mir Ruhe und Wohlgefühl ausbreiten.
Eine Frage hat mein Begleiter: „Bist du den ganzen Weg hochgelaufen?“ Ich nicke. Er sieht mich entgeistert an. Dass ich den Weg auch wieder zurückgehe, will er auf keinen Fall zulassen. Er organisiert einen Minibus und wartet bis ich eingestiegen bin.
El Valle de Antón: Leben im Vulkankrater
El Valle de Antón liegt im größten bewohnten Vulkankrater der Welt und ist von einer üppigen Vegetation umgeben. Viele Grundstücke im Ort haben einen parkähnlichen Charakter. Auf einigen stehen kleine Bungalows, die an Reisende vermietet werden.
Schöne Wanderwege, die auch zur jetzigen Regenzeit noch begehbar sind, durchziehen den Nebelwald. Zwei Stunden zu Fuß vom Ort entfernt, stürzt der größte Wasserfall der Gegend, Chorro El Macho, 70 Meter in die Tiefe. Als Wanderweg gibt es nur die Straße. Um den Wasserfall zu sehen, werden 5 USD fällig. Wie alles Sehenswerte in Panama (selbst Naturschauspiele) liegt er auf privatem Boden. Der 200-Meter-Pfad durch den Dschungel ist schön angelegt, der Wasserfall ist eindrucksvoll, aber 5 USD erscheinen mir als ein zu hoher Preis.
In der Nähe gibt es einen guten Wanderweg zu bis heute nicht entzifferten Petroglyphen, Wasserfällen und einem Aussichtspunkt mit Blick über das Tal. Den schlage ich als Nächstes ein. Diesmal kostet der Eintritt nur 3 USD.
Polizei auf einem Quad fährt vorbei und parkt unter einem Schutzdach. Ich denke mir nichts dabei und laufe weiter. „Stopp“ ruft einer der Polizisten. Mithilfe von Handy und Google Translator gibt er zu verstehen, dass ich nicht weitergehen soll. Jedenfalls nicht alleine. Auf seinem Handy tippt er „zu viele Überfälle“ ein. Ich versuche, mich herauszureden und gebe ein, dass ich nur bis zu den Petroglyphen gehen wolle. Der Polizist nickt zufrieden und zeigt hinter mich. Da steht der Fels mit den Schriftzeichen.
Grollend gehe ich zurück Richtung Ausgang. Eine Familie kommt mir entgegen. „Wollt ihr zu den Wasserfällen?“, frage ich nach. „Ja dorthin wollen wir“, entgegnet eine junge Frau. Ich schließe mich der Gruppe an. An den Petroglyphen legt die Familie jedoch eine Pause ein und beschließt dort zu verweilen.
Erst als die immer noch dort wartende Polizei sich erkundigt, ob sie mit mir weiter wandern werden, raffen sich zwei jüngere Familienmitglieder auf.
Über rutschige Steine geht es bergauf. Der erste Wasserfall ist bereits nach fünf Minuten erreicht, der zweite zehn Minuten später. Jetzt streiken auch meine beiden Begleiterinnen. Ich könne ja alleine weiter gehen, meinen sie. Kurz überlege ich, kehre aber mit ihnen um, damit sie keinen Ärger mit der Polizei bekommen.
Aus dem Vulkan nach Portobelo an der Karibikküste
Ausgerechnet heute, wo ich eine lange Reise vor mir habe, klappt es mit dem Frühstückskaffee aus dem Dorfladen nicht. Grummelig stehe ich an der Straße und warte auf einen Bus, der fünf Minuten später kommt.
Wegen diverser Staus zieht sich die Fahrt nach Panama City in die Länge. Vor dem Buswechsel in der Stadt brauche ich aber einen Kaffee. Obwohl der Busbahnhof groß ist, gibt es nur ein paar Fast-Food-Ketten, die ausschließlich frittiertes Essen und Cola anbieten. Versteckt in einer Nische finde ich doch noch ein kleines Café mit dem ersehnten Getränk.
Der Bus nach Colón ist schon gut gefüllt und braucht für die Strecke erfreulicherweise nur eineinhalb Stunden. Als alle aussteigen, folge ich ihnen und stehe irgendwo im Stadtzentrum. Der Fahrer sieht mich besorgt an und zeigt um die Ecke: „Geh dahin, nimm ein Taxi und fahre sofort zum Hotel.“
Colón ist die Stadt mit der höchsten Kriminalitätsrate in Panama. Müll bedeckt flächendeckend die Seitenstraßen. Betonfassaden sind schwarz vor Schimmel. Farn wächst aus den Ritzen. Verfaultes Holz hängt an Gebilden, die einst Balkone waren und an bewohnten Hütten, die in Hausruinen stehen.
Nach einer kurzen Orientierungspause finde ich den Busbahnhof. Er ist das Gegenteil von dem in Panama City: dreckig und chaotisch.
Der Bus nach Portobelo ist eines der bunt besprühten Gefährte vom Typ amerikanischer Schulbus. Überlaute Musik dröhnt durch das Gefährt, das Bodenblech biegt sich unter den Füßen, die Fenster hängen in scharfkantigen, durchgerosteten Rahmen.
Zum Sonnenuntergang bin ich endlich im Hostel in der Nähe von Portobelo angekommen, sitze auf der Terrasse mit Blick auf das Meer und einen in der roten Abendsonne schaukelnden Zweimaster. Der Genuss währt kurz. Ein grauenhaft auf der Blockflöte spielendes Mädchen taucht auf und ich gehe in mein Zimmer.
Frühstück mit gutem Kaffee gibt es nur im Ort. In der Hoffnung, dass ein Bus vorbeikommt, laufe ich los und in Ermangelung einer Mitfahrgelegenheit gleich weiter bis in das Stadtzentrum.
Der Kaffee, den es in einer „Bäckerei“ gibt, ist tatsächlich sehr gut. Zwei kernig aussehende Hörnchen nehme ich noch dazu. Sie sind jedoch nur in Form gebrachter pappiger Toast.
Die Stadt liegt in einer kleinen, von Christoph Kolumbus entdeckten Bucht und wurde von den Spaniern zu einem von mächtigen Forts beschützten Verladehafen der spanischen Silberflotte ausgebaut.
Die immer noch beeindruckenden Ruinen der Festungsanlage ziehen sich die Bucht entlang. Erstaunlicherweise sind sie kostenlos zu besichtigen. Passend zur Kulisse liegen sinkende Jachten im Wasser.
Früh am nächsten Morgen geht es zurück nach Panama City. Als ich das Zimmer verlasse, ist auch schon das Hupen des Busses zu hören. Praktischerweise kann man überall zusteigen.
In Colon, wo ich wieder umsteigen muss, lande ich diesmal auf dem Zentralmarkt. Vor mir steht ein Verkäufer und bietet mein geliebtes Morgengetränk an. Während ich auf einer Bank sitze und den Kaffee genieße, verteilen junge Frauen Sandwiches und ein Getränk an die Obdachlosen.
Für ein paar Stunden in Panama City
Mittags erreiche ich Panama City und habe noch den Nachmittag vor mir. Auf dem Stadtplan ist die Kanzlei Mossack Fonsecca – bekannt durch die Panama Papers – eingezeichnet. Obwohl sie im März dieses Jahres (2018) aufgelöst wurde, sollen die Räume begehbar sein. Das Haus zu finden ist nicht schwer; es gehört jetzt jedoch einer Privatklinik. Trotzdem war der Spaziergang so kurz vor dem Langstreckenflug nach Deutschland ein angenehmer Zeitvertreib.