Jedes Wasser findet seinen Spalt.
Sprichwort aus Ostanatolien
Türkei (Ostanatolien) – Iran
Malatya – Karadut – Van – Doğubeyazıt– Iran – Van – Malatya
„Du sollst sicher ankommen. Es ist schließlich schon Mitternacht.“ Der Fahrer vom Flughafenzubringer sieht mich besorgt an und hält 30 Minuten später vor dem gebuchten Hotel in Malatya der Hauptstadt von Ostanatolien.
Mit dem ersten Bus am nächsten Morgen geht es gleich weiter in die Provinz Adıyaman. Praktischerweise hält er an den sehenswertesten archäologischen Stätten der Provinz wie der Nekropole von Perrhe, der antiken Chabinas-Brücke, dem Grabhügel Karakuş und der Grabstätte Arsameia.
Unterwegs passieren wir zwei Checkpoints. Zu meinem Erstaunen erklärt der Fahrer: „Seit dem Friedensprozess zwischen Kurden und Türken ist Schluss mit dem Terror. Ich bin zufrieden, es gibt jetzt mehr Arbeit und es wird in die Infrastruktur investiert.“
Karadut
Am Nachmittag erreiche ich Karadut, mache eine Pause in einer Pension und fahre zum Sonnenuntergang zum Berg Nemrut, der die letzte Ruhestätte von Antiochos, Herrscher des Lokalreichs Kommange aus dem ersten Jahrhundert vor Christus ist. Vor dem Grabhügel stehen riesige Götterstatuen, die Köpfe sind neben dem Rumpf platziert. Die letzten Sonnenstrahlen lassen sie in spektakulären Farben leuchten.
Früh am Morgen bringt mich Arif der Sohn des Hausherrn mit dem Auto zum Dolmus (Minibus) Richtung Diyarbakır. Er nutzt die Gelegenheit und kauft – es ist Ramadan – Zigaretten, Wasser und Süßes und trinkt, isst und raucht genüßlich. An einer Tankstelle im Nirgendwo stoppt er: „Ich glaube hier hält der Dolmus.“
Nach einer halben Stunde glaube ich eher nicht, dass der Minibus hier hält. „Lass uns noch etwas länger warten“, schulterzuckend blickt mich Arif an. Nach einer knappen Stunde rumstehen kommt das Auto tatsächlich. Im Minibus ist die Sitzordnung getrennt nach Frauen und Männern. Zum Glück ist er nicht voll besetzt, sodass ich neben einer Frau Platz finde.
Die Landschaft verändert sich. Nun gibt es nur noch das endlose Asphaltband in einer flachen trockenen Umgebung zu sehen. Ich schlafe ein. Ein festes Rütteln an der Schulter weckt mich. „Du wolltest doch an den Busbahnhof in Diyarbakır“, meint meine Sitznachbarin. „Wir sind da. Ich habe dem Busfahrer gesagt, dass er halten soll.“
In Diyarbakır steige ich in einen anderen Minibus um, fahre weitere sechs Stunden bis Van und bleibe dort eine Nacht. Die Besichtigung der Orte, durch die ich jetzt nur durchreise, plane ich für die Zeit nach meiner Tour durch den Iran.
Doğubeyazıt am Fuß des biblischen Berges Ararat
Am nächsten Morgen geht es mit einem größeren Minibus nach Doğubeyazıt im äußersten Osten der Türkei. Die Plätze im Bus sind reserviert. Ich habe einen Fensterplatz neben einem Mann, der sofort aufgefordert wird, sich einen anderen Platz zu suchen.
Doğubeyazıt erinnert an eine öde Grenzstadt. In einem Laden fängt der Verkäufer ein Gespräch an. Schnell sind wir bei den üblichen Fragen: „Hast du Mann und Kinder?“ Auf die Frage, ob er Kinder hat, bekomme ich die Antwort: „Ich weiß nicht so genau, vielleicht 10, mit meiner Frau vier.“ Ich muss lächeln. Bisher hatte jeder Verkäufer in jedem Laden die Anzahl seiner Kinder auf 10 aufgestockt.
Die Bewohner der Stadt sind sehr konservativ. Junge und alte Frauen tragen Kopftuch und knöchellange Mäntel, manche den Tschador. Für den Iran brauche ich noch einen Umhang. Nach ein wenig suchen finde ich einen Laden, in dem es neben den bodenlangen Mänteln auch knielange gibt. Der Besitzer fragt sofort: „Iran?“ Nach zehn Minuten habe ich mir die einzig akzeptable Verhüllung schön geguckt und kaufe sie.
An meinem vorerst letzten Tag in der Türkei unternehme ich mit drei Belgiern, Guide und Auto eine Tour in die Umgebung. Wir besichtigen den Ishak-Pascha-Palast, wandern durch abgelegene Bergdörfer, fahren zu einem Abdruck am Berg Ararat, der von der Arche Noah sein soll und bestaunen einen Meteoritenkrater an der Grenze zum Iran.
Gleich nach dem Frühstück am nächsten Morgen starte ich in Richtung iranische Grenze. Ein Minibus, der zum Grenzübergang fährt, steht bereits an der Haltestelle, außer mir ist aber kein weiterer Fahrgast da. Der Fahrer holt einen Hocker und die nächste Stunde beobachte ich das Treiben auf der Straße. Dann ist der Bus voll – 17 Männer, die versuchen, den Sitzplatz neben mir so lange wie möglich freizuhalten. Erst als kein Platz mehr zum Stehen ist, setzt sich einer neben mich. Die Strecke ist etwas rumplig und wenn mein Sitznachbar dadurch auch nur ein winziges Stück in meine Richtung rutscht, lächelt er mich verschämt an. An der Grenze zum Iran verabschiedet er sich von mir.
Vier spannende Wochen später bin ich zurück in Ostanatolien.
Wenige Kilometer hinter der Grenze zum Iran stoppt der Bus. Gendarmerie. Im barschen Ton werden alle aufgefordert auszusteigen und das Gepäck zu öffnen. Nachdem alles durchsucht ist, dürfen wir wieder einpacken und weiterfahren.
Van am größten Sodasee der Welt
Am Nachmittag erreiche ich Van; verbringe den Abend auf der Burg von Van und den nächsten Tag bei den Van-Katzen, besichtige auf der Insel Akdamar die armenische Kirche, bade im klaren Salzwasser des Van-Sees, besuche einen Seldschukenfriedhof, eine von der EU geförderte Teppichknüpfwerkstatt und die Ruine einer weiteren armenischen Kirche in den Bergen.
Der letzte Tag. Der Startpunkt ist auch der Endpunkt meiner Reise – Malatya für eine Nacht.