„Einheit in Vielfalt“
(Motto von Papua-Neuguinea)
Reisejahr 2024
Südkorea – Neuseeland – Vanuatu – Fidschi – Tuvalu – Salomonen – Australien (Nord) – Osttimor – Australien (West, Tasmanien) – Nauru – Marshallinseln – Föderierte Staaten von Mikronesien – Kiribati – Samoa – Tonga – Indonesien (West-Papua)
Port Moresby – Goroka – Mount Hagen– Wewak (Region Sepik) – Port Moresby
Unsere Reise durch Australien und die Inselwelt Ozeaniens lassen wir bei einer Tour durch Papua-Neuguinea (PNG) ausklingen. Das Land ist geprägt von tropischen Regenwäldern, in denen schillernde Paradiesvögel und handtellergroße Schmetterlinge herumflattern, mäandernden Flüssen im Tiefland und einem bis zu 4800 Meter hohen Gebirge.
Vor allem ist PNG aber ein Land mit einer Vielfalt an kulturellen Traditionen. In den isoliert voneinander liegenden Gebirgstälern, verzweigten Flusssystemen und undurchdringlichen Wäldern haben die Gemeinschaften von schätzungsweise 1000 Stämmen ihre eigenen Bräuche, Sitten und Rituale entwickelt. Über 800 Sprachen – ein Viertel der lebenden Sprachen weltweit – zählt der rund zehn Millionen Einwohner fassende Staat.
Goroka: Provinzhauptstadt der Eastern Highlands
Das Tor zu Reisen durch PNG ist die Hauptstadt Port Moresby. Wir halten uns jedoch nur eine Nacht in der Stadt auf und fliegen am nächsten Tag nach Goroka, der Provinzhauptstadt der Eastern Highlands, weiter.
Dort werden wir bereits am Flughafen von Gastgeber Martin erwartet, in einen Minibus verfrachtet und in das Gästehaus seines Dorfes gebracht. Martin gehört dem Stamm der Asaro an, der sich in diverse Clans gliedert, die wiederum über mehrere Siedlungen verteilt leben. Ihre Häuser bestehen aus geflochtenen Bambusmatten und tragen ein grasbedecktes Dach. In den angrenzenden Gärten werden Süßkartoffeln, Kohl und Obst für den Eigenbedarf angebaut.
Das kulturelle Erbe der Asaro
Bekannt sind die Asaro vor allem durch ihre „Mudmen“. Der Legende nach wurde der Stamm von einem feindlichen Nachbarn angegriffen und von seinem Land vertrieben. Um ihr Gebiet zurückzuerobern, stellten die Krieger der Asaro furchteinflößende Masken aus Lehm her, versahen ihre Finger mit angespitztem Bambusrohr und bedeckten ihre Körper mit Schlamm aus dem nahegelegenen Fluss. Der Anblick der geisterhaft wirkenden Wesen ließ die Feinde die Flucht ergreifen, sodass die Asaro ihr Territorium ohne Blutvergießen wieder in Besitz nehmen konnten.
Wie unheimlich diese lebenden Geister auf ihre Gegner gewirkt haben müssen, erfahren wir hautnah bei einer Vorführung im Dorf, als hinter einer Hütte lautlos dämonische Gestalten hervorschleichen. Ihre Köpfe stecken unter klobigen, mit schaurigen Grimassen geformten Masken. Bewaffnet mit Speer, Pfeil und Bogen sowie rot glänzenden, mit Bambus verlängerten Fingernägeln bewegen sie sich langsam in unsere Richtung. Als der Bogenträger nur noch eine halbe Armlänge entfernt ist, zielt er mit dem Pfeil auf uns und lässt den Bogen schnalzen. Gleichzeitig klappen die Bambus-Fingernägel eines anderen Geistes laut klackend zusammen.
Der kriegerischen Darbietung folgt auf einer kleinen Lichtung der „Mokomoko“-Siegestanz. Mokos sind die Geister der Toten. Damit sie kein Unwesen treiben können, werden sie von Männern mit zombieartigen Stoffmasken, Skelettbemalung auf dem Körper und um die Hüften gebundenem speerartigen Riesenpenis mit stampfenden Bewegungen verjagt.
Mit dem Pritschenwagen von den Eastern Highlands in die Western Highlands
Am nächsten Tag brechen wir auf in die 170 Kilometer entfernt liegende Stadt Mount Hagen. Martin hat einen Pritschenwagen besorgt und fährt uns auf der einzigen Fernverkehrsstraße der Highlands in knapp fünf Stunden ans Ziel.
Kurz vor dem Zielort biegt er von der Überlandstraße ab und hält in einem kleinen Ort, in dem Angehörige der zum Chimbu-Stamm gehörenden „Skelettmenschen“ leben. Für ihr Aussehen bemalen sie ihre Körper mit schwarzer Asche und einem Knochengerüst aus weißem Lehm. Ähnlich wie die Mudman nutzen sie die bei allen Stämmen in PNG weitverbreitete Angst vor Tod und Geistern und vermitteln Feinden auf diese Art, dass sie keine Menschen, sondern Wesen mit übernatürlichen Kräften sind. Bei einer Vorführung auf dem Dorfplatz bekommen wir anhand einer mythischen Erzählung über den siegreichen Kampf gegen ein todbringendes Zottelmonster einen Einblick in ihre Geisterwelt.
Mount Hagen in den Western Highlands
Eine Stunde nach der unterhaltsamen Fahrtunterbrechung erreichen wir Mount Hagen. Die unansehnliche Stadt zählt aufgrund der hohen Kriminalität zu den gefährlichsten Orten des Landes. Dennoch avanciert sie einmal im Jahr aufgrund der dann stattfindenden Mount Hagen Show zu einem überaus populären Reiseziel. Bei dem farbenprächtigen Kulturfestival (Sing-Sing) kommen seit mehr als sechs Jahrzehnten jeweils im August die Angehörigen verschiedener Clans und Stämme zusammen, um ihre traditionellen Tänze, Lieder und Kostüme zu präsentieren.
Das Paiya Sing-Sing
Einen Vorgeschmack auf das Hagen-Festival bekommen wir bei einem kleinen Sing-Sing, das im unweit von Mount Hagen gelegenen Bergdorf Paiya stattfindet. Vor dessen spektakulärer Kulisse aus schroffen Bergen und üppigen Wäldern zeigen rund zehn Stämme und Clans ihre farbenfrohen Körperbemalungen und aufwendigen Kostüme. Abgerundet wird das Fest mit dem Nationalgericht „Mumu“, bei dem Gemüse und Lammfleisch in einem Erdloch auf heißen Steinen zubereitet werden.
Mount Hagen Show
Auf einem Parkgelände mitten in Mount Hagen startet am nächsten Vormittag das zweitägige Hagen-Festival, an dem über 70 Stämme aus ganz Papua-Neuguinea teilnehmen. Ausdrucksvoll bemalt, bekleidet mit Baströcken, handtuchähnlichen Stoffen oder dem Banner eines Mobilfunkanbieters ziehen die Gruppen tanzend und trommelnd auf den Festplatz. Barbusige, wohlbeleibte Frauen schwingen ihre Hüften; Männer wippen mit Penisköchern aus Kalebassen-Rohr; prachtvolle, über Generationen vererbte Kopfbedeckungen aus Paradiesvogel- und Bussardfedern zieren viele Häupter. Besonders auffällig sind die Hochlandkrieger der Huli, die mit rot angemalten Körpern und gelb geschminkten Gesichtern hervorstechen sowie die Repräsentanten des Stammes der Suli Muli aus der Krisenprovinz Enga mit ihrem runden Echthaar-Kopfschmuck.
Während immer mehr Gruppen auf das Festgelände ziehen, verwandeln sich die leidenschaftlichen Tänze und Gesänge, die Kostüme und die traditionelle Musik langsam in ein Meer aus Farben und Klängen. Am Ende der Festivaltage sind jedoch nicht nur die aktiven Teilnehmer von den kräftezehrenden Darbietungen erschöpft, auch wir benötigen nach dieser akustischen und visuellen Reizüberflutung etwas Zeit zum Relaxen.
Vom Hochland in die Sepik-Ebene
Von Mount Hagen aus starten wir zu unserem letzten Ziel in PNG, die Sepik-Ebene mit dem gleichnamigen Fluss im Norden des Landes. Die abgelegene Region ist nur mit einem Flug über Port Moresby in die Provinzhauptstadt Wewak zu erreichen. Nach einer Übernachtung in der Stadt fahren wir am nächsten Tag mit einem Auto tiefer in das Landesinnere bis zum Fluss Sepik. Dort erwartet uns Gastgeber Ronnie mit seinem Motorboot und weitere drei Stunden später erreichen wir das Fischerdorf Kaminimbit. An dessen Uferböschung stehen bereits einige der Dorfbewohner in traditioneller Kleidung und heißen uns mit einem Sing-Sing herzlich willkommen.
Die Siedlung ist von sumpfigem Grasland umgeben. Pfahlbauten mit Wänden aus schief zusammengenagelten Brettern stehen aneinandergereiht am Ufer. Nur das Gästehaus sticht heraus: Seine Wände bestehen aus geflochtenen Bambusmatten, die Holztüren zu den drei Räumen sind weiß gestrichen, auf einer Veranda stehen Tisch und Stühle. Die Zimmer bieten gerade genug Platz für zwei am Boden liegende Schaumstoffmatratzen und ein darüber gespanntes Moskitonetz.
Wie jedes Dorf am mittleren Lauf des Sepik hat auch Kaminimbit eine auf Stelzen errichtete Holzkirche und ein „Tambaran“ genanntes Spirit House. Dort treffen ausschließlich Männer inmitten von Masken, Skulpturen und heiligen Schlitztrommeln alle wichtigen Entscheidungen der Gemeinschaft.
Als es zu dämmern beginnt, quillt dichter Rauch aus den Häusern, legt sich auf unsere Lungen und brennt in den Augen. In den Holzhütten lodern offene Feuer, an denen die Bewohner das Abendessen zubereiten. “Manchmal brennt eine Hütte ab“, erzählt Ronnie im lockeren Ton, als er unsere skeptischen Blicke sieht.
Bei den Krokodilmenschen von Palimbei und Kanganamun
Von den entlang des Sepik lebenden Stämmen sind vor allem die sagenumwobenen „Krokodilmänner“ vom Stamm der Iatmul bekannt. Seine Angehörigen verehren das Krokodil als spirituelles Schöpfungswesen. In ihrem Verlangen, die Identität der Panzerechsen annehmen und deren Eigenschaften auf sich übertragen zu wollen, lassen sich die jungen Männer als Zeichen des Eintritts in die Erwachsenenwelt ein schuppenähnliches Muster in die Haut schneiden.
Das aufwendige Initiationsritual findet aus Kostengründen nur alle zwei bis drei Jahre statt. Im Tambaran von Palimbei zeigen uns einige Männer stolz ihre Narben. „Sie wollen wie Krokodile sein, bleiben aber Menschen“, lästert Ronnie.
Das Ritual ist äußerst qualvoll. Mit einer Klinge wird in Brustbereich, Rücken und Lenden das Muster einer Krokodilhaut geritzt. Die vor Schmerzen schreienden Jungen werden dabei von Verwandten festgehalten. Der Blutverlust ist hoch. Es folgen sechs bis zwölf peinvolle Wochen. Dann sind die äußeren Narben zwar verheilt, aber es dauert weitere drei bis fünf Jahre, bis auch die inneren Schmerzen abgeklungen sind. Als Lohn dürfen die jungen Männer nun heiraten, ein Haus bauen und an den Clanversammlungen im Tambaran teilnehmen.
In sieben Tagen nach Deutschland
Einen weiteren Tag in der Sepik-Region verbringen wir noch mit der Besichtigung von zwei Dörfern, ehe wir die Reise in die Heimat antreten.
Da Inlandsflüge in PNG als sehr anfällig für Verspätungen und Ausfälle gelten, haben wir eine ganze Woche dafür einkalkuliert und reisen über Wewak, Port Moresby und Singapur zurück nach Deutschland.