Besser vor Bauch nicht liegen, als vor Hunger nicht schlafen können.
(Sprichwort aus Bosnien-und-Herzegowina)
Reisejahr 2023
Jajce – Kulen Vakuf (Una-Nationalpark) – Studenci (Kravica-Wasserfälle) – Mostar – Tjentište (Sutjeska-Nationalpark) – Rujište (Prenj-Gebirge) – Lisičići (Naturpark Blidinje) – Sarajevo – Albanien – Kosovo
„Die Zulassung gilt nur noch eine Woche“, erklärt uns der Typ von der Mietwagenfirma, als er uns die Autoschlüssel für unsere zweiwöchige Reise übergibt. Er verspricht uns die aktualisierten Papiere zeitnah zukommen zu lassen. Wir verlassen uns darauf und übernehmen das Auto.
Jajce: eine Stadt mit einem Wasserfall im Zentrum
Der erste Halt ist in Jajce. Unser Quartier befindet sich im Dachgeschoss eines kleinen Hauses unterhalb der Zitadelle an einem Abhang. „Habt ihr Hunger?“, will die Vermieterin wissen. Zwar haben wir im örtlichen Supermarkt eine essbare Kleinigkeit gekauft, aber das Angebot nehmen wir gerne an. Es kommt wie „befürchtet“: Kohlrouladen, Hühnchen, Brot und Süßes stehen eine halbe Stunde später auf dem Tisch.
Nach dem üppigen Mahl entschließen wir uns zu einem Abendspaziergang ins Stadtzentrum. Wege, Brücken und die Festung sind dezent angeleuchtet, Cafés und Restaurants gut besucht. Hell leuchtet der mitten in der Stadt liegende 17 Meter hohe Wasserfall Pliva in der Dunkelheit. Trotz der gemütlichen Atmosphäre kehren wir jedoch müde um.
Am nächsten Morgen sitzen wir noch auf einen Plausch, der nur mit Hilfe einer Übersetzersoftware möglich ist, mit der Vermieterin bei Kaffee und Tee zusammen. Sie erzählt aus ihrem Leben: „Meine beste Zeit hatte ich unter Tito.“ Gemeint ist Josip Broz Tito, der Staatspräsident Jugoslawiens nach 1945. „Heute herrscht so viel Korruption. Mein Sohn ist Englischlehrer und findet keine Arbeit an einer Schule, weil er kein Parteibuch hat. Er arbeitet jetzt im Hotelmanagement.“
Mit Tränen in den Augen erzählt sie über die Zeit des Bosnienkrieges (1992 bis 1995). „Unser schönes Haus hat im Krieg einen Granattreffer abbekommen. Dort stehen noch die Mauern.“ Sie zeigt auf die Überreste im Garten. „Daraufhin sind wir nach Schweden geflohen und nach dem Friedensabkommen zurückgekehrt.“ 1995 vermittelten die USA das Abkommen von Dayton, welches zwar den Krieg beendet, aber einen ineffizienten Staat unter alliierter Aufsicht gebildet hat.
Bevor wir weiterfahren, sehen wir uns die Stadt an. Am Wasserfall zahlen wir ein üppiges Eintrittsgeld von 5 Euro/Person, um auf eine Plattform unterhalb der Kaskaden zu gelangen. Nass gesprüht von den herabstürzenden Wassermassen spazieren wir anschließend über kopfsteingepflasterte Gassen aufwärts zur Zitadelle, bei der wir uns das Eintrittsgeld jedoch sparen, da nur noch der Mauerring steht. Der Blick über die Stadt ist auch vor den Eingangstoren sehr schön.
Wir verlassen vorerst Bosnien und Herzegowina und fahren durch die Republika Srpska nach Kulen Vakuf. Nach dem Dayton-Abkommen behielt die bosnisch-serbische Republika Srpska 49 Prozent des Territoriums von Bosnien und Herzegowina unter ihrer Kontrolle, während 51 Prozent des Landes den Kroaten und Bosniaken zugestanden wurden.
Die Aufteilung des Landes lässt sich auch an der Währung beobachten. Bis auf den 200 KM-Schein (Konvertible Mark) gibt es die Banknoten in lateinischer Schrift für die Föderation Bosnien und Herzegowina und in kyrillischer Schrift für die Republika Srpska mit jeweils eigenen darauf abgebildeten Prominenten. Beide Varianten gelten im gesamten Land.
Una-Nationalpark
Kulen Vakuf ist ein kleines Dorf im Una-Nationalpark. In der Nähe des Ortes befindet sich der Štrbački Buk, ein von der Una gespeister Wasserfall. Über eine Breite von 40 Metern stürzt das türkisfarbene Wasser 25 Meter in die Tiefe. Auf Holzstegen und vorbei an Rast- und Ruheplätzen kann man ein paar Meter am Fluss entlanglaufen und so den Katarakt aus verschiedenen Blickwinkeln bewundern.
Die Kaskaden sind jedoch nicht nur die höchsten im Una-Nationalpark. Sie bilden gleichzeitig die Grenze zwischen Bosnien und Herzegowina auf der östlichen sowie Kroatien auf der westlichen Uferseite.
Der kroatische Nationalpark Plitvicer Seen liegt nur 40 Kilometer vom Nationalpark Una entfernt. Viele Besucher entfliehen dem Massenandrang in Plitvice und kommen hierher. Da wir jedoch erst am Nachmittag eintreffen, sind die meisten schon wieder auf dem Rückweg.
Nach einer Nacht in Kulen Vakuf fahren wir weiter nach Studenci. Als Route nutzen wir die Straße, die entlang der kroatischen Grenze führt. Über Serpentinen, vorbei an verlassenen Dörfern, bewohnten Weilern, Häusern mit Einschusslöchern in den Fassaden und Kriegsruinen folgen wir dem Asphaltband durch die grüne Landschaft. Der kroatische Einfluss ist unübersehbar. Während auf Ortsschildern die serbischen (kyrillischen) Buchstaben übermalt wurden, weht die kroatische Nationalfahne auf Grundstücken und Straßen.
Kravica-Wasserfälle
Für einen Stopp in dem kleinen Dorf Studenci haben wir uns wegen seiner Nähe zu Mostar und den Kravica-Wasserfällen entschieden, dabei aber nicht bedacht, dass beide Orte zu den touristischen Höhepunkten im Land zählen.
In Studenci gibt uns die Vermieterin den Tipp, die Wasserfälle erst gegen Abend zu besichtigen: „Ab 20 Uhr spart ihr das Eintrittsgeld von 10 Euro pro Person und die Tagestouristen sind bereits fort.“
Wir folgen ihrem Ratschlag und können das Naturschauspiel in Ruhe besichtigen. Zwischen 26 und 28 Meter hoch sind die Wasserfälle und stürzen in Form eines 120 Meter breiten Amphitheaters in einen kleinen See. Gummiboote liegen am Ufer, Biergärten stehen dicht nebeneinander und geben der Umgebung die Atmosphäre eines Freizeitparks.
Obwohl die Kaskaden schön anzusehen sind, denken wir, es wäre besser gewesen, länger im Una-Nationalpark zu bleiben und dort einen der Wanderwege auszuprobieren.
Mostar und Umgebung
Um vor den Touristenströmen in Mostar anzukommen, brechen wir am nächsten Morgen früh auf. Die Altstadt ist mit glatt polierten Steinen gepflastert, Restaurants und Souvenirläden säumen die Gassen. Von den Fassaden der Häuser ist dadurch jedoch nicht viel zu sehen.
Einen hervorragenden Überblick und einen Eindruck von der nach wie vor ethnisch in einen christlichen Westen und einen muslimischen Osten geteilten Stadt hat man vom Minarett der Karadozbeg-Moschee.
In den 1990er-Jahren haben muslimische Bosniaken und katholische Kroaten erbittert um die Kontrolle über die Stadt gekämpft. Die Spuren des Krieges sind am Spanischen Platz, in dessen Nähe die Front verlief, am sichtbarsten. Neben einer Reihe von Häusern, die von Raketen und Maschinengewehrsalven zerschossen wurden, steht die Ruine eines Bankgebäudes, dass als Sniper Tower traurige Bekanntheit erlangte. Von dem hohen Bauwerk feuerten Scharfschützen auf die Einwohner. Etliche Einschusslöcher im Asphalt der Straße zeugen noch davon.
Die Geschichte der Stadt spiegelt vor allem die bekannteste Brücke des Balkans, Stari Most (Alte Brücke), wieder. Im 16. Jahrhundert von den Osmanen erbaut, verbindet sie die muslimisch geprägte Ostseite der Stadt mit der katholisch geprägten Westseite. Ein Video im sehr interessanten Museum für Kriegs- und Völkermordopfer 1992-1995 zeigt unter anderem die Zerstörung der Brücke durch die kroatische Armee 1993.
Mittlerweile wimmelt es auf der im Juli 2004 wiedereröffneten Stari Most und in den Gassen von Touristenhorden. Wir machen es uns bei einem Bier an der Neretva gemütlich und sehen vom Liegestuhl aus den Brückenspringern von Mostar zu. Die Tradition gibt es seit dem Jahr 1664. Es sind vor allem junge Männer, die, wenn sie genug Geld bei Schaulustigen eingesammelt haben, von der Brücke in die 22 Meter tiefer fließende Neretva springen und dabei Geschwindigkeiten von bis zu 85 Stundenkilometern erreichen.
Unweit von Mostar steht das Derwischhaus Blagaj. Das Postkartenmotiv ist über dem Fluss Buna in den Felsen gebaut. Wir kommen zwar rechtzeitig vor der Invasion der Reisebusse an, aber der Weg vom Parkplatz zum Haus wird von Lokalen und Souvenirständen gesäumt und nimmt dem Kloster seinen Charme.
Unser letztes Ziel für heute soll das Bergdorf Počitelj sein. Der treppenförmig angelegte mittelalterliche Ort zieht sich einen Hang hinauf. Zwischen Granatapfelbäumen stehen mit Steinplatten gedeckte Häuser aus Felssteinen. Gekrönt wird der Hügel von einer teilweise zerstörten Festung, deren achteckiger Turm eine herrliche Rundumsicht über das Dorf und die Umgebung bietet.
Unterwegs
Als wir Studenci am nächsten Tag verlassen, kommt die Vermieterin auf uns zu: „Mein Mann arbeitet auf einem Weingut an den Wasserfällen“, lächelt sie und schenkt uns eine Flasche Weißwein. Wir decken uns im nächstgelegenen Supermarkt noch mit Käse und ein paar Leckereien ein und fahren über Bergstraßen und durch kleine Dörfer an kristallklaren Flüssen in den Sutjeska-Nationalpark.
Wie überall im Land steht allenthalben Polizei an der Straße. Diesmal werden wir herausgewunken. „Sie sind 22 Stundenkilometer zu schnell gefahren“, meint ein Polizist in freundlichem Ton und zeigt das Messgerät. Er weiß, dass es für Ausländer schwer zu erkennen ist, wann eine Geschwindigkeitsbegrenzung aufhört, da es dafür keine Schilder gibt. „Ihr seid neu im Land?“, will er wissen. Als wir bejahen, sinkt das Bußgeld auf 10 Euro.
Sutjeska-Nationalpark: der europäische Yosemite
Der Sutjeska-Nationalpark liegt in der Republika Srpska, beheimatet den Maglić (2.386 Meter), den höchsten Berg von Bosnien und Herzegowina und war Schauplatz einer der blutigsten Schlachten zwischen Titos Partisanen und der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.
Im Tal der Helden erinnert eine Gedenkstätte an den „Kampf von Sutjeska“. Zu dem auf einem Hügel stehenden Monument führen Hunderte Stufen, die eine überdimensionale Acht bilden. Zwei jeweils 19 Meter hohe und 27 Meter breite, symmetrisch angeordnete Flügel aus weißem Beton bilden einen Durchgang, auf dessen Innenseiten Marschkolonnen der Partisanen dargestellt sind.
Besteigung des Bosanski Maglić
Der Ausgangspunkt für die Wanderung auf den Maglić befindet sich in Prijevor (ein Parkplatz mit ein paar wenigen Übernachtungshütten). Für die einstündige Anfahrt, die hauptsächlich über rutschiges Geröll führt, haben wir ein Auto mit Allradantrieb und Fahrer gemietet.
In Prijevor hat man zwei Möglichkeiten den Gipfel des Maglić zu erklimmen. Entweder man nutzt den ausgesetzten Steig über die Westwand oder wählt den technisch einfacheren, aber längeren Aufstieg von der Südseite.
Wir entscheiden uns für die Südseite. Zwölf Stunden sind für die Wanderung veranschlagt und der Fahrer wird so lange warten, bis wir zurück sind.
Bevor es an den Aufstieg geht, müssen jedoch sechs Kilometer bis zum Trnovacko-See zurückgelegt werden. Der See liegt tiefer als Prijevor und so wandern wir erst einmal über Geröll abwärts und überschreiten dabei die Grenze nach Montenegro. An einer Weggabelung zeigen die Markierungen nach rechts und nach links. Wir entscheiden uns intuitiv für rechts und gehen richtig. Nach dem Durchqueren eines mit hohem Gras bewachsenen Tales geht es durch Wald und über einen felsdurchsetzten Weg aufwärts.
Als der Wald sich lichtet, stehen wir vor dem von schroffen Bergen umrahmten Trnovacko-See. Am Ufer kassiert ein unfreundlicher Mann Eintritt (1 Euro/Person). Er blafft uns an: „Passport, Montenegro“.
Nach ein paar Metern am Seeufer entlang beginnt der steile Aufstieg. Laut einem Hinweisschild dauert die Bergbesteigung drei Stunden und ist fünf Kilometer lang. Wir folgen dem Pfad durch Wald und über eine sonnenbeschienene Blumenwiese, bis er sich 600 Meter steil aufwärts über Felsschutt windet. Die Anstrengung wird jedoch belohnt mit einer herrlichen Aussicht auf die Gebirgswelt und den Blick zurück auf den smaragdgrün schimmernden See.
Auf dem Grat am Ende des Geröllpfades weht ein frischer Wind. Schnee liegt in einigen Senken und der Weg geht leicht auf- und abwärts. Einen Bergkopf halten wir für das Ziel. Aber es ist der montenegrinische Maglić, der sogar zwei Meter höher ist als sein bosnisches Pendant.
Zehn Minuten Kammweg, eine Felsspalte und ein kurzer Pfad trennen uns noch vom Ziel. Zügig nehmen wir die letzten Meter in Angriff. Auf dem Gipfel angekommen, sind alle Mühen vergessen. Der Rundblick über schroffe Karstkämme, dicht bewaldete Täler und karge Hochebenen ist atemberaubend. Vor allem haben wir jedoch Glück. Die meiste Zeit des Jahres ist der Maglić nämlich mit Nebel bedeckt.
Der Abstieg ist so mühselig wie der Aufstieg. Die Sonne brennt auf das steile Geröllfeld und wir kommen durch das rutschende Gestein nur langsam vorwärts.
Am See hoffen wir bei dem Alten eine Cola zu bekommen. „Ich habe nur Bier“, raunzt er.
Erschöpft erreichen wir 12 Stunden nachdem wir gestartet sind das Auto. „Ihr habt eine sehr harte Tour gemacht“, begrüßt uns der Fahrer.
Prenj-Gebirge: im bosnischen Himalaya
Zwei Tage später brechen wir auf nach Rujište im Prenj-Gebirge. Im Internet haben wir in der Nähe des kleinen Ortes ein alleinstehendes Haus gefunden. Erreichbar ist es jedoch nur mit einem Allradfahrzeug und so haben wir uns mit der Gastgeberin in Rujište verabredet. Die Siedlung besteht neben wenigen dauerhaft bewohnten Gebäuden aus verstreut stehenden Ferienhäusern. Erst nach einigem Suchen finden wir den Treffpunkt.
Nach einer halbstündigen Fahrt über Waldpfade und Geröll kommen wir an einem anderthalbgeschossigen Haus an. Schmetterlinge flattern um die Unterkunft, ein mit natürlichem Wasser gefüllter Pool lädt zum Baden ein.
Der Kühlschrank ist gut gefüllt, Obst und Gemüse aus dem Garten liegen in einem Korb, eine Flasche Wein und selbst gemachter Raki stehen bereit. Umgeben von grünen Berghängen und in absoluter Stille genießen wir die außergewöhnliche Unterkunft.
Wandern im Prenj-Gebirge
Der nächstgelegene Wanderweg ist die zehn Minuten vom Haus entfernte Route zum Zelena Glava. Ein wenig hin- und hergerissen zwischen Chillen in der einmaligen Idylle und einem Ausflug entscheide ich mich für Letzteres.
Mein Ziel, die Berghütte “Adnan Krilić”, Bijele Vode ist fünf Kilometer entfernt. Über einen felsigen Waldweg geht es moderat bergauf und -ab. An einem Baum hängt ein rotes Warnschild: „Vorsicht Minenfelder!“ Im Bosnienkrieg legten die Konfliktparteien Tausende von Landminen. Zum Räumen fehlen einerseits die Ressourcen, teilweise sind die Minen auch durch Erdrutsche „gewandert“. Aber der oft begangene Weg gilt als gut gesichert.
An der Berghütte angekommen, ist noch viel Wanderlust übrig. Der Weg geht hinab ins Tal, durch duftenden Kiefernwald und über Wiesen mit bunten Blumen hinauf zu einem Kamm. Rechts und links ragen die schroffen Berge des Prenj in den strahlend blauen Himmel.
Nach einer kurzen Pause ist es Zeit für den Rückweg. Ein leckeres, selbst gemachtes Essen wartet bereits und den Abend verbringen wir bei Wein, Schinken und Käse auf dem Balkon.
Der nächste Tag ist auch unser letzter in der Unterkunft und wir genießen noch einmal in vollen Zügen die absolute Ruhe.
Naturpark Blidinje
Die Wanderungen in Bosnien und Herzegowina wollen wir mit einer Tour zum Hajdučka Vrata, einem natürlichen Felsenring im Naturpark Blidinje abschließen. Für das Vorhaben übernachtet man am besten in der Kleinstadt Jablanica. Wir sind jedoch vom Trubel größerer Orte entwöhnt und beziehen ein Quartier im nur wenige Kilometer entfernten Lisičići.
Ein heftiges Gewitter reißt uns in der Nacht aus dem Schlaf. Sturm peitscht den Regen über den Fluss und die Straßen, Blitze erhellen im Sekundentakt die Umgebung, laut hallt der Donner von den Bergen zurück.
Wanderung zum Hajdučka vrata
Obwohl das Unwetter für Abkühlung gesorgt hat, klingelt um 4:30 Uhr der Wecker. Wir hoffen, durch einen frühen Wanderstart den schnell steigenden Tagestemperaturen weitestgehend zu entkommen.
Nach einer Stunde Anfahrt, von der die letzten vier Kilometer über Geröll führen, parken wir vor einem roten Schild mit der Aufschrift „Mountain House“.
Der Weg zum Hajdučka vrata ist sehr steinig und geht über Berge und durch Täler. Je höher wir kommen, desto niedriger sind die Kiefern, Blumen blühen im Gras. An einem Hinweisschild folgen wir einem Kammweg, wandern an einem kleinen Bergsee vorbei und erreichen kurz darauf das Ziel. Dort sitzen bereits drei Männer und bieten uns selbstgeräucherten Speck und Brot an. Wir haben nur eine Salami aus dem Supermarkt dabei, die so fürchterlich schmeckt, dass wir sie später entsorgen und greifen gerne zu.
Lange können wir den atemberaubenden Ausblick auf die Diva Grabovica-Schlucht, sowie die Berge Velez und Prenj nicht genießen. Die Sonne steht schon viel zu hoch und die Temperaturen sind mittlerweile nicht mehr zum Wandern geeignet. Zwei Stunden später als gedacht erreichen wir das Auto.
Titos Bunker in Konjic
Auf dem Weg zu unserem letzten Ziel Sarajevo halten wir am Tito-Bunker in Konjic. Der Schutzbau aus der Zeit des Kalten Krieges sollte dem damaligen jugoslawischen Staatspräsidenten Josip Broz Tito als Rückzugsort im Falle eines Atomkrieges dienen. Über 25 Jahre wurde an der Anlage mit Kraftwerken, Kommunikationsräumen, Konferenzhallen sowie privaten Räumen für den Präsidenten gebaut. Bis zu 350 Personen hätten ein halbes Jahr lang versorgt werden können.
Heute ist der Bunker ein Ort für Kunstausstellungen und für historisch Interessierte eine Enttäuschung.
Sarajevo
In Sarajevo geben wir das Auto, für das wir bis zuletzt keine aktualisierte Zulassung erhalten haben, ab und beziehen eine gemütliche, im 60er-Jahre Stil eingerichtete 4-Zimmer-Wohnung in der Altstadt.
Sarajevo liegt am Fluss Miljacka. Wir folgen seinem Lauf bis zur Lateinerbrücke. Hier wurden am 28. Juni 1914 der österreich-ungarische Erzherzog und Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie bei einer Fahrt durch die Stadt vom serbischen Nationalisten Gavrilo Princip erschossen und in dessen Folge der Erste Weltkrieg ausgelöst.
In Serbien und der Republika Srpska gilt er immer noch als Held. Seine Gebeine und die der Verschwörer liegen unweit der Universitätsklinik von Sarajevo in einer Kapelle auf dem Friedhof Kosevo.
In der Altstadt trennt eine weiße Linie den serbischen vom muslimisch dominierten Teil. Während im muslimischen Viertel niedrige Häuser mit lokalen Restaurants wie Buregdzinicas und Cevabdzinicas stehen, aus deren Schornsteinen dicker Rauch aufsteigt und der Duft nach frischen Cevapi in der Luft liegt, befinden sich im serbisch geprägten Viertel mehrgeschossige Bürgerhäuser.
Von den Häusern der Altstadt hebt sich das in Rot und Gelb leuchtende alte Rathaus ab. Das im maurischen Stil erbaute Gebäude wurde im Bosnienkrieg zerstört und nach jahrelanger Rekonstruktion 2014 wiedereröffnet. Heute wird das Rathaus als multimediales Kulturzentrum genutzt, in dem Ausstellungen, Konzerte und Seminare stattfinden.
Vom Krieg zeugt noch die Ruine der auf dem Hausberg Trebević gelegenen Bob- und Rodelbahn, die einer der Austragungsorte bei den Olympischen Winterspielen 1984 war. Während der Belagerung von Sarajevo wurde die Bahn von Truppen der bosnischen Serben als Artillerieposten genutzt und stark beschädigt. Mittlerweile wurden zwar Munitionsreste geräumt und der die Bahn umgebende wuchernde Wald gestutzt, in Betrieb ging sie jedoch wegen der enormen Sanierungskosten nicht mehr.
Mit einem Spaziergang über die 1300 Meter lange und mit Graffitis reich verzierte Rennstrecke und ein paar Cevapi in der Altstadt beenden wir die Tour durch Bosnien-Herzegowina und reisen am nächsten Morgen nach Albanien weiter.