Eingerahmt von türkisfarbenen Gebirgsseen und traumhaften Mondlandschaften, abgeriegelt von Hindukusch, Karakorum und Tien Shan Gebirge erstreckt sich der Pamir-Highway über die Hochebene. Militär statt Polizei kontrolliert ab jetzt die Pässe an diversen Kontrollpunkten, die sich über Sowjetzeiten hinaus gehalten haben.
An der Schwefelquelle Garm-e-Chasma geht Mohamed baden. Die hohe Wassertemperatur und die Nutzung des Heilwassers für die Körperpflege wie Bartrasur und Zähneputzen durch Einheimische halten uns von einem Bad ab.
Für Frauen und Männer gelten unterschiedliche Badezeiten. Gerade ist die Zeit für die Männer abgelaufen. Damit die Frauen zum Zuge kommen, wirft die für den reibungslosen Ablauf verantwortliche Frau Steine an die Blechumzäunung, die das Badebecken umgibt. Die Steine fliegen, bis der Letzte das Bad verlassen hat. Pech für denjenigen auf der anderen Seite, wenn ein Stein über den Zaun plumpst.
Die Straße verläuft entlang des reißend dahin strömenden Flusses Pandsch, der auch die Grenze zu Afghanistan bildet. Bei Ishkashim verlieren sich die Stromschnellen des Flusses. Auf einer Sandinsel gibt es einen auf unbestimmte Zeit geschlossenen Marktplatz, der, bis die Taliban in Nordafghanistan aktiv wurden, frei zugänglicher Handelsplatz für Tadschiken und Afghanen war und nebenbei Touristen die Möglichkeit für einen visafreien Ausflug nach Afghanistan gab.
Hinter Ishkashim beginnt der Wakhan-Korridor, ein fruchtbares Tal, eingebettet zwischen Pamir und Hindukusch, in dem sich die Flüsse Wachandarja und Pamir zum Pandsch vereinigen.
Auf einem Hügel steht die Festungsruine Kala-KahKaha. Vom höchsten Punkt der Anlage winkt ein Soldat und gibt uns per Handzeichen zu verstehen, dass wir uns rechts und links von ihm bewegen dürfen. Wakhan-Korridor und Afghanistan liegen uns zu Füßen.
Die Nacht verbringen wir in einem heruntergekommenen Zimmer an der Quelle Bibifatima, benannt nach der Tochter des Propheten Mohamed. Obwohl es in den Bergen recht kühl ist, verzichten wir auf ein Bad in dem heißen Wasser: Den Quellen wird eine die Fruchtbarkeit steigernde Kraft zugeschrieben.
Gerädert stehen wir am nächsten Morgen am Auto. Mit dem Härtegrad der Matratzen kann jeder Betonfußboden locker mithalten. In Vrang versuchen wir mit einer kurzen Wanderung zu einer ehemaligen buddhistischen Klosteranlage die Glieder wieder in Form zu bekommen.
Afghanistan ist zum Greifen nah. Feiner Sand und Dünen, wie sie an Ost- und Nordsee nicht schöner sind, haben das Grün des Wakhan-Tales abgelöst. Ein Tadschike stoppt unser Auto: „Euer Bodenblech hängt auf der Straße.“ Während Mohamed mit Stoffstreifen und Zange den Schaden repariert, bummle ich durch den feinen Sand im Niemandsland.
Haarnadelkurven, sehr enge Pisten und Steilhänge geben der Fahrt für einige Kilometer etwas Abenteuerliches. Auf der gegenüberliegenden Seite eines schmalen Flusses grasen Kamele in der kargen Landschaft. Sie gehören Kirgisen, die in Afghanistan leben und dort zu den Ärmsten der Armen gehören.
Ein Checkpoint. Mohamed steckt den beiden Soldaten je eine Zigarette zu. Das beschleunigt die Abfertigung ungemein.
Afghanistan liegt hinter uns. Über das Pamir-Hochland – bunte Berge, wenige schneebedeckte Gipfel – rumpeln wir zum See Bulunkul. Im Dorf am See reiht sich Jeep an Jeep vor den Hütten, deren Familien sich mit dem Bekochen von Touristen etwas Geld verdienen. „Hier gibt es Fisch aus dem See“, lockt Mohamed. In einem Zimmer ausgestattet mit Ofen, Matratzen, Tisch, lädierter Schrankwand und SAT-Receiver setzen wir uns erwartungsvoll an den Tisch. Wir sind zu spät; der Fang des Tages ist bereits gegessen. Nudeln und Kefir müssen unseren Hunger stillen.
Kurz vor der Dämmerung erreichen wir Alichur, eine Siedlung mit Hospital, Schule, Kindergarten und Moschee. Im Homestay werden wir mit Tee und Gebäck, einem bequemen Bett – welch unverhoffte Wohltat nach der letzten Nacht – und Dusche mit Warmwasser empfangen. Als zum Abendessen weder Suppe noch Plov auf dem Tisch stehen, sind wir restlos zufrieden.
Murgab ist der nächste größere Ort am Highway und Mohameds Geburtsort. Seine Eltern laden uns zum Essen ein. Von dem frisch geschlachteten Schaf gibt es die Innereien und Knochen zum Abnagen. Da Mohamed noch eine Weile mit seiner Verwandtschaft beschäftigt ist, bummeln wir derweil über den Basar. Von den in Containern und räderlosen Zugwaggons untergebrachten Läden sind die wenigsten geöffnet. Im Angebot sind meist Melonen und vor allem Klimbim aus China.
Hinter Murgab stoppt uns Verkehrspolizei. Die Sitzauflage aus Holzkugeln auf dem Fahrersitz interessiert die Polizisten sehr. Es dauert, bis Preis, Vor- und Nachteile ausgiebig erörtert sind. Dann geht es endlich weiter zum See Karakul, immer entlang am Grenzzaun zu China.
In über 4000 Meter Höhe liegt der größte See Tadschikistans, der abflusslose Karakul. Am idyllischen See – schneebedeckte Gipfel am Ufer, türkisfarbenes Wasser – steht das gleichnamige Dorf. Natürlich ist der See ein Hotspot für Touristen und die Homestays sind bei unserer Ankunft bereits belegt. Ein Durchgangszimmer, in dem sich bereits ein Mann hin und her wälzt, können wir noch haben.
Marc fragt hartnäckig nach einem privaten Zimmer. Und tatsächlich bekommen wir in einem anderen Haus einen Raum gezeigt, mit dem wir sofort einverstanden sind. Vor der Zimmertür steht zwar der Ofen, auf dem gekocht wird, sauber ist es auch nicht, aber allemal besser als schnarchende Mitschläfer ertragen zu müssen. Nur mit dem Abendessen hadern wir. Es gibt mal wieder Plov. Gut, dass wir in Murgab getrocknete salzige Fische gekauft haben. Sie sind eine Delikatesse.
Das übliche, in Fett ertränkte Spiegelei zum Frühstück bekommen wir nicht mehr runter. Der Spaß am Highway ist verflogen. Nur die unzähligen Murmeltiere erregen noch unsere Aufmerksamkeit.
Die Grenze zwischen Tadschikistan und Kirgistan befindet sich auf dem in 4282 Meter Höhe liegendem Kyzyl-Art-Pass. Auf tadschikischer Seite warten wir eine Weile auf die Abfertigung. Ein Soldat schießt auf Murmeltiere, die aber viel zu flink sind. Erst als er aufgibt, können die Pässe gestempelt werden. Auf kirgisischer Seite werden wir mit einem breiten Silberzahnlächeln empfangen: „Tadschikistan grau, Kirgistan grün. Berlin, Dieter Bohlen, Modern Talking“, sagt der strahlende Grenzer und stimmt die Melodie von Cheri Cheri Lady an.
Nicht ganz am Pamir-Highway, aber auch nicht weit entfernt, gibt es ein Jurtencamp mit Blick auf den Pik Lenin. Wir biegen ab und fahren auf schneebedeckte Berggipfel zu. Inmitten grüner Hügel, bedeckt von Regenwolken und umweht von eisigem Wind liegt das Camp. Der Pik Lenin ist von einer grauen Wolkenwand verhüllt. Als wir am Camp eintreffen, wird sofort eine Jurte mit Kuhmist geheizt. Obwohl der Raum augenblicklich von wohliger Wärme erfüllt ist, legt mir die Gastgeberin besorgt eine Decke über die Schultern.
Am Morgen leuchten die Schneefelder des Pik Lenin in der Sonne. Ein wenig wandern wir dem Berg entgegen, ehe wir nach Osh weiterfahren, dem Endpunkt des Pamir Highway.