Tibet

Begegnest du der Einsamkeit – hab keine Angst! Sie ist eine kostbare Hilfe, mit sich selbst Freundschaft zu schließen.
(Aus Tibet)

Chengdu – Lhasa (Sera-Kloster) – Gyantse – Shigatse – Sakya – Rombuk – Everest Base Camp – Lao Tingri – Nepal

Über Chengdu, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Sichuan, nach Tibet zu reisen, erscheint uns als die sicherste Möglichkeit, ein Permit für die Fahrt auf dem Friendship Highway zu erhalten. Tibet ist ein autonomes Gebiet Chinas und für eine Reise durch das Land wird eine nur über eine Agentur erhältliche Reisegenehmigung benötigt. Die Genehmigung wird sehr kurzfristig ausgestellt, da China des Öfteren und ohne Vorankündigung die Einreise nach Tibet für Touristen untersagt.

Chengdu: PandaHauptstadt der Welt

Wie in allen Städten Chinas fallen auch in Chengdu die alten Viertel dem Bagger zum Opfer. Nur sehr wenige Straßenzüge bleiben erhalten und werden restauriert. Unser Zimmer liegt in einem traditionellen Haus in einer der restaurierten Fußgängerzonen. Unzählige Geschäfte, Bars, Restaurants und Snack-Bars verteilen sich in den wenigen, von Gästen wimmelnden Gassen. Der Geräuschpegel ist selbst nachts entsprechend hoch.

In Chengdu befindet sich das Panda Research Center, ein großer Park mit Bambuswäldern und weitläufigen Gehegen: Die dämmerungsaktiven Pandas liegen völlig regungslos hinter den Umzäunungen. Der Anblick sorgt dafür, dass wir uns bereits nach kurzer Zeit entschleunigt fühlen. Nur die Jungtiere sind mobil und spielen miteinander, kugeln umher, stupsen sich an, erklimmen Bäumchen, um dann tollpatschig wieder herunter zu fallen.

Chengdu-Panda
fressender Panda
Chengdu-Panda
spielende Panda-Kinder
Chengdu-Panda
spielende Panda-Kinder

Den Nachmittag verbringen wir im Wuhou-Tempel, eine Tempelanlage aus dem 4. Jahrhundert und flanieren auf der Jimli Street, einer Fußgängerzone, deren Eingangstor neben der Tempelanlage steht. Dort probieren wir uns durch die schmackhafte chinesische Küche. Nur was wir gegessen haben, werden wir bis auf einige Snacks wohl nie erfahren. Rote-Kartoffel-Eis ist jedenfalls darunter.

Es ist später Nachmittag, langsam werden wir unruhig. Der Flug nach Lhasa ist für morgen früh gebucht. Am Abend können wir endlich aufatmen: Die Genehmigungen sind da. Die Ausreise aus China erfolgt ohne Probleme.

Lhasa: das religiöse Zentrum von Tibet

Der Flughafen von Lhasa liegt 45 Kilometer von der Stadt entfernt. Umgeben von großen Wasserflächen, die viele Kilometer weiter zu Flüssen wie dem Mekong und dem Brahmaputra werden, führt die Straße in das Zentrum. Dort strahlt schon von Weitem der alles überragende Potala Palast in der Sonne.

Lhasa liegt auf 3650 Meter Höhe. Für die bessere Höhenanpassung gehen wir den Nachmittag sehr ruhig an: Eine Rikschafahrt, ein kurzer Bummel durch die Straßen, anschließend widmen wir uns unseren Kopfschmerzen.

Am nächsten Morgen sind wir höhenangepasst. Unweit unseres Hotels steht der Jokhang Tempel, das religiöse Zentrum des tibetischen Buddhismus. Er ist Pilgerziel der Tibeter und so groß ist das Gedränge vor und im Tempel auch. Das Geräusch von reibendem Holz auf den Steinplatten, wenn sich die Gläubigen flach auf den Boden werfen, ist vielfach vor dem Tempel zu hören.

Tibet-Lhasa-Potala-Palast
Potala Palast
Lhasa-Jokhang-Tempel
Betende vor dem Jokhang Tempel
Tibet-Lhasa
Lhasa

Im Tempel herrscht großes Gedränge. Wir schließen uns der Reihe der Pilger an, die sich zur vergoldeten Statue des Jobo Shakyamuni, der meistverehrten Statue in Tibet, schlängelt. Wagt es jemand vorzudrängeln, greifen die anwesenden Polizisten und Mönche hart durch. Ein Baby fällt dabei auf den Boden.

Vom Dach des Tempels gibt es wunderbare Ausblicke auf den 800 Meter langen Pilgerweg, der um den Tempel führt, den Barkhor-Umrundungsweg, den Potala Palast und den Himalaya. Auf dem Dach eines Nachbargebäudes sind Arbeiterinnen zu sehen. Plötzlich unterbrechen sie ihre Arbeit, stellen sich in drei Reihen auf, singen ein kämpferisch klingendes Lied und stampfen dazu mit den Stielen ihrer Arbeitsgeräte auf den Boden, bis sie in einer Staubwolke verschwinden.

An den Hauptstraßen steht verbarrikadiert hinter Sperren chinesisches Militär. Erst in den schmalen winkligen Gassen der Altstadt gibt es keine Wachposten mehr. Häuser aus dicken, weiß getünchten Steinmauern mit traditionellen Flachdächern aus Arga-Lehm stehen hoch gebaut und eng beieinander, sodass die Gassen angenehm schattig sind. Tibeter mit hölzernen Handschützern, die eine Matte vor sich liegen haben, übernehmen gegen einen Obolus das Beten.

Nachmittags fahren wir nach Norbulinka, dem ehemaligen Sommerpalast des Dalai Lama. Er liegt in einem herrlichen Park, in dem sich die Hitze aushalten lässt. Von hier aus floh der Dalai Lama 1959 nach Indien.

Am nächsten Vormittag besuchen wir den Potala Palast, die Winterresidenz des Dalai Lama. Ein sehr bemerkenswertes Bauwerk – 1000 Zimmer, 999 Fenster. Jeder Dalai Lama legt sich einen neuen Thron- und Audienzraum zu, der nach seinem Tod zum Pilgerziel wird. Es sind jedoch nur wenige Räumlichkeiten zugänglich, die wir wegen des Besichtigungszeitlimits von einer Stunde sehr zügig durchlaufen müssen.

Vier Kilometer von Lhasa entfernt liegt das Sera-Kloster. Jeden Tag findet dort ein großes Treffen der Mönche statt, bei dem theologische Fragen diskutiert werden.

Zum Abend sind wir zurück und kehren in eine Joghurtbar ein. Es wird unser einziger Besuch bleiben. Dem angebotenen Yak-Butter-Tee mit seinem salzigen, strengen Geschmack können wir nichts abgewinnen.

Bunte Lichter erhellen den Nachthimmel. Wir folgen dem Schein und stehen vor dem Potala Palast, der in immer neuen Farben leuchtet. 

Tibet-Sommerpalast-des-Dalai-Lama
Sommerpalast des Dalai Lama
Lhasa-Potala-Palast
Potala Palast
Lhasa-Barkhor-Markt
auf dem Barkhor-Markt

Der letzte Tag in Lhasa. Einen Teil davon verbringen wir auf dem Barkhor-Markt und dem Barkhor-Umrundungsweg, auf dem die Pilger dicht gedrängt und im Uhrzeigersinn Runde um Runde laufen (Kora). Die Läden am Weg und auf dem Markt haben sich mit ihrem Angebot auf die Bedürfnisse der Pilger und der Touristen eingestellt. Die Auswahl an tibetischen Souvenirs wie Klangschalen, Buddhafiguren, Gebetsmühlen, typischer Kleidung und Stoffen ist riesig. Ein Pilger kann sich auf seinem rituellen Weg um den Jokhang Tempel mit allem nötigen versorgen.

Pässe und heilige Seen

Nachdem wir das sonnige heiße Lhasa mit Auto und Norbu, einem Guide, auf dem Friendship Highway verlassen haben, beschert uns das Wetter einen Wechsel aus Kälte, Regen und Hitze. Vom Kamba-La Pass blicken wir auf einen der heiligen Seen Tibets, den Yamdrok See, der die Form eines Skorpions hat; vom Kora-La Pass in 5045 Meter Höhe auf die 7000 Meter hohen Gletscher und Berge, von denen sich bei unserer Ankunft die Wolken verziehen. Unser Ziel ist das auf 3950 Meter Höhe gelegene Gyantse.

Die Klöster von Gyantse, Shigatse und Sakya

Gyantse war früher ein wichtiger Handelsposten auf der Route zwischen Indien, Bhutan, Tibet und China. Durch schmale Gassen, vorbei an Kühen, die vor den Häusern angebunden sind, laufen wir in den alten Teil der Stadt zum Kloster Pelikor Chode. Das Klostergelände beherbergt 18 unabhängige kleine Klöster, die zu unterschiedlichen tibetischen Sekten gehören.

Tibet-Gyantse
Gyantse
Tibet-Kloster-Pelikor-Chode
Kloster Pelikor Chode
Kloster-Pelikor-Chode-Kumbum-Stupa
Kumbum-Stupa

Mitten auf dem Gelände steht die 35 Meter hohe, begehbare Kumbum-Stupa. Der Stupa beherbergt 100.000 Buddha Figuren. Steil führen Treppen im Innern nach oben. Als Belohnung für die Mühe gibt es einen fantastischen Blick auf die Berge.

Zwei Stunden von Gyantse entfernt liegt Shigatse, die Heimat der größten Buddha-Statue Tibets im Tashilhumpo Kloster. Etwa 600 Mönche leben im wichtigsten Kloster des Gelupka (Gelbmützen) Ordens. Am Eingang des Klosters werde ich empört abgewiesen. Wegen der Hitze hatte ich mir die Hosenbeine abgezippt und vergessen sie mitzunehmen. Zum Glück liegt am Eingang des Klosters eine Art überdimensionaler Schürze, in die ich mich einwickele.

Hinter dem Kloster zieht sich der von Gebetsmühlen gesäumte Pilgerweg den Berg hinauf. Wir folgen den Pilgern, die die Gebetsmühlen ständig in Bewegung halten und dabei Mantras beten. Der Weg wird zum Geröllpfad, die Pilger weniger, statt Gebetsmühlen wehen Gebetsflaggen im Wind. Ab jetzt sind wir alleine unterwegs.

Von Shigatse reisen wir weiter nach Sakya, vorbei an bunten Bergen und kleinen Dörfern. In einem Dorf – exakt 5000 Kilometer von Schanghai entfernt – tanzen und singen Bauern, um für eine gute Ernte zu bitten.

Shigatse-Tibet
Blick auf Shigatse vom Pilgerweg
Tibet-Kloster-Sakya-Gompa
Kloster Sakya Gompa
Tibet-Kloster-Sakya-Gompa
Kloster Sakya Gompa

In Sakya steht natürlich auch ein Kloster, das Sakya Gompa. Das Kloster besteht aus zwei Teilen mit mehreren Gebäuden und ähnelt einer Festung, die durch einen Fluss getrennt ist. Während auf der Seite des Flusses, an dem die festungsähnlichen Gebäude stehen, viele Touristen unterwegs sind, macht sich kaum jemand die Mühe, auf die andere Seite des Flusses zu gehen. So können wir uns dort in aller Ruhe umsehen. Ein Mönch schließt uns die Tür zur frisch renovierten Haupthalle auf. Von draußen dringt das Gemurmel der Mönche in den stillen Raum. Wir genießen das Tibetgefühl.

Abseits vom Friendship Highway

Auf zum Mount Everest Base-Camp. Zur Einstimmung auf die Höhe queren wir zwei auf 5100 Meter gelegene Pässe. Spektakulär an den Pässen ist jedoch nur die Lage auf großer Höhe. Da wir über eine Hochebene fahren, fehlt das Hochgebirgsgefühl. Das ändert sich erst bei der Fahrt über unendliche Serpentinen am letzten Pass des Tages.

Wir verlassen den befestigten Friendship Highway, auf dem wir bisher unterwegs waren. Eine unbefestigte Straße führt durch kleine tibetanische Bauerndörfer, der chinesische Einfluss verschwindet zusehends. Am Nachmittag erreichen wir das auf 5200 Meter Höhe gelegene Mount-Everest-Basecamp: eine Enttäuschung. Das Base-Camp ist ein chinesischer Armeevorposten mit einem Geröllhügel, auf den man klettern kann, um die Wolken, die den Mount Everest verhüllen, zu bewundern. Es ist das alte Base-Camp, das vor einiger Zeit in Richtung Mount Everest verlegt und neu aufgebaut wurde. Für einen Besuch des neuen Base-Camps fehlt uns jedoch die Erlaubnis der chinesischen Behörden.

Tibet-Friendship-Highway
Auf einem Pass
Rombuk-Kloster-Tibet
Rombuk
Rombuk-Kloster-Tibet
Rombuk

Als wir gehen wollen, bricht unverhofft die Wolkendecke auf und die Spitze des Mount Everest lugt aus den Wolken hervor. Ein fantastischer Anblick, an dem wir uns abends an unserem Gästehaus, das am Rombuk Kloster auf 4980 Meter Höhe liegt und das höchstgelegene Kloster der Welt ist, noch einmal erfreuen. Allerdings macht uns die Höhe auch wieder zu schaffen.

In den Dschungel

Wegen der Kopfschmerzen kann ich nicht schlafen. Müde starte ich am nächsten Tag zur letzten Etappe in Tibet: Zhangmu, die Grenze zu Nepal. Unser Fahrer wählt nicht den direkten Weg zurück zum Friendship Highway, sondern fährt quer durch das Land, auf Wegen, die gerade so breit sind wie das Auto und wo es an so mancher Stelle sehr steil bergab geht.

Yakherden ziehen durch die Landschaft, an kleinen Anbauflächen, die der Natur abgetrotzt wurden, stehen die schwarzen Zelte der Bauern: Wir lernen den Himalaya neu kennen.

Ab Old Tingri geht es auf dem Friendship Highway weiter. Die Straße führt stetig bergab, bei jedem Halt sind wir sofort von bettelnden Kindern umringt.

Vor Zhangmu verändert sich die Landschaft schlagartig. Dschungel umgibt uns, Regen und Wolken hüllen uns ein. Umrahmt von vertikal in den Himmel ragenden Bergwänden und an rauschenden Wasserfällen vorbei gelangen wir immer tiefer ins Tal. Zhangmu liegt auf 2300 Meter Höhe und ist ein typischer Grenzort. Von der Hauptstraße aus ist die Straße nach Kathmandu auf der anderen Talseite zu erkennen. Zwischen Tibet und Nepal liegt nur ein schmaler Taleinschnitt, verbunden durch die Brücke der Freundschaft.

Nach Nepal

Um stundenlange Wartezeiten am Grenzübergang zu vermeiden, stehen wir bereits zwei Stunden vor der Öffnung davor. Wir sind nicht die Ersten. Die chinesischen Grenzer kommen pünktlich, öffnen die Türen jedoch erst viel später. Zuerst wird das Gepäck durch einen Scanner geschickt, anschließend wird von allen Reisenden jedes Gepäckstück von Hand durchsucht. Bücher werden Seite für Seite durchgeblättert, auf der Suche nach einem Foto vom Dalai Lama. Unsicherheit macht sich in mir breit: „Ist im Reiseführer ein Bild vom Dalai Lama?“ Die Spannung steigt. Das zustimmende Nicken des Beamten löst die Anspannung. Ich darf weiter gehen. Norbu winkt uns zum nächsten Schalter. Die Grenzer sprechen kein Wort Englisch und so darf er uns bis zum Verlassen des Grenzgebäudes begleiten. Über die Brücke der Freundschaft laufen wir nach Nepal.

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