Paraguay

Egal wo wir hingehen, unser Leben ist das gleiche.
(Sprichwort der Guarani aus Paraguay)

Reisejahr 2015

Asuncion – Filadelfia – Asuncion – Ciudad del Este – Iguaçu-Wasserfälle (Brasilien) – Encarnación – Posadas – Iguaçu-Wasserfälle (Argentinien) – Uruguay

Eingebettet in einen dichten grünen Teppich liegt Asunción unter uns. Am Flughafen werde ich zünftig von Jonathan mit Chipa Guasu (Gebäck aus Maismehl, Käse, Eiern, Anis) und Tereré (Yerba Mate Tee) empfangen: In einem speziellen Becher (Guampa) befindet sich Yerba, die mit gekühltem Wasser aus der Thermoskanne begossen und mit einem metallenen Trinkrohr (Bombilla), das am unteren Ende eine Art Sieb hat, getrunken wird.

Für den Abend sind wir bei Carmelo und Saida zum Essen eingeladen. Die beiden wohnen mit ihren Söhnen in einem kleinen Haus (1 Zimmer, Küche, Bad). Auf dem Grundstück steht ebenfalls das Häuschen der Großmutter.

Der Empfang ist sehr herzlich. Die Großmutter hat Sopa Paraguaya (eine Art Maisbrot) gebacken, Carmelo und Saida Empanadas (Teigtaschen mit unterschiedlichen Füllungen) gekauft. In gemütlicher Runde am Küchentisch gibt es etliche Fragen zum Leben in Paraguay und in Deutschland zu beantworten, wir lachen viel und verabschieden uns nach drei interessanten Stunden.

Asunción, die „Grüne Stadt“

Asunción gehört dank vieler Parks und Gärten weltweit zu den „grünsten“ Hauptstädten. Die Straßen ziehen sich leicht hügelig durch die Stadt, vorbei an vielen, langsam verfallenen Häusern, die zum Teil Fassaden aus der Kolonialzeit haben.

Die Osterwoche hat begonnen, viele Leute sind in der Kirche und verbringen den Tag anschließend in der Familie. Ruhig geht es auch auf dem sonst lebhaften Pettirossi-Markt zu. Von den Tausenden Ständen in den unzähligen Gassen, wie die Schuhstraßen, das Obst- und Gemüseviertel, die alte Fleischhalle, Textil- und Gewürzhallen haben die meisten geschlossen.

Nur vor dem populärsten Treffpunkt der Stadt, der Lido Bar, hat sich eine Warteschlange gebildet. Unentwegt stellt das Personal neue Tische und Stühle auf den Gehweg. Der Vorrat an Sitzgelegenheiten scheint unerschöpflich, für Fußgänger wird es indes eng auf dem Bürgersteig. Dafür braucht niemand lange nach einem Platz anstehen.

Nach dem Genuss eines kühlen Getränks bummeln wir am Präsidentenpalast vorbei zum Rio Paraguay und schlendern über die belebte Uferpromenade. Unweit des Spazierweges ist die Favela Chacarita. Wir machen einen Schlenker in Richtung Favela. „Geht da nicht rein.“ Ein in seinem Lkw vor sich hindösender Mann krabbelt hinter dem Lenkrad hervor. Der Geruch von Marihuana strömt uns entgegen und wir beschließen, dem Ratschlag zu folgen.

Hafen am Rio Paraguay
Hafen am Rio Paraguay
Favela Chacarita vor den Hochhäusern der Stadt in Paraguay
Favela Chacarita vor den Hochhäusern der Stadt

In einem der problematischsten Viertel, dem Tablada Nueva, besuchen wir zwei Kinderheime: Im Heim “Hogar Juan Pablo II” leben Mädchen und Jungen, die teilweise mit HIV infiziert sind und von ihren Eltern ausgesetzt wurden. Im Heim „San Vicente“ wohnen ausschließlich Jungen, die aus schwierigen Verhältnissen stammen. Das Heim hat zwei Säle, einen Hof, Küche und Bad. Empfangen werden wir von fröhlich lärmenden Kindern und einer gutmütig blickenden, älteren Betreuerin. Sie hat 48 Stunden Dienst, kocht, wäscht Wäsche nebenbei und wirkt doch ruhig und gelassen.

Bevor wir am nächsten Tag mit dem Überlandbus ins Chaco weiter reisen, besichtigen wir die Iglesia de la Trinidad. In deren Nachbarschaft befindet sich die Ruine des Einkaufszentrums, das 2004 durch ein Feuer, bei dem über 400 Menschen ums Leben kamen, zerstört wurde: Die Eigentümer hatten nach Ausbruch des Feuers die Türen versperren lassen, damit niemand mit noch unbezahlter Ware das Gebäude verlassen konnte.

Regierungspalast
Regierungspalast
Asuncion-Iglesia-de-la-Trinidad-Paraguay
Iglesia de la Trinidad

Beim Warten auf den Bus, der uns in das Stadtzentrum zurückbringen soll, benötigen wir diesmal viel Geduld. Die Busse verkehren ohne Fahrplan, einen Liniennetzplan gibt es auch nicht, ein- und ausgestiegen wird an jedem beliebigen Punkt. Fährt man lange genug mit dem Bus, kann man in der Zeit seinen Einkauf erledigen: Fliegende Händler bieten neben Haushaltswaren und Zahnbürsten alles an, was im Alltag gebraucht wird.

Filadelfia: Zentrum der Mennoniten in Paraguay

Mit dem Überlandbus reisen wir weiter nach Filadelfia. Für die 487 Kilometer lange Strecke benötigt er auf der Transchaco – die einzige asphaltierte Straße in den Nordwesten – sieben Stunden. Als wir die Stadt erreichen, ist es bereits dunkel. Der Busbahnhof liegt abseits der einzigen befestigten Straße an einer Lagerhalle. Ein paar Pick-up-Taxis warten auf Fahrgäste, aber da es eine Straßenbeleuchtung gibt, laufen wir zum Hotel.

Filadelfia ist das Zentrum von Fernheim, einer der größten mennonitischen Siedlungen in Paraguay. Eine Schülerin auf dem Fahrrad will uns überholen. „Darf ich bitte vorbei?“, fragt sie im besten Deutsch: Die Mennoniten sprechen zu Hause Plattdeutsch und in der Öffentlichkeit Hochdeutsch. Im einzigen Supermarkt der Stadt sind die Waren auf Deutsch und Spanisch ausgeschildert. Allerdings sind die Preise sehr hoch: Ein 250-Gramm-Glas Nutella kostet 10 Euro. Aber es gibt Schwarzbrot. Die Chance dem üblichen Weißbrot kurzzeitig zu entkommen, lassen wir nicht ungenutzt. Leider ist das Brot unter seiner dunklen Kruste hell und fade.

Außer dem Koloniehaus und dem ehemaligen Schulgebäude, in dem eine Ausstellung zur Geschichte von Fernheim untergebracht ist, gibt es in der Stadt jedoch nichts zu besichtigen.

Wegweiser nach Gnadenheim
Wegweiser nach Gnadenheim
Koloniehaus in Filadelfia in Paraguay
Koloniehaus

In der Nacht hat der Starkregen die Straßen zu Schlammpisten werden lassen, in denen meine Flip-Flops immer wieder stecken bleiben. Aber die Autofahrer beweisen Geduld und warten jedes Mal, bis ich meine Schuhe wieder an den Füßen habe. Erst als wir aus der Stadt hinaus und hinein ins Chaco laufen, habe ich wieder festen Boden unter den Sohlen.

Überall grünt es und die Florettseidenbäume tragen rosa Blüten. Der Baum wird wegen seines dicken, mit spitzen Stacheln besetzten Stammes, der als Wasserspeicher für die Trockenzeit dient, auch „betrunkener Baum“ genannt. Im Chacokrieg (1932-1935) zwischen Bolivien und Paraguay um Gebietsstreitigkeiten diente der Stamm der Bäume als Schießstand.

Transchaco in Paraguay
Transchaco
Florettseidenbaum (Trunkener Baum)
Florettseidenbaum (Trunkener Baum)

Wir verlassen Filadelfia wieder, um nach Asunción zurückzufahren. Der Bus schaukelt und kippelt. Durch den Regen scheinen die Löcher in der Transchaco tiefer geworden zu sein.

Wegen der nicht regulierbaren Klimaanlage im Bus erreichen wir völlig durchgefroren Asunción. Am nächsten Morgen geht es weiter Richtung Osten, nach Ciudad del Este.

Die Straße ist sehr gut ausgebaut, die Landschaft saftig grün, die Häuser haben, im Gegensatz zu den zusammengenagelten Brettern, aus denen die Hütten im Chaco bestehen, massive Wände.

Ciudad del Este: Stadt der Schmuggler und Tor zu den Iguaçu-Wasserfällen

Ciudad del Este ist bekannt für seine vielen Einkaufsmärkte und ambulanten Händler. Ein großer Teil des Handels beruht auf Schmuggel und dem Verkauf gefälschter Markenartikel. Bei unserer Ankunft am Nachmittag sind alle Läden bereits geschlossen. Es ist Gründonnerstag: ein Feiertag.

Früh am Morgen machen wir uns auf zur brasilianischen Seite der Iguaçu-Wasserfälle. Über die Brücke der Freundschaft bringt uns ein Bus nach Foz do Iguaçu in Brasilien. Von dort ein weiterer in den Nationalpark.

Soweit das Auge reicht, stürzt der Fluss Iguaçu in Hunderten von Kaskaden rauschend in die Tiefe. Ein 600 Meter langer Steg führt direkt unterhalb des Teufelsschlund genannten Hauptwasserfalls entlang. Tosend stürzen seine Wassermassen aus 85 Metern Höhe über eine steile Felswand hinab. Eine Wolke aus Wassertropfen hüllt uns ein und nimmt uns die Sicht.

Iguaçu-Wasserfälle in Brasilien
Iguaçu-Wasserfälle
Iguaçu-Wasserfälle in Brasilien
Iguaçu-Wasserfälle

Auf dem Rückweg laufen wir über die Brücke der Freundschaft. Während die brasilianische Seite schon von Weitem an der unübersehbaren Flagge zu erkennen ist, grüßen am Ufer von Paraguay riesige Werbetafeln.

Ciudad del Este wirkt wie ausgestorben. Es ist Karfreitag und selbst die Supermärkte haben geschlossen. Von den immer präsenten Fliegenden Händlern mit ihren Chipas ist ebenfalls weit und breit nichts zu sehen.

Berlin-Laden in Ciudad del Este in Paraguay
Ciudad del Este
Ciudad del Este in Paraguay
Einkaufszentren in in Ciudad del Este

Wenigstens Bustickets für die Weiterfahrt am nächsten Tag nach Encarnación wollen wir noch kaufen. Aber auch am Terminal haben – bis auf eine Ausnahme – alle Verkaufsstellen geschlossen. Als wir an dem geöffneten Schalter Tickets erwerben wollen, erfahren wir, dass keine verkauft werden, da unklar ist, ob der Bus überhaupt fahren wird. Auch die für den Nachmittag geplante Tour zum Itaipu Staudamm fällt dem Karfreitag zum Opfer.

Hungrig machen wir uns auf den Weg zum Hostel. Wir trauen unseren Augen kaum, als wir tatsächlich an einer geöffneten Eisdiele vorbei kommen. Mit einer Riesenportion Gefrorenem können wir den größten Hunger stillen.

Den nächsten Vormittag nutzen wir zu einem Bummel über die wieder geöffneten Märkte. Da wir nicht in Erfahrung bringen können, wann ein Bus fährt, gehen wir gegen Mittag auf gut Glück zum Terminal. Als wir dort ankommen, will gerade ein Bus nach Encarnación abfahren. „Beeilt euch!“, ruft der Fahrer und lässt uns noch einsteigen.

Encarnación: Stadt des Karnevals

Im Bus ist es lausig kalt. Trotz dickem Pullover kommen wir nach 6 Stunden Fahrt durchgefroren in Encarnación an. In der Churrascaria (Restaurant, in dem es vor allem gegrilltes Fleisch gibt), in die wir abends gehen, ist es ebenso kalt.

Umso stickiger ist die Nacht. Es regnet stark und durch die Decke platschen unaufhörlich Wassertropfen auf mein Bett und die in einer dicken Plastikfolie steckende Matratze.

Müde machen wir uns am nächsten Tag auf zu den Ruinen der ehemaligen Jesuitenmission La Santísima Trinidad de Paraná. Glockenturm, Sakristei, Taufbecken sowie Wohngebäude sind gut erhalten und lassen das 17. Jahrhundert und den Versuch der Jesuiten, das indigene Volk der Guarani zum christlichen Glauben zu bekehren, aufleben.

Jesuitenmission La Santísima Trinidad de Paraná
Jesuitenmission La Santísima Trinidad de Paraná
Über den Rio Parana nach Argentinien
Über den Rio Parana nach Argentinien

Encarnación befindet sich am Río Paraná, auf dessen gegenüberliegender Seite die argentinische Stadt Posadas liegt: unser Ziel. Der Bus nach Argentinien hält praktischerweise direkt vorm Hostel. Auf der Grenzbrücke bleibt er jedoch im Stau stecken. Wir steigen aus und laufen nach Argentinien.

Über Argentinien nach Uruguay

Die Einreise verläuft völlig entspannt. In aller Ruhe holt die Beamtin den Einreisestempel aus ihrer Handtasche, zirkelt im Pass genau den Platz für den Stempel aus – fertig.

Ein Bus bringt uns zum Busbahnhof von Posadas. Dort sitzen wir vorerst fest. Uns fehlen die argentinischen Pesos für eine Weiterfahrt. In Argentinien gibt es nur wenige ATM, an denen man mit der Kreditkarte Geld abheben kann. Bei einem Schwarzgeldhändler tauschen wir unsere restlichen Guarani gegen Pesos. Das Geld reicht denkbar knapp, um in die City zu gelangen.

Posadas ist Ausgangspunkt, um nach einer fünfstündigen Busfahrt nach Puerto Iguaçu, der argentinischen Seite der Iguaçu-Wasserfälle zu gelangen. Dort gibt es drei Rundwege, die sich in unterschiedlichen Höhen durch das Grün ziehen. Immer wieder verändern sich die Eindrücke und Bilder. Fast vergessen wir beim Bewundern der Regenbögen, die in der Teufelsschlucht leuchten und den überall herabstürzenden Wassermassen die rechtzeitige Rückkehr zum Bus.

Iguaçu-Wasserfälle in Argentinien
Iguaçu-Wasserfälle
Iguaçu-Wasserfälle in Argentinien
Iguaçu-Wasserfälle

Vor dem Stadtbummel durch Posada – Strandpromenade, Kathedrale und Regierungspalast – versuchen wir eine Unterkunft bei Gauchos in Uruguay zu finden. Recherchieren. Telefonieren. Glück haben wir keines. Entweder es geht keiner ans Telefon oder die Gästezimmer sind belegt. Auf eine Anfrage per Internet folgt keine Antwort. Wir schminken uns den Trip, der eigentlich der Höhepunkt in Uruguay werden sollte, ab.

Dennoch lassen wir uns nicht von einer Tour durch das Land abbringen und nehmen den Nachtbus nach Concordia, der argentinischen Grenzstadt zu Uruguay. Während wir müde im Wartesaal sitzen und über eine Reiseroute nachdenken, erreicht uns die Nachricht, dass auf einer der anvisierten Estanzias doch noch Platz für uns sei. Glücklich darüber sehen wir der Weiterreise gelassen entgegen.

So richtig entspannt wird die Fahrt aber nicht. Der Bus hat zwar breite, superbequeme Sitze, deren Lehnen sich weit zurückstellen lassen, aber die Füße des hinter uns Sitzenden riechen sehr unangenehm.

Am frühen Vormittag kommen wir in Concordia an. Der Bus nach Salto (Grenzstadt in Uruguay) fährt drei Stunden später; Zeit für einen Bummel über die „Costanera“, die Uferpromenade am Rio Uruguay.

Nach Salto ist es eine dreiviertelstündige Busfahrt. An der Grenze gibt es für die Ausreise aus Argentinien und die Einreise nach Uruguay nur einen einzigen Stempel. Leicht irritiert fragen wir nach. Aber alles hat seine Richtigkeit.

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