Turkmenistan

Gib einen Rat mit großem Bedacht und denke daran, dass ein Tag kommen kann, an dem du selbst einen guten Rat gebrauchen kannst.
(Aus Turkmenistan )

Reisejahr 2017

Aschgabad – Krater von DerwezeTadschikistanPamir-Highway – Kirgistan

Das Flugzeug steuert auf einen fliegenden Falken zu: das Terminal des Flughafens von Aschgabat, der Hauptstadt von Turkmenistan.

Turkmenistan gilt als das Nordkorea Zentralasiens. Dank erheblicher Erdöl- und Erdgasvorkommen sowie einem blühenden Drogenhandel – Turkmenistan liegt auf der Handelsroute von Afghanistan nach Russland – entwickelte sich unter seinem ersten Präsidenten Saparmurad Nijasow ein Personenkult, der dem der Kims in Nordkorea ebenbürtig war.

Er ließ sich auf Lebenszeit wählen und „Der Große Turkmenbaschi“ (Vater aller Turkmenen) nennen. Monatsnamen und Wochentage wurden umbenannt (der Januar in Turkmenbaschi, der April nach seiner Mutter, der Sonnabend in Tag des Geistes) und auch die Hafenstadt Krasnowodsk erhielt seinen Namen. Theater, Kino und Zirkus wurden verboten, ebenso das Tragen von Goldzähnen, da Nijasow ein unversehrtes Gebiss hatte. Alle Krankenhäuser außerhalb der Hauptstadt ließ er schließen, da „Turkmenen nie krank“ würden. Gas und Salz gab es kostenlos für alle Haushalte. Für sein Volk verfasste er die „Ruhnama“, ein bibelartiges Buch, in dem Turkmenbaschi und seine Familie verherrlicht werden. Das Werk wurde zum Lerninhalt in Schulen, Universitäten und für die Führerscheinprüfung. 2004 begrenzte er die Schulzeit auf acht Jahre, Fremdsprachen und Naturwissenschaften wurden fast vollständig aus den Lehrplänen gestrichen.

2006, nach Nijasows Tod durch einen Herzinfarkt, folgte ihm sein Zahnarzt und Gesundheitsminister Gurbanguly Berdimuhamedow ins Präsidentenamt. Krankenhäuser, Theater, Zirkus, Kino wurden wieder eröffnet, die Schulzeit verlängert, die Lehrpläne überarbeitet, Monatsnamen rückbenannt, Drogenhandel und -konsum scharf verfolgt.

Nachtrag: Seit März 2022 ist sein Sohn Serdar Berdimuhamedow Präsident der Republik Turkmenistan.

Weiße Stadt Aschgabat

Aschgabat hat weltweit die größte Konzentration von Gebäuden aus weißem Marmor, riesige Parks und Grünanlagen mit unzähligen sprudelnden Fontänen, goldene Statuen und Reliefs von Turkmenbaschi sowie seinem Nachfolger und amtierenden Präsidenten Gurbanguly Berdimuhamedow.

40 Grad Celsius zeigt das Thermometer: ein normaler Sommertag in Turkmenistan. Im alten Teil der Stadt stehen im Schatten großer Bäume Häuser mit zwei bis drei Etagen. In den Höfen drängen sich gewaltige Satellitenschüsseln.

Der neuere Teil dagegen ist gleißend hell. Breite Prachtstraßen, deren Mittelstreifen mit Grün und Blumen bepflanzt sind, mit weißem Marmor gebaute Monumentalbauten und ausgedehnte Parks mit unzähligen Wasserspielen leuchten in der Sonne. Telefonzellen und Bushaltestellen sind dem Baustil angepasst. Für die kalten Winter gibt es in den neueren Haltestellen abgetrennte Bereiche mit Heizung.

Turkmenbashi-Denkmal in Turkmenistan
Turkmenbashi-Denkmal
Personenkult in Aschgabat

Unter einem Baum sitzt eine alte Frau und verkauft Obst aus dem Garten. Geschickt wie eine Hütchenspielerin packt sie mir faule Birnen unter die gut aussehenden. Die kosten dann auch gleich ein Vermögen – das Reiselehrgeld ist bezahlt.

Die Karl-Liebknecht-Straße entlang geht’s zum Independence Square, einer riesigen, sich in die Länge ziehenden Grünfläche mit Fontänen, gesäumt von Ministerien und dem Turkmenbaschi-Palast. Unheimlich wirkt die Einsamkeit der leeren Raumkilometer. Sie ist jedoch die Gelegenheit für Fotos von Ministerien und Palast, die nicht aufgenommen werden dürfen.

Die Kamera ist wieder in der Hosentasche verschwunden, da entdecke ich zwei Uniformierte, die mich beobachten. Dem ersten Schreck folgt Erleichterung. Es sind Verkehrspolizisten und diese dürfen ausschließlich Autos anhalten, keine Fußgänger. Trotzdem drehe ich lieber um.

Ein Mann in Zivil kommt auf mich zu. Anspannung liegt in seinem Blick und seinen Gesten. Ich soll mein Handy zeigen. Während ich es entsperre, versucht er einen Blick darauf zu werfen. Ich bedeute ihm, dass ihn die PIN nichts angeht. Er geht sofort zurück und die Situation entspannt sich etwas. Kaum hält er das Handy in der Hand, bekommt er offensichtlich die Anweisung meinen Fotoapparat zu überprüfen. Ich gebe ihm den aus der Hosentasche. Hastig geht er die Bilder durch. Außer den eben geschossenen Fotos müssen auch Bilder von Parkanlagen gelöscht werden. „Warum?“, frage ich. Dort seien im Hintergrund Dächer von Ministerien – die Stadt scheint nur aus Ministerien zu bestehen – zu sehen, so die Antwort. Zum Glück weiß er nichts von meiner zweiten Kamera im Rucksack.

„No Foto, no Foto“, wiederholt er besorgt und will Name und Alter von mir wissen. Sicherheitshalber irre ich mich bei den Angaben etwas und mache mich dezent davon, als er die Daten in sein Handy eingibt.

Ausflug zur Kov Ata Höhle

Marc kommt erst in zwei Tagen und um die Zwischenzeit zu nutzen, lasse ich mich – zu meinem Leidwesen gibt es keine öffentlichen Verbindungen – zu der als Sehenswürdigkeit gepriesenen Kov Ata Höhle fahren.

Die Straße aus der Stadt ist sechsspurig ausgebaut; Baumwollfelder, Weingärten und neu gebaute Appartementhäuser säumen sie. Die Kosten für eine Wohnung sind erschwinglich: 35.000 USD für 150 Quadratmeter, bei 10 Prozent Anzahlung und Raten, die über 30 Jahre verteilt gezahlt werden müssen.

An der zweitgrößten Moschee des Landes, die Turkmenbaschi bauen ließ, nachdem er an einer Hadj nach Mekka teilgenommen hatte, biegen wir für einen Abstecher zu einer Pferdefarm, auf der Achal-Tekkiner gezüchtet werden, ab. Achal-Tekkiner gehören zu den ältesten Pferderassen der Welt und zieren das Wappen Turkmenistans. In China waren sie als Himmelspferde bekannt und chinesische Kaiser führten Kriege, um die zum Teil wie Gold glänzenden Tiere in ihren Besitz zu bekommen.

Zweitgrößte Moschee von Turkmenistan
Achal-Tekkiner in Turkmenistan
Achal-Tekkiner

Ob ich reiten will, werde ich gefragt. Ich zögere etwas, aber einen Ritt in die Wüste bei diesen Temperaturen wage ich nicht. Der Besitzer ist leicht gekränkt. Als er hört, dass ich in der Mongolei auf einem mongolischen Pferd geritten bin, ist er noch verstimmter: „Mongolische Pferde sind wie schwere russische Wagen. Achal-Tekke-Pferde sind wie Sportwagen.“

40 Kilometer sind es noch bis zur Kov Ata Höhle. Warum die Grotte so eine Attraktion ist, bleibt mir verschlossen. Die Fledermäuse, die in der Höhle leben sollen, sind Tauben, ein See mit schwefelhaltigem Wasser liegt farblos in 70 Meter Tiefe. An seinem Ufer sitzen nur wenige Badelustige. Die weiblichen Badegäste tragen lange Kleider, zwei junge Mädchen kleiderartige Bikinis. Allesamt bewundern einen Mann, der sich zwei Schwimmstöße weit auf den See hinaus wagt.

Vor der Höhle ist eine Hochzeitsgesellschaft vorgefahren. Nach Musik aus dem Kassettenrekorder tanzen die Gäste. Die Braut steht eingepackt im traditionellen langen Hochzeitsmantel, der über Kopf und Gesicht gezogen wird, daneben. Eine Hochzeit wird noch traditionell begangen: Die Eltern des Bräutigams richten die Feier aus, an der 300 bis 600 Gäste teilnehmen. Dafür verlässt die Braut ihr Elternhaus und folgt dem Mann überallhin. Nur der jüngste Sohn bleibt bei den Eltern und lebt mit seiner Familie bei ihnen.

Aschgabat und Umgebung

Marc kommt morgens an, und da wir Auto und Fahrer zur Verfügung haben, nutzen wir die kühleren Vormittagsstunden für eine Tour zum Stadtrand Aschgabats, zur Festung Nissa und zur Turkmenbaschi Ruhy Moschee.

Vom Hochzeitspalast – sechs turkmenische Sterne, die einen würfelförmigen Bau umgeben – blicken wir über den südwestlichen Stadtrand. Entlang der Berge, die gleichzeitig die Grenze zum Iran bilden, werden marmorne Hochhäuser hochgezogen, mit 100 000 USD teuren, 150 bis 200 Quadratmeter großen Wohnungen, die über 30 Jahre mit einem Billigkredit abgezahlt werden. Dazwischen entstehen großzügige Einfamilienhäuser.  

Denkmal des Präsidenten mit Hochzeitspalast im Hintergrund in Turkmenistan
Denkmal des Präsidenten mit Hochzeitspalast im Hintergrund
Häuser aus weißem Marmor

Ministerien wie das Teppichministerium, das Ministerium für Fairness, das von einer Weltkugel gekrönte Außenministerium und Verwaltungsgebäude säumen die breiten Straßen. Wie viele Ministerien es gibt, wissen selbst die Turkmenen nicht: „Viele“ ist die Antwort, die wir mit einem Lachen bekommen.

Auf dem Weg zur Turkmenbaschi Ruhy Moschee stehen die Mauern der Festungsruine Nissa. Schnellen Schrittes eilen wir hindurch. Sehr zum Leidwesen eines Archäologen, der, sehr erfreut über unseren Besuch, zu längeren Ausführungen über die Anlage ansetzen will.

Die 2004 eröffnete Turkmenbaschi Ruhy Moschee in Kyptschak, dem Geburtsort von Turkmenbaschi, ist die größte Moschee in Zentralasien. Vier 91 Meter hohe Minarette umgeben sie, eine vergoldete, 50 Meter hohe Kuppel bedeckt sie. In einer Tiefgarage finden rund 100 Busse und 400 Autos Platz. Zwanzigtausend Gläubige können auf handgefertigten turkmenischen Gebetsmatten und einem riesigen, achtseitigen Teppich beten. Die Wände sind mit Inschriften aus dem Koran und der Ruhnama, Nijasows „Bibel“ verziert, die er so dem Koran gleichstellen wollte.  

Turkmenbashi-Ruhy-Moschee in Turkmenistan
Turkmenbashi-Ruhy-Moschee
Turkmenbaschi-Mausoleum in Turkmenistan
Turkmenbaschi-Mausoleum

Neben der Moschee ließ Turkmenbaschi zeitgleich ein Mausoleum für sich und seine Familie errichten. Dort ruht er seit 2006 in einem Sarkophag, umgeben von seiner Mutter und den zwei Brüdern, die während des Erdbebens 1948 wie rund zehn Prozent der damaligen Bevölkerung Turkmenistans ums Leben kamen.

Vor der Moschee lümmelt ein Soldat gelangweilt herum, vor dem Mausoleum stehen zwei Soldaten in Paradeuniform Wache. Während fotografieren in der Moschee möglich ist, muss ich die Kamera vor dem Mausoleum abgeben.

Der Krater von Derweze – das Tor zur Hölle

Unser Turkmenistan-Highlight soll neben der Hauptstadt der Krater von Derweze sein: In der Wüste Karakum brach 1971 bei der Suche nach Gasvorkommen der Boden unter einer Bohrplattform zusammen und ein etwa 20 Meter tiefer und mehr als 60 Meter breiter Krater entstand, aus dem giftiges Methangas strömte. Das Gas wurde angezündet in der Hoffnung, dass der Brand ein paar Tage später erloschen sein würde. 

Das „Tor zur Hölle“, wie die Einheimischen den Krater nennen, liegt nur dreieinhalb Fahrstunden von Aschgabat entfernt. Wir haben noch genug Zeit, um am Vormittag den Teil des Nationalmuseums zu besuchen, in dem die Geschenke an den jetzigen Präsidenten ausgestellt sowie seine Allroundfähigkeiten dokumentiert sind. Schließlich führte er im onkologischen Zentrum – als Zahnarzt – die erste Krebsoperation durch. Selbstverständlich beherrscht er alle Nationalsportarten als potenzieller Titelaspirant und Treffen mit ausländischen Regierungen fanden und finden nur auf Wunsch der Länder statt. So auch mit Khors Kheler (Horst Köhler).   

Bevor wir das „Tor zur Hölle“ erreichen, müssen wir durch die extrem trockene Wüste Karakum. In einem typischen Dorf mit einfachen Lehmhütten, Jurten, Dromedaren und viel Metallschrott halten wir, um Getränke zu kaufen. Von dort geht es auf holprigen Fahrspuren an zwei weniger attraktiven Kratern – in einem blubbert Wasser, im anderen blubbert Schlamm – vorbei nach Derweze.

Dorf-in-der-Karakum-Turkmenistan
Kamelherde in einem Dorf
Ein Kamel steht vor einem Schrotthaufen im Wind

Unzählige Flammen und eine große Fackel lodern im „Tor zur Hölle“. Die Überreste eines Kabels hängen zwischen dem Gestein. Unweit des Kraters bastelt Ata, unser Fahrer, einen Grill und legt Paprika, Tomaten und Auberginen darauf. Farblich sieht das sehr schön aus. Was dann auf dem Teller landet ist – schwarz. Die Hähnchenteile dagegen gelingen und schmecken köstlich. Mit dem roten Feuerschein im Hintergrund haben wir ein romantisches Crater-Light-Dinner.

Paprika, Tomaten und Auberginen landen auf dem Grill
Krater-von-Derweze-Turkmenistan
Krater von Derweze
Stadtbummel in Aschgabat 

Zurück in Aschgabat setzen wir unseren für den Ausflug in die Wüste unterbrochenen Stadtbummel fort. Im Wechsel nutzen wir Bus und Auto, die bei einer stoppenden Handbewegung sofort halten.

Nachdem wir gestern das Nationalmuseum mit den Geschenken des amtierenden Präsidenten besuchten, soll es heute der Palast des Wissens mit einer Sammlung der Geschenke des ersten Präsidenten Saparmurat Nijazov (Turkmenbaschi) sein. Der Komplex, zu dem die Ausstellung gehört, besteht aus drei Gebäuden. Eines davon ist die Nationalbibliothek, mehr Hinweise gibt es nicht. Wir fragen eine Studentin. Sie ist sich sicher, dass es keine Sammlung gibt. Ein Haus beherberge die Bibliothek, eines ein Konservatorium und über das Dritte wüsste sie nichts, aber auf keinen Fall gäbe es dort etwas zu besichtigen.

Wir gehen in das Gebäude, dessen Räumlichkeiten keiner kennt und stehen im Palast des Wissens. Die Räume sind dunkel, Hinweise in Englisch gibt es nicht. Von der aufwendigen Präsentation der im Nationalmuseum gezeigten Geschenke ist diese Ausstellung weit entfernt. Einzig die Imagebilder der beiden Präsidenten sind identisch – mit weißem Hemd im Feld bei der Ernte, auf einem steigenden Ross sitzend …

Blick über einen Park zum Außenministerium
Bogen der Neutralität in Turkmenistan
Bogen der Neutralität

Unweit des Palastes des Wissens steht der ehemalige Mittelpunkt der Stadt, der „Bogen der Neutralität“, den der jetzige Präsident Berdimuhamedow Anfang 2010 abmontieren und am südwestlichen Stadtrand neu aufbauen ließ. Der Bogen mit Turmaufbau ist von einer vergoldeten Turkmenbaschi-Statue gekrönt, die sich mit erhobenen Armen stets der Sonne zugewandt, um sich selbst dreht. Präsident Berdimuhamedow dagegen präsentiert sich nicht weit entfernt hoch zu Ross in die Zukunft galoppierend und mit 24-karätigem Gold überzogen, auf einem gewaltigen Felsen aus weißem Marmor.

In Weiß und Gold glänzt auch das Denkmal zum 25. Jahrestag der Unabhängigkeit Turkmenistans, gesäumt von Heldenfiguren aus Turkmenistans Geschichte. Eine Hochzeitsgesellschaft tanzt davor zu Musik aus dem Rekorder. Als sie uns sehen, legen sie noch eine extra Runde ein.

Indoorriesenrad
Flughafen Aschgabat

Zwischen all den Helden und dem Personenkult soll der Spaß nicht zu kurz kommen: Das größte Indoorriesenrad der Welt steht am Stadtrand. Wir sind die einzigen Gäste, zahlen 3 Manat (75 Cent) für jeden und genießen den weiten Blick über die Stadt.

Am Nachmittag brechen wir zum „Flughafen im Stil des fliegenden Falken“ auf, um nach Duschanbe, der Hauptstadt Tadschikistans, zu fliegen.

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