Wer lacht, hat viele Freunde, wer weint, ist alleine.
(Aus Nordkorea
Reisejahr 2013
Mit dem Zug von der Mongolei über China nach Nordkorea und zurück nach China.
Pjöngjang (Arirang Mass Games) – Kumgang-Gebirge – Wonsan – Mount Kuwol – Nampo – Pjöngjang – Kaesong – Panmunjeom – Pjöngjang und ein Resümee
Der rot-weiße Schriftzug auf dem Flieger der Fluggesellschaft von Nordkorea Air Koryo erinnert sehr an die Flugzeuge der DDR-Fluggesellschaft Interflug. „Wie passend“, denke ich und erwarte mit Spannung den Abflug.
Als wir die Grenze zu Nordkorea überfliegen, teilt eine Stewardess im besten Englisch den Grenzüberflug mit, das auf den Bildschirmen laufende Konzert des Militärorchesters wird unterbrochen und ein Bild von Kim Jong Un gezeigt. Nach zwei Stunden Flug setzt der Flieger auf der inmitten von Feldern liegenden Landebahn auf und rollt über eine Brücke, vorbei an in Reih und Glied stehenden Kampffliegern bis zum Terminal.
„Handy?“, fragt im barschen Ton der Einreisebeamte. Ich schüttele den Kopf. Das Handy ist mit dem restlichen Gepäck in Beijing geblieben. Die befürchtete Frage nach Kameras und Brennweiten der Objektive stellt er nicht.
Unterwegs im Minibus der Marke Sieg
Da wir zu zweit unterwegs sind, erwarten uns auch zwei junge Frauen (Ahri 21 Jahre alt und Jihe 25 Jahre alt) am Eingang zum Flughafen. Während wir mit bequemen Sachen bekleidet reisen, stehen die beiden mit Absatzschuhen, Rock, Bluse und frisch geschminkt da und werden auch bis zum letzten Tag kein anderes Outfit tragen.
Das Besucherprogramm startet sofort. In einem bequemen Minibus der in Nordkorea hergestellten Marke Sieg fahren wir zu einem Gelände, auf dem sich Künstlerateliers befinden, von denen wir zwei besuchen und den Künstlern über die Schulter schauen. Zum Kauf eines der in einer Galerie ausgestellten Werke können wir uns jedoch nicht entschließen.
Auf dem Ateliergelände steht ein Reiterdenkmal. Gruppenweise treten Nordkoreaner an das Denkmal heran, stellen große Blumengebinde ab und gehen wieder.
Die Straßen in Pjöngjang sind breit und von großen Wohnblöcken gesäumt, die zum überwiegenden Teil ziemlich ramponiert aussehen. Regen, fehlende Fassaden und die hohe Luftfeuchtigkeit setzen den Häusern sichtbar zu. In den Straßen wimmelt es von Schulklassen und Militär. Endlose Reihen von Frauen in traditionellen Kleidern und Männern in Anzügen strömen aus allen Richtungen einem Treffpunkt zu. Aus einem Bus heraus winken Soldaten mit verstohlenen Gesten zu uns herüber.
Gegen Abend kommen wir am Hotel an. Das Hotel Yanggakdo – 46 Stockwerke mit Drehrestaurant in der obersten Etage – liegt auf einer Halbinsel im Fluss Taedong. In der 21. Etage beziehen wir ein Zimmer mit schönem Ausblick über die Stadt. Abends ist von der Spitze der Insel das Feuerwerk, das zu den Arirang Mass Games gezündet wird, als einziges Licht in der Stadt zu sehen.
Im Zoo
Der nächste Tag ist dem Siegestag des “Großen vaterländischen Befreiungskriegs” gewidmet. Das Hotel ist voll mit Medienleuten aus aller Welt und die Fahrstühle derart überlastet, dass wir mit Verspätung unsere Tour starten. Über die breiten leeren Straßen fahren wir zum Zoo. Dort bekommen wir zusätzlich zu unseren beiden Begleiterinnen eine ältere Frau an die Seite gestellt.
Wortreich die Tierwelt erklärend begleitet sie uns durch die weitläufige Anlage. Ein paar Kinder stehen vor dem Elefantengehege, ansonsten sind kaum Besucher zu sehen. Auf einer Wiese wartet ein Pony auf Reiter. An den Hundekäfigen hängt ein Schild „Die Tiere wurden überreicht vom großen Führer Kim Jong-il am 3. Dezember, Juche 97 (2008)“. Juche ist die von Staatsgründer Kim Il-sung entworfene Leitideologie mit einem eigenen Kalender, der mit dem Geburtsjahr Kims 1912 (Juche 1) beginnt.
In einer Halle sind Töpfe mit roten Blumen zu einem Altar aufgebaut. Ein Japaner hat diese Begonien-Hybriden für Kim Jong-il gezüchtet und sie Kimjongilia genannt.
Die Sonne scheint, mobile Stände locken mit Eis. „Wollt ihr Eis essen?“, fragt Jihe. Wir nicken. Es gibt sogar eine kleine Auswahl an Gefrorenem. Während wir noch überlegen, welches Eis wir nehmen, grübelt die Verkäuferin über den Preis. Da Ausländer nur in Euro, Dollar bzw. Yuan bezahlen dürfen, nennt sie eine über den Daumen gepeilte Summe. Wir haben jedoch keine Centstücke im Portemonnaie. Daraufhin laden uns Ahri und Jihe zum Eis ein. Es ist uns sehr unangenehm, aber sie lassen sich nicht davon abbringen.
Plötzlich tauchen zwei weitere Leute auf, die sich in gleichbleibender Entfernung zu uns bewegen. Jetzt haben wir fünf Begleiter. Das wird langsam ein bisschen viel und wir verlassen den Zoo.
Feierlichkeiten zum Siegestag des “Großen vaterländischen Befreiungskriegs”
In den gegenüberliegenden Botanischen Garten kommen keine zusätzlichen Begleiter mit. Da es dort keine Schattenspender gibt, verlassen wir ihn gleich wieder.
Am Himmel kreisen Hubschrauber mit Spruchbändern, eine Formation Kampfflieger ist auf dem Weg zur Militärparade. Auch wir wollen dorthin. Kurz vor dem Ziel wird der Programmpunkt jedoch mit der Begründung abgesagt, das die Wartezeit bis zum Beginn der Parade zu lang sei.
In den Straßen wimmelt es von festlich gekleideten Leuten. Vor allem junge Pioniere in weißen Hemden und mit rotem Halstuch sind unterwegs oder sitzen auf den Wegen und warten. Viele Straßen sind gesperrt und unser Fahrer hat Mühe, einen Weg zum Hotel zu finden. Vorteil für uns. Wir sehen Ecken von Pjöngjang, die in keinem Besuchsprogramm vorgesehen sind.
Für den Nachmittag steht ein Besuch des Kim Il-sung Green House auf dem Plan, um eine nur an Feiertagen geöffnete Ausstellung anzusehen. Eingebettet in unzählige Kimjongilia und Kimilsungia (benannt nach Kim Jong-il und Kim Il-sung) werden auf zwei Etagen Episoden aus der revolutionären Vergangenheit des Landes sowie der Entwicklungsstand der Gegenwart dargestellt.
Im Kontakt mit den Einwohnern
Wir fragen unsere Begleiterinnen, ob wir mit Nordkoreanern gemeinsam in der Metro fahren können. Was wir für unmöglich gehalten haben, wird tatsächlich ermöglicht. Die Kontrolleurin an der Rolltreppe zum U-Bahnsteig will uns zwar nicht vorbei lassen, aber Jihe überzeugt sie von der Richtigkeit unseres Anliegens.
100 Meter in die Tiefe führt die Rolltreppe, leichter Modergeruch kommt uns entgegen. Der Bahnhof ist geschmückt mit Kronleuchtern und Gemälden, in der Mitte des Bahnsteigs stehen Ständer, an denen die neuesten Zeitungsnachrichten befestigt sind.
Die Züge sind aus Berlin stammende und in den 90ern ausrangierte Wagen. Wir steigen ein in den proppenvollen Zug. Sofort springen drei Leute auf und bieten uns einen Platz an. „Setzt euch. Das ist bei uns so üblich. Für Alte, Kinder und Gäste stehen wir auf.“
Von der U-Bahn spazieren wir zu den Überresten der alten Stadtmauer. Im Park an der Mauer tanzt eine kleine Gruppe von Frauen und Männern, wie in einigen Ländern Asiens üblich, zu klassischer Musik. Sie laden uns zum Mitmachen ein. Leider haben wir nicht genügend Zeit. Wir kehren zu einem schnellen Abendessenstopp ins Hotel zurück und fahren kurze Zeit später zu den Arirang Mass Games.
Im Kumgang Gebirge
Die nächsten zwei Tage verbringen wir im sieben Stunden von Pjöngjang entfernten Kumgang Gebirge. Hinter der Stadtgrenze werden die Straßen zu Betonplattenpisten. Rechts und links wachsen auf jedem bebaubaren Fleckchen Mais und Reis. Dazwischen stehen kleine Dörfer mit alten traditionellen Bauernhäusern und Kleinstädte mit fünfgeschossigen Wohnhäusern.
Eine Straßensperre. „Die Ostfront“, meint Ahri. Die Papiere sind schnell kontrolliert. Kurz darauf sammeln wir den überall vorgeschriebenen lokalen Reisebegleiter ein und beginnen die Wanderung in das Gebirge.
Hinweisschilder „Fotografieren erlaubt“ stehen am Wegesrand. Aus den Felsen wachsen Kiefern, dazwischen tauchen Schriftzüge mit Losungen aus dem Koreakrieg auf. Die Flüsse haben Trinkwasserqualität: Wir genießen das frische Wasser und die Wanderung.
Im Hotel scheinen wir die einzigen Gäste zu sein. Die Zimmer sind zweckmäßig eingerichtet; es gibt Warmwasser und ein gutes Abendessen.
Nach einem ausgiebigen Frühstück brechen wir auf zu einem idyllisch gelegenen See im Gebirge. Eine dicht bewachsene Insel liegt mitten im Wasser, über einem schmalen Felsen thront auf Holzpfählen ein kleiner Tempel. Der Blick über den großen See reicht bis zum Koreanischen Meer, unserem nächsten Halt vor der Rückkehr nach Pjöngjang.
Abstecher zum Baden im Koreanischen Meer
Auf den Dorfstraßen kommen uns Lastwagen mit Kohlevergaser entgegen; am Straßenrand grasen neben Ziegen und Rindern auch Schweine.
Eigentlich ist der Stopp am Meer nur für einen Blick darauf gedacht. Sonne, Wasser und Strand laden jedoch zum Baden ein. Vereinzelt sitzen Familien im Sand; eine Absperrung für Touristen gibt es nicht.
„Wir möchten zu gerne baden gehen“, drängen wir unsere Begleiterinnen. Zögernd greift Jihe zum Telefon und erhält tatsächlich die Erlaubnis, uns baden gehen zu lassen. „Ihr müsst 10 Euro dafür bezahlen und ins Revolutionsmuseum können wir dann auch nicht mehr gehen.“ Wir zahlen sehr gerne und drehen ein paar Runden im herrlich klaren Wasser.
Die Universität in Wonsan und der Tempel von König Tongmyong
Vom Strand fahren wir zur Universität für Agrarwissenschaften in Wonsan. Am Eingang der Hochschule hängt ein Bild, das wie ein Fahndungsfoto aussieht. Abgebildet sind die Frisuren, die Studentinnen und Studenten zu tragen haben. Vor dem Hauptgebäude steht eine uralte Kiefer, vor der sich der ewige Präsident einst fotografieren ließ. Ein rotes Dreieck markiert die Fläche, auf der er stand.
Die Universitätsgebäude liegen in einem schattigen Park mit Sitzgelegenheiten für die Studenten zum Lernen. Dem von Kim Jong-il gesponserten Gewächshaus, das vollständig computergesteuert und innen keimfrei sein soll, dürfen wir uns wegen Reinigungsarbeiten nicht nähern.
Der letzte Halt des Tages ist am Mausoleum von König Tongmyong. Stufen führen zum Eingang der Tempelanlage. Ein begrünter Grabhügel, bewacht von des Königs steinernen Beamten, liegt in der Mitte des Areals.
In der Nähe des Tempels steht inmitten von Reisfeldern das Kloster Chongrŭngsa. Früher beteten hier die Beamten für die Gesundheit des Königs. Einen Mönch gibt es auch heute noch dort.
Tagesausflug: Berg Kuwol, Tempelanlagen und West Sea Barrage
Am nächsten Tag geht es zum Mt. Kuwol. Vor der Abfahrt muss das Mittagspicknick aus einem Restaurant abgeholt werden. Das für uns bestimmte Essen hat jedoch eine Reisegruppe mitgenommen. Wir müssen warten und nutzen die Gelegenheit, um uns ein wenig umzusehen. Ahri und Jihe sind wenig begeistert davon, lassen uns aber gewähren.
Das Restaurant befindet sich eingeklemmt zwischen Hochhäusern in einem grün gestrichenen Betonklotz. Auf einer kleinen Fläche vor dem Lokal überspannen blau-weiß gestreifte Markisen, Tische und Stühle. Leute gehen vorbei, werfen einen kurzen Blick auf uns und eilen weiter.
Recht bald hinter Pjöngjang verlassen wir die feste Straße und fahren über breite Feldwege, die weniger holprig als die Hauptstraße sind. Bauern gehen mit Sicheln gegen das am Straßenrand wachsende Unkraut vor, in ihren Gärten haben sie Mais angebaut, der bis an die Häuser wächst und ihnen ein Zubrot auf dem Markt bringt.
Wir erreichen einen Wasserfall. Die lokale Begleiterin ist noch nicht da und so picknicken wir erst einmal. Schon nach den ersten Bissen steht eine ehemalige Soldatin, die am Bau des Wasserfalls mitgearbeitet hat, am Tisch. „Der Wasserfall entspricht in Höhe und Breite den Geburtstagen unseres ewigen Präsidenten Kim Il-sung und unseres ewigen Generalsekretärs Kim Jong-il“, erzählt sie stolz. Angelegt wurde er, nachdem Kim Il-sung beschlossen hatte, dass das Wasser zum Volk fließen soll. Zum Abschied verspricht sie uns in die Hand, weitere 18 Jahre hart für die Juche Ideologie zu arbeiten.
Die Natur lockt; wir wollen wandern. Nachdem wir ein wenig auf unsere Begleiterinnen einreden, geben sie dem Wunsch nach. Schon nach wenigen Metern hält uns ein Soldat an. „Wohin wollt ihr?“, fragt er im barschen Ton.“ Zu einem nicht weit entfernten Tempel“ antwortet Jihe. „Der Weg ist zu weit, fahrt mit dem Auto“, die Gesichtszüge des Soldaten verhärten. Jihe lässt sich nicht einschüchtern und setzt sich durch.
Maisfelder säumen die Straße. Ein Lastwagen kommt uns entgegen. Auf der Ladefläche sitzen Bauern, die schnell ihre Handys zücken und uns lachend fotografieren.
Zweifel befallen Ahri und Jihe. Sie waren noch nie in der Gegend gewesen und von einem Tempel ist nichts zu sehen. Endlich taucht ein Hinweisschild auf. 250 Meter später stehen wir vor einer kleinen Tempelanlage. Davor sitzen Familien in mehreren Kreisen beieinander, picknicken, lachen und winken. Wir besichtigen die Anlage. Einen lokalen Begleiter gibt es hier nicht. Das ist unüblich und unsere Begleiterinnen werden unruhig.
Sie fragen nach. Als sie erfahren, dass wir falsch sind, eilen sie sofort zurück zur Straße. Nur ein paar Minuten später kommt wieder ein Abzweig mit einem Hinweisschild. Jetzt sind wir richtig.
Verärgert kommt uns der Fahrer mit dem Auto entgegen. Er hat gewartet und gesucht. Die letzten Meter bis zum Tempel sollen wir einsteigen. Erleichtert fallen unsere Begleiterinnen in die Autositze.
„Wir möchten die restlichen Meter bis zum Tempel laufen“, bitten wir. „Das geht nicht, das dürft ihr nicht“, ist die Antwort. Wir zögern. Ehe wir jedoch einsteigen können, steht Ari wieder vor dem Auto und wandert mit.
Der Tempel ist einer der ältesten des Landes. Natürlich gibt es auch hier eine lokale Begleiterin. Und natürlich informiert sie uns zuerst darüber, wann Kim Il-sung und Kim Jong-il zu Besuch waren und die gute Erhaltung der Tempel gelobt hätten. Anschließend erzählt sie über die 1000-jährige Geschichte der Anlage.
West Sea Barrage in Nampo
Über Nampo fahren wir zurück nach Pjöngjang. An der West Sea Barrage legen wir eine Pause zum Eisessen ein und sehen einem Schiff beim Schleusen zu. Die West Sea Barrage ist ein acht Kilometer langer Damm mit 36 Schleusen und drei Schiffspassagen, der das Westmeer vom Taedong Fluss trennt.
Am Staudamm gibt es ein Informationszentrum, in dem wir durch ein im militärischen Ton gehaltenes Video über das von Kim Il-sung entworfene Bauwerk, den Bau und seine Helden informiert werden: Der Staudamm wurde 1986 (Juche 75) von der nordkoreanischen Armee innerhalb von fünf Jahren gebaut.
Hinter Nampo beginnt eine zehnspurige Autobahn aus holprigen Betonplatten. Kurz vor Pjöngjang teilt ein Mittelstreifen die Fahrspuren: Eine Hälfte der Autobahn ist asphaltiert, die andere Hälfte gesperrt.