Der Ausgangspunkt für die großartigsten Unternehmungen liegt oft in kaum wahrnehmbaren Gelegenheiten.
(Demosthenes, antiker Staatsmann und Redner aus Griechenland)
Reisejahr 2023
Monodendri (Vikos-Schlucht) – Sirako und Kalarites – Kastraki (Meteora-Klöster) – Vergina
Im Nordwesten Griechenlands, in der Provinz Epirus, befinden sich vor der traumhaften Kulisse des Pindos-Gebirges die traditionellen Dörfer der Zagoria. Jahrhundertealte Eselpfade, Steinwege und imposante Bogenbrücken verbinden die malerisch in den Hügeln liegenden Orte.
Monodendri
Eines der bekanntesten Dörfer ist Monodendri. Mit Schieferplatten gedeckte Herrenhäuser aus weißem Naturstein stehen an schmalen, gepflasterten Gassen mit quer laufenden Steinen, an denen die Hufe der Maultiere Halt finden. Alle Wege im Dorf führen zum zentralen Platz, in dessen Mitte sich eine jahrhundertealte Platane befindet. Umgeben ist sie von Tavernen, einer Kirche und dem Kafenion, ein traditionelles griechisches Kaffeehaus.
Nur ein paar Gehminuten vom Dorfzentrum entfernt klebt das Kloster Agios Paraskevi in 800 Metern Höhe wie ein Adlerhorst an einem steilen Abhang über dem Boden der Vikos-Schlucht.
Am Kloster beginnt ein Pfad, auf dem einst Mönche zu den in den Felsen liegenden Einsiedeleien wanderten und auf dem trotz des Warnschildes „Begehen auf eigene Gefahr!“ viele Besucher unterwegs sind.
Bereits nach wenigen Metern sind wir jedoch nur noch zu zweit. Schmal und ungesichert führt der Weg nun direkt an der Steilkante und unter Felsüberhängen entlang, bis er an ein paar ausgesetzten Steinstufen endet. Oberhalb der Steigung geht es weiter. Plötzlich versperrt eine Mauer mit einer Tür den Pfad. Die Pforte ist geöffnet und nach ein paar Schritten erreichen wir die ersten Wohnhöhlen. Leider bricht der Weg hier ab und nach einem imposanten Blick in das tief unter uns liegende Tal und die Einsiedeleien in den Felsen kehren wir um.
Wandern durch die Vikos-Schlucht
Am nächsten Tag genießen wir, obwohl es schon November ist, unser Frühstück in der warmen Morgensonne auf dem Balkon und beobachten die langsam aus der Vikos-Schlucht aufsteigenden Nebel.
Die Schlucht gilt laut Guinnessbuch der Rekorde als die tiefste der Welt. Über eine Länge von knapp zehn Kilometern schlängelt sie sich durch die Berge von Monodendri bis zur Ortschaft Vikos. Der Weg ist Teil des Epirus Trail, eine 370 Kilometer lange Wanderroute durch die gleichnamige Region.
Während wir am Vortag beim Spaziergang zu den Einsiedlerhöhlen in luftiger Höhe über der Schlucht unterwegs waren, wollen wir heute über den Talboden wandern. Über Stufen und nasses Laub geht der Pfad durch lichtes Gehölz abwärts bis zum trockenen Flussbett des Vikos.
Dort markiert ein roter Pfeil die Richtung durch das von schroff aufragenden Bergen umgebene Tal. Auf einem schmalen Pfad wandern wir entlang abschüssiger, mit Seilen gesicherter Passagen, über kurze Kletterabschnitte und durch märchenhafte Wälder, in denen Bäume und Felsen rundum mit Moos bewachsen sind.
Sechs Stunden und einen steilen Aufstieg später erreichen wir das auf einem Bergrücken liegende Dorf Vikos. Zu unserer großen Freude wartet dort bereits ein Taxifahrer auf Kundschaft. Über den Preis für die Fahrt nach Monodendri sind wir uns schnell einig. „Aber trinkt und esst erst einmal etwas, bevor wir losfahren“, rät er. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und kehren in einem gemütlichen Gasthaus ein.
Die Bogenbrücken der Epirus-Region
Bekannt ist die Epirus-Region neben den traditionellen Dörfern auch für ihre Steinbogenbrücken, von denen sich die sehenswertesten im und um den Ort Kipi befinden.
Besonders eindrucksvoll ist die Kokkoris-Brücke, die zwischen zwei steil aufragenden Felswänden das trockene, im Winter jedoch viel Wasser führende Flussbett überspannt. Die aus zwei großen und einem kleinen Bogen bestehende und mit Moos bewachsene Mylos-Brücke hingegen spiegelt sich in den Wasserlachen eines Flusses, während die Plakidas-Brücke mit ihren drei Bögen als das Wahrzeichen der Zagori-Region gilt.
Allen Brücken gemein ist, dass sich auf den Übergängen die Pflasterung der Steinwege wiederfindet, während die Brückenbögen mit Steinplatten, die wie Drachenschuppen aufrecht stehen, gesichert wurden.
Die traditionellen Bergdörfer der Zagoria
Brücken und Wege verbinden auch die Bergdörfer Dilofo und Koukouli. In ihren schmalen Sträßchen ist kein Platz für Autos, geparkt wird vor dem Ort. Gepflasterte Gassen, Häuser aus Naturstein und eine herrliche Stille machen die Siedlungen zu einer Oase der Ruhe und Erholung.
Das letzte Bergdorf, das wir besuchen, ist Vradeto, das höchstgelegene der Zagoria. Erst seit den 1970er-Jahren ist es durch eine ausgebaute Straße mit der Außenwelt verbunden. Bis dahin waren der einzige Zugang zum Dorf die „Stufen von Vradeto“, ein aus Steinen gebauter Pfad mit 1100 Stufen, der sich an einer Felsseite der Vikos-Schlucht in 39 Kurven vom Talboden hinauf auf den Bergkamm windet.
Der Einstieg zu dem spektakulären Wanderweg befindet sich in der Nähe des Bergdorfes Kapesovo. Die Stufen laufen sich komfortabler als erwartet und schon nach einer Stunde erreichen wir Vradeto. Obwohl die Saison vorbei ist, finden wir noch eine geöffnete Taverne, stärken uns bei einem Imbiss und eilen, um vor Einbruch der Dunkelheit am Auto anzukommen, wieder zurück.
Unterwegs in das Bergdorf Sirako
Sirako liegt auf der anderen Seite des Pindos-Gebirges und so fahren wir am nächsten Morgen auf endlosen Serpentinen ins Tal und wieder in die Berge. Gesäumt werden die Straßen von Kirchen im Miniaturformat. Manche von ihnen bestehen lediglich aus schlichten Kästchen mit einem Kreuz, andere wiederum sind regelrechte kleine Kunstwerke. Früher dienten sie Bauern als Möglichkeit, während der Feldarbeit regelmäßig beten zu können. Heute stellen sie Angehörige von Unfallopfern oder auch Leute, die einen Unfall überlebt haben, auf.
Bevor wir Sirako erreichen, machen wir noch einen Abstecher zum Kloster Kipina. Die Abtei, deren Fassade mit den Felsen, in die sie hineingebaut wurde, verschmilzt, klebt an einem senkrecht abfallenden Hang. In den 1212 erbauten Komplex gelangt man über eine winzige Zugbrücke. Allerdings finden im Kloster gerade Sanierungsarbeiten statt, sodass wir von den Fresken und dem wertvollen Inventar kaum etwas zu sehen bekommen.
Sirako und Kalarites
Sirako ist das größte aus Naturstein gebaute Dorf Griechenlands. Die auf Felsen errichteten Häuser stehen an engen, gepflasterten Gassen, die sich steil und abschüssig am Hang entlangwinden. Während im Sommer 1500 Leute das Dorf bevölkern – zumeist Griechen aus Ioannina, die hier ein Sommerhaus besitzen -, halten im Spätherbst nur noch 15 Personen die Stellung. Erst zu Beginn der Wintersaison füllt sich der Ort wieder mit Leben.
Wie ausgestorben liegt auch das durch eine tiefe Schlucht von Sirako getrennte Partnerdorf Kalarites inmitten der einzigartigen Landschaft. Der fünf Kilometer lange Weg durch das Tal verläuft kurvenreich und an steilen Abhängen entlang über Steintreppen, Felsen, nasses Laub und schmale Wasserläufe hinab zum wild sprudelnden Fluss Chroussias. Eine Brücke aus Metallplatten und moosbedeckten Stufen verbindet die Ufer.
Auf der anderen Seite ist der Weg mit einem Geländer gesichert. Steil geht es aufwärts, bis wir Kalarites erreichen. Auch hier sind die Fensterläden der meisten Häuser und die Türen der Tavernen verschlossen. Hungrig und ratlos stehen wir in der Dorfmitte.
Aus einem Kafenion dringen Geräusche auf die Straße. Vorsichtig drücken wir die Klinke der Eingangstür herunter und stehen in einem ehemaligen Gemischtwarenladen. Die Regalbretter biegen sich unter Lebensmittelvorräten, Vogelgezwitscher erfüllt den Gastraum. Der Eigentümer Napoleon begrüßt uns mit Handschlag. „Kannst du uns eine Mahlzeit zubereiten?“, fragen wir ihn. Er nickt, schlurft zum Tresen und holt Zettel und Stift. „Rind oder Schwein?“, will er wissen. Als wir uns entschieden haben, geht er gemächlich in die Küche und serviert bereits nach dreißig Minuten ein schmackhaftes Essen. So gestärkt legen wir den Rückweg in Rekordzeit zurück.
Die schwebenden Klöster von Meteora
46 Kilometer Luftlinie von Sirako entfernt, befinden sich in der Region Thessalien die Klöster von Meteora. Drei Stunden benötigen wir für die bergige Stecke bis Kastraki, einem von bis zu 600 Meter hohen Felsgruppen und Felsnadeln umgebenen Ort, auf dem die Klöster und Klosterruinen stehen.
Für Jahrhunderte waren die Abteien Rückzugsort von Christen im Osmanischen Reich. Mehr als 1000 Mönche verloren beim Erklimmen der Felsen über Strickleitern ihr Leben.
Heute haben die sechs noch bewohnten Monasterien Treppenzugänge und können mit Bus und Auto angefahren werden. Bereits nach dem Besuch des ersten Klosters stellen wir fest, dass sie zwar herrliche Ausblicke auf die Landschaft bieten, ihnen aber jegliche spirituelle Atmosphäre fehlt.
Im Kloster St. Nikolaos wird die innere Einkehr von den ratternden Schlaggeräuschen eines Presslufthammers begleitet, durch die Klöster Rousanou, Varlaam und St. Stephan strömen lauthals parlierende Reisegruppen, Handys klingeln, es wird telefoniert. Vor dem Kloster Metamorphosis parken so lange Blechlawinen aus Reisebussen und Pkw, dass wir freiwillig auf den Besuch verzichten.
Eine Ausnahme von all dem Trubel bildet das Kloster der Heiligen Dreifaltigkeit. Die aus dem James-Bond-Film „In tödlicher Mission“ bekannte Abtei wird durch ein Tal von der Straße getrennt.
Den beschwerlichen Weg hinab und über Treppen hinauf auf die Felsenklippe machen sich nicht allzu viele Besucher. In der Klosterkirche mit ihren gut erhaltenen Fresken tauchen wir dann auch ein in die spirituelle Welt der Mönche.
Weit entfernt vom touristischen Getümmel und abseits eines ausgebauten Fahrweges befindet sich das Kloster Ypapanti. Über einen Talweg und durch dichten Wald gelangen wir an den steil aufragenden Felsen, in den das Kloster hineingebaut wurde. Die Abtei ist zwar restauriert, aber unbewohnt und so stehen wir vor verschlossener Tür.
Einen eindrucksvollen Blick auf den Komplex erhält man jedoch vom gegenüberliegenden Hügel, auf dem sich auch die Statue von Papa Thymios Vlachavas, einem der wichtigsten vorrevolutionären Helden Griechenlands, befindet.
Zur Dämmerung sind wir zurück am Auto und kurven noch für den viel gepriesenen Sonnenuntergang zu einem Felsen mit Panoramablick, der zwischen den Klöstern Rousanou und Heilige Dreifaltigkeit liegt. Das auf der Klippe herrschende Gedränge ist uns jedoch zu stressig und wir kehren wieder um.
Vergina: am Grab von Philipp II
Den letzten Urlaubstag nutzen wir für einen Abstecher nach Vergina, die Hauptstadt des ehemaligen Königreiches Makedonien. Dort befindet sich unter einem Grabhügel neben weiteren königlichen Ruhestätten die Gruft von Philipp II dem Vater von Alexander dem Großen, sowie ein Museum.
Für die richtige Stimmung im Grabhügel sorgt die schwache Beleuchtung, die keinen Zweifel daran lässt, dass wir unter der Erde sind. Zum Königsgrab führt eine Holztreppe. Eine Glasscheibe trennt Besucher von dem mit Säulen und Malereien gestalteten Eingang zu den Grabkammern. Die goldenen Schreine, die die Gebeine der Verstorbenen enthalten, sind neben einem Eichenkranz, kostbarem Schmuck, einer mit Gold geschmückten Rüstung, Waffen und weiteren Objekten in den Vitrinen ausgestellt.
Von Vergina aus fahren wir zurück nach Thessaloniki, dem heutigen wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum der Region Makedonien und beenden den Urlaub bei griechischem Wein in einer der vielen Tavernen.