Sachsen-Anhalt

Wer de Schprache vun seine Heemte nich ehrt, der is de Luft derheeme nich wert.
(Aus „Bunt mank enander“ von Georg Müller, Sachsen-Anhalt)

Brocken
Kalimandscharo
Wernigerode
Quedlinburg

Brocken

1.141 Meter über dem Meeresspiegel, rund 300 Nebeltage im Jahr. Das Klima auf dem waldfreien Gipfel: subarktisch. Natürlich haben auch wir uns einen dieser 300 Nebeltage ausgesucht. Denn was wäre ein Aufstieg auf den sagenumwobenen Brocken, den höchsten Berg Norddeutschlands, ohne das passende Wetterdrama?

Munter marschieren wir los, begleitet von der Ilse, die nebenher plätschert, während Tafeln mit Zitaten aus Heinrich Heines „Harzreise“ für literarische Unterhaltung sorgen. Anfangs liest man noch neugierig, doch bald ist man zu sehr damit beschäftigt, die Feuchtigkeit in der Kleidung zu ignorieren. Der Nebel erledigt den Rest: Sichtweite zehn Meter, Motivation ähnlich.

Die letzten zwei Kilometer gönnt sich der Brocken ein sadistisches Finale: ein steiler Anstieg auf Betonplatten. Ein Relikt aus der Zeit, als sich auf dem Gelände die ehemalige innerdeutsche Mauer entlang zog und Abhör-Equipment den Berg raufgekarrt wurde.

Eine Hinweistafel verheißt: „Kleiner Brocken“. Wir sehen: nichts. Selbst der 123 Meter hohe Sendemast bleibt unsichtbar. Missgestimmt stapfen wir weiter, bis sich der Nebel kurz lüftet. Und da steht er: der Mast, so unvermittelt und nah, dass man fast geneigt ist, ihn zu umarmen.

Erlösung gibt’s beim Brockenwirt, wo eine deftige Suppe die Lebensgeister zurückruft. Danach noch schnell ins Museum und über das in weiße Watte verpackte Plateau. Heinrich Heine soll 1824 in das Gipfelbuch geschrieben haben: „Viele Steine, müde Beine, Aussicht keine, Heinrich Heine.“ Dieses Zitat wurde ihm jedoch nur angedichtet – wobei die Tour mit diesen Worten trefflich beschrieben ist.

Brockenbahn
Brockenbahn
Blick-vom-Brocken-auf-die-Brockenbahn
Blick vom Brocken
Auf-dem-Brocken
Auf dem Brocken

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Kalimandscharo

Sachsen-Anhalt hat nicht nur den Brocken, nein, auch zwischen Magdeburg und der Ostsee ragt ein Berg empor, der mit stolzen 200 Metern Höhe alle Maulwurfshügel des Landes in den Schatten stellt.

Doch handelt es sich nicht um irgendeinen Berg, sondern um ein Exemplar der ganz besonderen Sorte: den Salzberg des Kaliwerkes Zielitz, ein mächtiger, von Wäldern gesäumter Riese, den die Einheimischen liebevoll „Kalimandscharo“ nennen. Der Name klingt so exotisch, dass selbst Reinhold Messner kurz überlegt haben soll, ob er hier mal ohne Sauerstoffmaske trainieren sollte, bis er merkte, dass der Gipfel sich knapp unter der Baumgrenze befindet.

Der Aufstieg gestaltet sich sportlich. Über Serpentinen und Steigungen bis 16 Prozent schraubt man sich hinauf, begleitet vom majestätischen Förderband, das Abfälle aus den Minen in die Höhe transportiert. Zum Glück brennt die Sonne nicht so gnadenlos, sodass das gleißende Weiß des Berges auch ohne Sonnenbrille auszuhalten ist. Hätte Karl Lagerfeld diesen Anblick erlebt, er hätte vermutlich sofort eine Kollektion in „Kaliweiß“ entworfen. Nebenbei erfahren die Wanderer Wissenswertes über den heimischen Bergbau: vom unter Tage gewonnenen Rohsalz bis hin zum fertigen Produkt, das am Ende wahrscheinlich in irgendeiner Tüte Kartoffelchips oder im Streuer beim Kantinenessen landet.

Kalimandscharo in Sachsen-Anhalt
Kalimandscharo
Kalimandscharo in Sachsen-Anhalt
Der Aufstieg wird begleitet vom Förderband

Oben angekommen, öffnet sich das Panorama. Der Blick reicht über Europas größtes Wasserstraßenkreuz (beeindruckend für Leute, die sich auch für Autobahnraststätten begeistern können), über einen Lindenwald und mit ein wenig Wetterglück sogar bis zum Brocken im Harz, der großen, echten Schwester im deutschen Mittelgebirge.

Kalimandscharo in Sachsen-Anhalt
Plateau auf dem Kalimandscharo
Kalimandscharo in Sachsen-Anhalt
Weitblick vom Plateau

Man könnte sagen: Der Kalimandscharo ist der Mount Everest der Mitteldeutschen Ebene. Nur eben ohne Lawinen, Yaks und Sherpas und mit der Gewissheit, dass unten im Tal jederzeit ein Bäcker Kaffee und Käsekuchen bereithält.

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Wernigerode

Am nächsten Tag ist der Nebel verschwunden. Den gestern verdienten Lohn – die Brockenaussicht – wollen wir uns auf jeden Fall noch holen. Schließlich fährt von Wernigerode die Brockenbahn zum Gipfel. Ein Dampfzug mit nostalgischem Flair und Ticketpreisen der Deutschen Bahn. Amüsiert schauen wir auf die Wanderer, die sich den Berg hinaufmühen, genießen die Aussicht, die uns am Vortag verwehrt war, und fahren zurück in die „Bunte Stadt am Harz“, um die aufwendig restaurierte und farbenfrohe Fachwerkidylle der Stadt zu durchstreifen.

Rathaus Wernigerode in Sachsen-Anhalt
Rathaus Wernigerode
Fachwerkhaeuser-in-Wernigerode-in-Sachsen-Anhalt
Fachwerkhäuser in Wernigerode
Fachwerkhaeuser-in-Wernigerode-in-Sachsen-Anhalt
Wernigerode

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Quedlinburg

Es gibt Städte, die mit einer Anekdote hausieren gehen, und es gibt Quedlinburg, das gleich den ganzen historischen Werkzeugkasten auf den Tisch legt. Hier soll 919 Heinrich, der Sachse, von ein paar fränkischen Edelleuten die Königswürde empfangen haben und gilt seitdem als „erster deutscher König“. Ob er sich die Krone verdient hat oder einfach nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort stand, bleibt im Dunkeln der Geschichte. Fakt ist: In Quedlinburg wurde der Grundstein für die deutsche Monarchie gelegt. Und wenn einen das nicht ehrfürchtig macht, dann vielleicht der Hinweis, dass später auch Friedrich Gottlieb Klopstock hier geboren wurde. Oder dass Rita Süssmuth schon einmal da war. Die verkündete 1990er-jahre-pathetisch: „Quedlinburg hat seine Identität und Seele zurückerhalten.“ Für so ein Gütesiegel bräuchte man heute vermutlich eine Kommission, ein Förderprogramm und mindestens drei PowerPoint-Präsentationen.

Die „Seele“ der Stadt – der Domschatz der Stiftskirche St. Servatius – war nämlich 1945 kurz auf Weltreise gegangen. Ein amerikanischer Soldat fand die kostbaren Stücke wohl zu schade für den Kirchenraum und nahm sie mit; man könnte sagen, als Souvenir mit Übergepäck. Über 1000 Jahre lag der Schatz zuvor sicher auf der Burg Heinrichs I. und seiner Gattin Mathilde. Erst 1992 kehrte er zurück, begleitet von viel diplomatischem Händedruck und vermutlich der einen oder anderen Versicherungspolice. Heute liegt er wieder brav in Quedlinburg, zusammen mit Heinrich I. und seiner Frau Mathilde, die in der Krypta ihre ewige Ruhe haben – wenn man vom Touristengewusel mal absieht.

Kaum war Heinrich 936 beigesetzt, gründete Mathilde – mit Unterstützung von Sohn Otto I. – ein „freies Damenstift“. Klingt nach feministischer Avantgarde, war aber eher eine Art mittelalterliches Internat für hochadelige Töchter, mit Äbtissin als Internatsleiterin. Netflix würde daraus heute vermutlich eine Serie machen: Game of Thrones – Die Harzer Version.

Die Burg thront noch immer hoch über der Stadt, die sich mit über 1.400 Fachwerkhäusern schmückt. Eine beeindruckende Zahl – man muss nur aufpassen, dass man nicht bei Haus Nummer 237 den Überblick verliert und versehentlich zweimal denselben Giebel fotografiert. Die engen Kopfsteinpflastergassen sind pittoresk, jedenfalls solange man nicht mit Rollkoffer unterwegs ist. Und vor dem Rathaus steht Roland, steinern und mit Schwert. Er symbolisiert die Autonomierechte der Stadt gegenüber der Äbtissin des Reichsstiftes. Im Grunde genommen eine jahrhundertealte Version von „Wir wollen mitreden“. Heute würde man dafür Bürgerdialoge einberufen und einen Podcast starten.

Rathaus-in-Quedlinburg-in-Sachsen-Anhalt
Rathaus Quedlinburg
Fachwerkhaus-in-Quedlinburg-in-Sachsen-Anhalt
Fachwerkhaus in Quedlinburg
Fachwerk-in-Quedlinburg-in-Sachsen-Anhalt
Quedlinburg

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