Der Teufel isst mit dem Steuereinnehmer.
(Sprichwort aus Togo)
Reisejahr 2025 | Lesedauer: 5 Minuten
Kara – Bassar – Kpalimé – Lomé – Togoville – Benin
Obwohl wir schon längst offiziell aus Benin ausgereist sind, biegt Rauf erst nach einigen Kilometern von der gut ausgebauten Straße auf eine Holperpiste ab. Kurz darauf erreichen wir ein in der staubigen Pampa stehendes Gebäude, vor dem die togolesische Flagge weht – der Grenzübergang. Der einzige Beamte vor Ort hat allerdings keinerlei Befugnisse, geschweige denn einen Einreisestempel. „Fahrt in das nächste Dorf. Dort befindet sich das Migrationsbüro“, rät er.
Aber auch am genannten Ort irren wir zunächst umher, ehe sich endlich ein Polizist findet, der zum Handy greift und mit seinem Vorgesetzten telefoniert. Dieser kommt kurz darauf in Shorts und T-Shirt auf seinem Moped angebraust. Ein Uniformierter holt ein paar Stühle und überreicht dem Chef einen blauen Müllsack. Immerhin findet er darin eine Kladde und diverse Stempel, die er nacheinander ausprobiert. Vier davon landen als seitenfüllende Einreisenachweise in unseren Pässen.
Im Land der Kabiyé
In der Nähe des Städtchens Kara stoppt Rauf das Auto im malerisch in den Kaye-Bergen liegenden Dorf Thare. Seine Bewohner gehören zum Volk der Kabiyé, die für ihre Schmiedekunst bekannt sind.
Gleich nach der Begrüßung durch den Dorfältesten werden wir in eine gemauerte Hütte gebeten – die Schmiede. Eng und dunkel ist es in dem kleinen Raum. Funken sprühen in alle Richtungen. Ein Junge betreibt mithilfe seiner Muskelkraft zwei Blasebälge, um die Glut in der Esse auf die richtige Temperatur zu bringen. Derweil bearbeitet ein Mann mit einem spitzen Stein ein Stück rot glühendes Eisen und formt es zum Blatt für eine Hacke. Auch wir versuchen uns am Blasebalg, geben aber nach wenigen Minuten auf. Bei selbst gebrautem Hirsebier plaudern wir noch eine Weile mit den Dörflern und sehen einer kurzen Vorführung mit geschmiedeten „Musikinstrumenten“ zu.
Zu den Klängen eiserner Instrumente werden wir in einem weiteren Dorf der Kabiyé empfangen. Über 100 fantasievoll gekleidete Männer und Frauen tanzen vor ihrem König und mehreren Dorfchefs auf einem großen Platz. Der Kreativität der Bekleidung ist keine Grenzen gesetzt. Die Accessoires reichen von Stahlhelm, Messer (statt Pfeil) und Bogen bis zu einem Topf, aus dem eine Flamme lodert als Kopfbedeckung. Die Stimmung ist ausgelassen und wird immer wilder, je mehr Eimer Hirsebier geleert werden. Marc trommelt zur Begeisterung des Königs mit einem jungen Mann um die Wette; ich versuche mich hingegen beim Tanz.
Dieses „Evala“ genannte Fest, zu dem auch ein Ringkampf gehört, findet normalerweise im Juli statt und ist das wichtigste Initiationsritual der Kabiyé.
Der Feuertanz der Bassar
Am nächsten Tag brechen wir erst spät auf. Die Straße ist in einem sehr schlechten Zustand. Mitten im Nirgendwo stoppt Rauf an einer Polizeisperre. Erst nach der Registrierung der Pässe und dem Vorzeigen der vom togolesischen Tourismusministerium ausgefertigten Reiseerlaubnis dürfen wir weiterfahren. Hintergrund für die Überprüfung ist die nur zwei Kilometer entfernte Grenze zu Ghana und die Sorge, Dschihadisten in die Hände zu fallen.
Unser Ziel ist ein Dorf, in dem die Mitglieder des Bassar-Volkes den kulturellen Feuertanz zelebrieren. Der König erwartet uns bereits und als die Trommeln erklingen, hält er seine Füße in ein mit Kräutern getränktes Wasser und geht barfuß über das kleine Feuerchen. Mit jedem Schritt blüht er mehr auf und heizt seine Untergebenen immer energischer an. Diese tanzen mit nacktem Oberkörper und Ringen an den Waden, die wie Schellen klingen, um das Feuer, laufen durch die Flammen, setzen sich auf die Glut oder schlucken ein Stück glühende Holzkohle. Zum Abschluss spricht uns ein junger Mann in bestem Deutsch an: „Ich stamme von hier, lebe in Lomé und möchte Diplomat werden.“ Wir sind überrascht, ausgerechnet in diesem entlegenen Nest jemanden mit so guten Deutschkenntnissen anzutreffen.
Kpalimé und die Hauptstadt Lomé
Mit über sechs Stunden Fahrzeit liegt der längste Teil der Route vor uns. Das Ziel, die Stadt Kpalimé, war wegen ihres milden Klimas und der sie umgebenden Berglandschaft zu deutschen Kolonialzeiten ein beliebtes Urlaubsziel der kaiserlichen Beamten. Vom Architekturerbe dieser Zeit existiert heute unter anderem noch die Anfang der 2000er-Jahre sanierte Heiliggeistkathedrale.
Von Kpalimé ist es nicht weit bis nach Lomé. Die Straße ist gut ausgebaut und so haben wir nach der Ankunft noch Zeit, um in der Stadt auf den Spuren der Deutschen (Gouverneurspalast, Kirchen, Friedhof) zu wandeln.
Lomé, das zu Kolonialzeiten den Beinamen „Paris Afrikas“ trug, ist heute eine in Müll und Dreck versinkende Metropole. Die eigentliche Touristenattraktion ist derweil der größte Fetischmarkt Westafrikas. Schädel von Pferden, Krokodilen und Affen, ganze Vögel, Schlangen, Skorpione und vieles mehr liegen zum Verkauf bereit. Dazwischen stapeln sich kleine Voodoo-Puppen. Allerdings gehören diese nicht zur Voodoo-Religion, sondern liegen hier für kauffreudige Touristen bereit. Ebenfalls gegen Bares lockt ein Voodoo-Priester Kundschaft in sein Zimmerchen und versucht ihnen mit viel Beschwörungsgestik ein paar Glücksbringer aufzuschwatzen.
Abstecher in die historische Landeshauptstadt Togoville
Bevor wir am nächsten Tag wieder nach Benin zurückkehren, schippern wir noch mit einem Holzkahn über den Togosee nach Togoville. In der Stadt wurde 1884 der „Schutzvertrag“ zwischen Gustav Nachtigal, dem Repräsentanten des deutschen Kaisers, und dem letzten König von Togo, Mlapa III., unterzeichnet.
Von der historischen Bedeutung des Ortes ist nichts übrig geblieben. Neben den vielen zerfallenen Häusern in dem staubigen Nest fallen nur die hell in der Sonne leuchtende Kathedrale Notre-Dame und das in einem kitschigen Rosa gestrichene Denkmal der deutsch-togolesischen Freundschaft auf.
Nach der Spritztour übers Wasser setzen wir unsere Reise ins nahe gelegene Benin fort.