Kambodscha

Streite nicht mit einer Frau, handle nicht mit einem Beamten, prozessiere nicht mit einem Chinesen.
(Sprichwort aus Kambodscha)

Reisejahr 2017

Phnom Penh – Kratie Ban LungSra EmAnlong VengKampong ThomSiem ReapBattambang Siem Reap

Land unter. In Kambodscha ist Regenzeit und schon beim Landeflug auf Phnom Penh ist zu sehen, wie großflächig das Land überschwemmt ist. Vor den Visa on Arrival Schaltern tummeln sich viele Reisende, dahinter sitzen 14 Beamte. Nach zehn Minuten des Wartens ist das Visum in meinem Pass.

Das Gästehaus liegt inmitten von Bars, in denen Männer kambodschanische Frauen treffen, um eine schöne Zeit mit ihnen zu haben. Ich versuche mein Glück am Bankgeldautomaten. Der spuckt jedoch keine Riel (kambodschanische Währung) sondern ausschließlich US Dollar aus: Der US Dollar und der Riel sind gleichwertige Zahlungsmittel in Kambodscha. Als ich später ein Busticket für meine Weiterreise kaufe, reagiert die Verkäuferin überrascht, als ich das Wechselgeld in Riel ausgezahlt haben möchte.

Den Rest des Tages sowie den folgenden Tag bin ich mit Tuk-Tuk (Motorikscha), zu Fuß oder mit dem Motorrad unterwegs und verbringe die Zeit mit dem Besuch von Sehenswürdigkeiten und geschichtlichen Orten, in denen die Herrschaft der Roten Khmer (1975-1978) dokumentiert wird.

Vergangenheit und Gegenwart in Phnom Penh

Die maoistische Guerillabewegung der Roten Khmer wollte unter der Führung von „Bruder Nr. 1“ Pol Pot im Land ihre Vorstellungen von einem Bauernsozialismus verwirklichen. Nach dem Einmarsch in Phnom Penh wurde die umgehende Räumung der Stadt und weiterer Ortschaften befohlen. Ihre Bewohner wurden auf einen langen Marsch zu den Reisfeldern geschickt. Schätzungsweise 1,7 bis 2,2 Millionen Menschen – fast ein Viertel der Bevölkerung – kamen auf den Märschen und bei der Zwangsarbeit auf den Feldern um oder starben in Todeslagern. 

In Phnom Penh besetzten die Truppen ein Gymnasium und bauten es zur grausamsten Folterstätte – S 21 genannt – des Landes um. Das Gefängnis überlebten sieben von insgesamt 14.000 bis 20.000 Menschen. In den ehemaligen Klassenzimmern im Erdgeschoss, die als Folterräume genutzt wurden, stehen verrostete Betten und Folterinstrumente, an den Wänden hängen Bilder der zu Tode Gefolterten. Klassenzimmer in den darüber liegenden Etagen wurden in etwa zwei Quadratmeter kleine Minizellen unterteilt, in denen die Gefangenen an die Wand gekettet wurden. Als Toilette stand ihnen ein schuhkartongroßer Behälter zur Verfügung.

Wer die Folter im Tuol-Sleng (S 21) überlebte, endete auf den Killing Fields von Choeung Ek. Etwa 17.000 Männer, Frauen, Kinder und Babys starben im Vernichtungslager. Um Munition zu sparen, wurden sie zu Tode geprügelt. Kleiderfetzen und Knochenfragmente, die vor allem zur Regenzeit an die Oberfläche gedrückt werden, liegen rund um die Massengräber. Mehr als 8.000 Schädel sind sortiert nach Alter und Geschlecht in einem Gedenkstupa hinter Glas aufgebahrt.

Foltergefängnis Tuol-Sleng
Foltergefängnis Tuol-Sleng
Gedenkstupa auf den Killing Fields von Choeung Ek in Kambodscha
Gedenkstupa auf den Killing Fields von Choeung Ek

Kambodscha hat die Staatsform einer konstitutionellen Monarchie. Der 2012 gestorbene König Norodom Sihanouk lebte im Exil in Peking als Pol Pot 1975 das „Demokratische Kampuchea“ ausrief. Für seine Unterstützung ernannten ihn die Roten Khmer zum Staatsoberhaupt. Nachdem er sich von den Machthabern abwandte, wurde er von Pol Pot im Königspalast festgesetzt. 1979, als Truppen Vietnams Kambodscha besetzten, ging Sihanouk erneut ins Exil nach China.

Obwohl fünf Kinder und mindestens vierzehn seiner Enkel Opfer der Roten Khmer wurden, arbeitete er von 1982–1990 erneut politisch und militärisch mit ihnen zusammen. Im November 1991 kehrte er nach Phnom Penh zurück. 1993 wurde er wieder zum König und Staatsoberhaupt Kambodschas ernannt. Er begnadigte einige der führenden Mitglieder der Roten Khmer, darunter den ehemaligen Außenminister Ieng Sary, der als einer der Hauptverantwortlichen des Genozids gilt. 2004 dankte Sihanouk ab. Sein Sohn Norodom Sihamoni folgte ihm auf den Thron.

Das Palastgelände in Phnom Penh ist bis auf die privaten Bereiche für die Öffentlichkeit zugänglich. Das auffälligste Gebäude ist der für Amtshandlungen und königliche Hochzeiten genutzte Thronsaal. Leider ist er gerade für Besucher geschlossen. Wärter lassen nur einen Blick durch die geöffneten Fenster und Türen zu.

Palastgelände in Kambodscha
Palastgelände
Kaiserpalast in Kambodscha
Kaiserpalast
Thronsaalein Kambodscha
Thronsaal
Stupa auf dem Palastgelände
Stupa auf dem Palastgelände

Getrennt durch eine Mauer steht auf dem Palastgelände die Silberpagode. 5000 Silberfliesen bilden den Fußboden, die bis auf eine kleine Ecke im Eingangsbereich von Teppichen verdeckt sind. In der Mitte der Pagode thront ein riesiger Smaragd-Buddha, davor steht ein mit über 9000 Diamanten bestückter Gold-Buddha.

Zum Geldausgeben zieht es mich zum russischen Markt, der seinen Namen aufgrund seiner Popularität unter russischen Auswanderern in den 1980er-Jahren erhielt. In den Gassen gibt es Kunsthandwerk, Souvenirs sowie gefälschte und originale Kleidung vieler Marken zu kaufen.

Abends laden am Westufer des Tonle Sap, einem Seitenarm des Flusses Mekong, an mobilen Ständen frisch gegrillte Insekten, Frösche und Meeresgetier zum Probieren ein.

Kratie im „Wilden Osten“

Am Morgen steht pünktlich ein Zubringer zum Busbahnhof vor dem Gästehaus. Überlandbusse fahren immer zur rechten Zeit ab, kommen meist zu früh an und nach anderthalb Stunden Fahrzeit wird an einer „Raststätte“ gehalten und eine Essenspause eingelegt.

Ich bin auf dem Weg nach Kratie im „Wilden Osten“. Pfahlbauten in den Dörfern, Schulen, die während der jetzigen Regenzeit nur per Boot zu erreichen sind, eine neuapostolische Kirche und kleine Raststätten, in denen Hängematten die Stühle ersetzen, ziehen am Fenster vorbei.

Das Gästehaus in Kratie ist arg in die Jahre gekommen. Aus dem offenen Abfluss im Boden krabbeln Kakerlaken. Mit der Dusche treibe ich sie zurück und stelle den Abfalleimer auf das Loch.

Kratie
Pfahlbauten in Kratie in Kambodscha
Pfahlbauten in Kratie

Die Stadt ist ein ruhiges Nest mit französischer Kolonialarchitektur, die von den Roten Khmer nicht geschliffen wurde. Das größte Highlight ist eine Gruppe von Irawadidelfinen, die eine halbe Stunde von Kratie entfernt im Mekongdelta leben. Ein Moped bringt mich zur Bootsanlegestelle und 20 Minuten später legen wir mit einem schmalen Kahn an einer kleinen Sandinsel mitten im Mekong an.

In einiger Entfernung tauchen Rückenflossen aus dem Wasser auf, ein Pfeifen ist zu hören, dann kommen die Delfine kurz an die Oberfläche und sind gleich wieder verschwunden. Wegen des schlammig-trüben Wassers sind sie besser zu hören als zu sehen. Die Delfintour ist zwar ein Flop, aber die eine Stunde auf dem Wasser hat zumindest einen Erholungswert.

Abends kommt Leben auf die Uferpromenade. Mobile Stände mit Eis, Bier, mit undefinierbarer Wurst belegte Baguettes a la Kambodscha und die in Asien so beliebten Treffen zur gemeinsamen Gymnastik beleben die Meile. Geturnt wird an mehreren Abschnitten der Promenade. Als Vorturner agieren Männer, die Turnenden sind Frauen und die Jugend schaut auf ihren Mopeds sitzend zu.

Für den nächsten Tag habe ich beschlossen, auf dem Markt alles zu probieren, was in Bananenblätter eingewickelt angeboten wird. Es wird ein sehr süßer Tag: süßer Reis mit Feigenfüllung, süßes Reis-Mango-Gemisch, Reis mit Rohrzucker. Die überschüssige Energie laufe ich mir bei einem Bummel durch die Dörfer am Stadtrand ab. Touristen scheinen sich nicht allzu oft dorthin zu verirren. Die Bewohner blicken verwundert, grüßen dann aber mit einem freundlichen „Hallo“. Abends kaufe ich noch ein Ticket für eine Fahrt mit einem Ford Transit nach Ban Lung.

Rote Stadt Ban Lung

Statt des erwarteten Ford Transit steige ich am nächsten Morgen in einen kleineren Toyota Hiace mit 15 Sitzen. 24 Reisende, vier Kartons mit Hühnern, von denen eines ständig versucht aus dem Luftloch, das im Pappkarton ist, zu entkommen, Säcke und viele Taschen werden mühselig im Innenraum untergebracht. An der Heckklappe werden zwei Motorräder und weiteres Gepäck festgezurrt.

An der Heckklappe werden zwei Motorräder festgezurrt
An der Heckklappe werden zwei Motorräder festgezurrt
Hühner versuchen durch die Luftlöcher zu entkommen
Hühner versuchen durch die Luftlöcher zu entkommen

Mein Ziel Ban Lung liegt fünf Stunden von Kratie entfernt. Im Auto ist es eng, jedoch wird unterwegs oft an Imbissbuden gehalten.

Ban Lung ist bekannt als rote Stadt, benannt nach dem roten Staub, in den sie meistens gehüllt ist. Da Regenzeit ist, habe ich den Matsch in dicken Klumpen an den Schuhsohlen kleben.

Mein Homestay befindet sich außerhalb des Zentrums, in einem kleinen Dorf, das 40 Familien beheimatet. Die Gastfamilie hat drei Kinder und eine Bambushütte mit zwei Räumen, von denen sie einen als Familienschlafzimmer nutzt, den anderen als Gästezimmer. Die Küche ist ein überdachter Raum am Haus.

Neben der Bambushütte mit dem Gästezimmer steht eine Holzhütte mit Dusche und WC. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die dünne Bretterwand mit ihren vielen Ritzen, da sie gleichzeitig die Wand zum Wohnzimmer der Nachbarn ist.

Die Gastgeberin betreibt auf dem Markt einen kleinen Laden, der Gastgeber (Pov) hat sich gerade mit seinem Homestay selbstständig gemacht und betreut den Nachwuchs. Seinen Kindern wünscht er ein besseres Leben und möchte sie auf eine Privatschule schicken. Die älteste Tochter war kurzzeitig auf einer staatlichen Schule, hat jedoch wegen des ständigen Unterrichtsausfalls nichts gelernt und soll nun zu Hause bleiben, bis das Einkommen für die Privatschule reicht. Lehrer an staatlichen Schulen erhalten so wenig Gehalt, dass sie auf den Feldern arbeiten müssen und je nach Jahreszeit nur zwei- oder dreimal in der Woche für wenige Stunden unterrichten können.

Abends gibt es kambodschanische Gerichte, die Nachbarn schauen vorbei, die Männer sitzen zusammen und trinken Bier. Getrunken wird, wenn jemand aus der Runde einen Toast ausbringt, was nie lange auf sich warten lässt. Eines trinke ich mit. Als Frau wird mir verziehen, dass ich die Einladung zu noch mehr Bier ausschlage.

Ban Lung in Kambodscha
Ban Lung
Opfergabe für den hungrigen Geist
Opfergabe für den hungrigen Geist

Meine Gastgeber sind Buddhisten und spenden vor jeder Mahlzeit einen Teil des Essens dem hungrigen Geist, damit er der Familie Glück bringt und sie beschützt. Die Gabe wird vor die Grundstückspforte gestellt, Räucherkerzen angezündet und ein Gebet gesprochen. Derweil tropft den zusehenden Dorfhunden der Zahn.

Eine Nacht im Dschungel

Pov lockt mich mit einem zweitägigen Dschungeltrip. Den ersten Teil des Weges legen wir in seinem Auto zurück. In einer Kurve hält er. Im Gestrüpp stehen drei Altäre. Pov opfert eine frisch angezündete Zigarette, eine Zweite raucht er selber.

An einem Fluss wartet bereits ein Holzkahn. Unterwegs steigt noch Vibol, der Dschungelguide, ins Boot.

Altar mit Opfergaben in Kambodscha
Altar mit Opfergaben
Altar mit Opfergaben in Kambodscha
Altar mit Opfergaben

Die Dschungelwanderung beginnt auf dem Land eines Bauern, der Trockenreis anbaut. Hinter den Feldern dehnt sich ein Wald aus. Pov braucht nach einer halben Stunde die erste Pause. Der mitgebrachte Reis wird gegessen, ein kurzer Small Talk folgt: „Redest du zu Hause wirklich nur deutsch? Englisch redest du nur auf Reisen?“, will er wissen.

Auf rutschigen Pfaden durchqueren wir den lichten Dschungel und waten durch Flüsse. Während Vibol Bambusrohr sammelt, um Trinkgefäße und Kochutensilien daraus zu fertigen, schneidet Pov jungen Bambus als Gemüsebeilage. Bereits nach zwei Stunden erreichen wir das Ziel, einen Wasserfall mit Pool. Am steinigen Ufer steht ein Holzgerüst, an dem die Hängematten befestigt und eine Plane als Regenschutz gespannt werden.

Im Dschungel in Kambodscha
Pause im Wasser
Holzgerüst, an dem die Hängematten befestigt und eine Plane als Regenschutz gespannt werden
Holzgerüst, an dem die Hängematten befestigt und eine Plane als Regenschutz gespannt werden

Während ich sofort zur Abkühlung im angenehm temperierten Wasser ein Bad nehme, entfacht Vibol ein Feuer, um eine kleine Zwischenmahlzeit zu kochen: Gefühlt essen Kambodschaner ständig.

Nach der kleinen Mahlzeit aus würziger Soße mit Fleischbröckchen und in Blätter eingerollten Bambus schaukeln wir in den Hängematten. Dabei macht eine 0,5-Liter-Wasserflasche, gefüllt mit kambodschanischem Whiskey, die Runde. Die Männer unterhalten sich über ihre korrupte Regierung und den Ausverkauf des Dschungels zum Abholzen an Vietnam.

Die Dämmerung bricht herein. Zeit für die nächste Mahlzeit: Reis, Fleisch und Dschungelgemüse. Eine Bambusfackel wird angezündet. Glühwürmchen schwirren durch die Nacht. Kaum liegen wir in den mit einem Moskitonetz ausgestatteten Hängematten, geht ein heftiger Monsunregen nieder. Die Plane hält dicht und in der Kühle der Nacht schlafen alle schnell ein.

In der Morgendämmerung wird das Feuer neu entfacht und als erstes Kaffeewasser aufgesetzt. Reis, Instantnudeln und gerösteter Speck folgen.

Von Pov lasse ich mich auf dem Rückweg am 700.000 Jahre alten Kratersee Yeak Laom Volcanic absetzen. Angenehm sauber ist es an seinem Ufer. Wer baden möchte, bekommt eine Schwimmweste und die Auflage nicht hinauszuschwimmen. Mir reicht eine Umrundung des kreisrunden Sees.

Mit Pov habe ich nach zähen Verhandlungen verabredet, dass ich die sechs Kilometer vom See bis zu seinem Haus laufe. Für Kambodschaner ist es unvorstellbar, auch nur einen Schritt mehr als nötig zu machen. Der Weg führt über den Markt. An einer mobilen Suppenküche, die ich bereits kenne, hole ich mir wieder eine Schüssel voll Reisnudeln mit Fleisch und Gemüse. Die Verkäuferin erkennt mich, der Preis sinkt, die Schüssel ist voller.

Prasat Preah Vihear: zwischen Kambodscha und Thailand

In einem VIP Van mit neun Sitzen und nur sieben Fahrgästen reise ich ungewohnt komfortabel weiter nach Preah Vihear. Von dort fahren Sammeltaxis nach Sra Em, der Basis für einen Besuch des Tempels Prasat Preah Vihear.

In Preah Vihear stürzen die Fahrer der Sammeltaxis auf die Aussteigenden zu. Leider will niemand in meine Richtung weiter reisen. Ein Fahrer bietet mir eine Privatfahrt nach Kor Muy (Besucherzentrum des Tempels) an: „Für 40 USD bringe ich dich zum Besucherzentrum, warte dort und bringe dich anschließend in ein Gästehaus in Sra Em.“ Der Preis ist mir zu hoch und ich lehne ab. Eine Fahrt mit dem Sammeltaxi würde 5 USD kosten.

Nach einer Stunde Warten auf weitere Fahrgäste überlege ich es mir doch noch: „Fahre ich jetzt zum Tempel, hätte ich die Zeit, noch nach Anlong Veng zu reisen.“

In Kor Muy steige ich auf ein Moped um. Mit Müh und Not schafft es das Zweirad die steile Straße hinauf. Auf dem Berg entscheide ich mich für den Weg zum Tempel, der nicht so rutschig aussieht. Er führt geradewegs durch ein Soldatencamp und an militärischen Stellungen vorbei: Das Heiligtum liegt an der thailändisch-kambodschanischen Staatsgrenze und ist seit Jahrzehnten Grund eines teilweise gewaltsamen Grenzkonfliktes. Am Ende des Camps zeigt mir ein Soldat in der ruhig-freundlichen Art der Khmer den richtigen Weg.

Polizei und Armee wachen über die 800 Meter lange, nach Angkor Wat zweitwichtigste Ruinenstätte des Landes. Sieben Khmer Könige bauten an der Anlage, die auf einem Steilhang thront und weite Ausblicke über die Landschaft bietet.

Prasat Preah Vihear in Kambodscha
Prasat Preah Vihear
Prasat Preah Vihear in Kambodscha
Prasat Preah Vihear

Das Taxi hat in Kor Muy gewartet und bringt mich ins 25 Kilometer entfernte Sra Em. Nachdem ein Gästehaus gefunden ist, versuche ich an diversen Imbissbuden im Ort heraus zu bekommen, wann die Sammeltaxis nach Along Veng abfahren. Wen ich auch frage, jeder bietet eine Privatfahrt für 40 USD an. Langsam habe ich die Nase voll und auch Hunger. An einem Stand sehe ich etwas Unbekanntes und probiere. Es ist als Kuchen getarntes Ei mit viel Zucker. Das ist nicht so ganz mein Geschmack. Dafür vermittelt die Verkäuferin nebenbei noch eine Sammeltaxifahrt für 10 USD nach Anlong Veng für morgen früh um 7 Uhr.

Über Land mit dem Sammeltaxi

Um 7 Uhr ist niemand am vereinbarten Treffpunkt. Das akademische Viertel lasse ich noch verstreichen, dann höre ich mich um. Aber die meisten Sammeltaxifahrer bieten hauptsächlich Fahrten nach Siem Reap an. Einen finde ich, der in Anlong Veng halten würde. „Fünf US-Dollar und sechs weitere Mitfahrer“, sind sein Angebot. Ich nicke. „Abfahrt ist um 8.30 Uhr.“

Den Rucksack lege ich schon mal in den Kofferraum und gehe in eine Bar Kaffee trinken. Es ist eine der Bars, in denen zwei bis drei Fernseher nebeneinander an der Wand hängen, davor stehen Stühle in Kinobestuhlungsreihen. Auf jedem Fernseher laufen verschiedene Programme: Militärschinken neben Seifenopern, rosafarbene Werbung neben düsteren Dramen. Im hinteren Teil des schmalen Raumes steht, abgetrennt durch einen Paravent, ein Bettgestell; dahinter befindet sich ein winziger Toilettenraum, der gleichzeitig das Bad ist.

Zur verabredeten Zeit schaue ich nach dem Auto. Es ist nicht mehr da. Einer der Umstehenden telefoniert dem Fahrer hinterher: „Er sammelt weitere Fahrgäste ein und kommt dann wieder.“ Ich bin erleichtert.

Bis Anlong Veng sitzen wir zu Fünft plus Neugeborenem auf der Rückbank, während es sich auf dem Beifahrersitz zwei Männer gemütlich gemacht haben. Obwohl alle Fenster weit geöffnet sind und Musik durch das Auto dröhnt, schläft das Baby tief und fest.

Anlong Veng: Rückzugsort der Roten Khmer

Nach Anlong Veng zogen sich die Roten Khmer nach dem Sturz ihres Regimes 1979 zurück. Bis 1999 führten sie aus dem Dschungel heraus den Guerillakrieg weiter. Verehrt werden sie von den Einheimischen bis heute. „Bruder Nr. 5“, Ta Mok, Spitzname „Der Schlächter“, galt als strenger, aber fürsorglicher Provinzvater. In Anlong Veng ließ er Schule und Krankenhaus bauen, für die er auch Namensgeber war und einen See anlegen, um die Wasserversorgung zu verbessern. Heute heißt der See Anlong Veng, die Namen von Schule und Krankenhaus wechselten von Ta Mok in Hun Sen, dem jetzigen Ministerpräsidenten und ehemaligen Kommandeur (1975-1977) der Roten Khmer in Ost Kambodscha. Viele der ehemaligen Guerillakämpfer sind längst wieder in hochrangigen Ämtern.

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