Grenzen

Der Zug hält an der weißrussischen Grenzstation. Passkontrolle. Dem Blick in die Pässe folgt die Aufforderung, Sachen zu packen und auszusteigen – das Transitvisum fehlt.

Außer uns Dreien verlässt noch ein italienisches Paar den Zug. Wir werden in das Abfertigungsgebäude gebracht und stehen gelassen. In der schwach beleuchteten Halle langweilen sich ein paar alkoholisierte Grenzer, in einer Ecke steht ein Kiosk, der geschlossen ist.

Ein stark betrunkener Soldat rennt, wild mit seiner Kalaschnikow wedelnd, immer wieder auf uns zu. Die Italienerin fängt an zu weinen. Allen ausweichend, wandern wir Meter für Meter durch die Halle.

Eine junge Frau öffnet den Kiosk. Der betrunkene Soldat lässt von uns ab, seine Aufmerksamkeit gilt nun ihr. Mit geübten Gesten weist sie ihn zurück.

Schichtwechsel. Ein nüchterner Offizier unterbreitet uns zwei Angebote – Rückfahrt nach Polen oder in einen Ort in Weißrussland, in dem wir ein Visum erhalten können.

Die Kommunikation auf Russisch ist mühsam, das Interesse an Weißrussland hält sich nach den letzten Stunden in Grenzen, in Moskau warten die Tickets für die Transsibirische Eisenbahn. Die Entscheidung fällt schnell – Polen.

Der Zug nach Warschau fährt ein. Ein Grenzsoldat fragt den Zugbegleiter nach freien Plätzen. In Begleitung von drei Soldaten verlassen wir das Grenzgebäude. Wir werden platziert.

Der Zug ist zur Abfahrt bereit, die Türen sind, bis auf eine, geschlossen. Erst jetzt steigen unsere Bewacher aus.

Drei Stunden nachdem wir Polen verlassen haben, sind wir zurück im Land. Die Zeit wird knapp. Die Tickets für die Transsibirische Eisenbahn gelten nur für einen Tag, die Züge sind auf Wochen ausverkauft, Lage, Öffnungs- und Bearbeitungszeiten der weißrussischen Botschaft in Warschau kennen wir nicht.

Zum Flughafen. Im Büro einer Fluglinie erhalten wir die letzten Tickets für einen Flug, der drei Stunden später starten soll. Teure Erleichterung.

Der Flug wird aufgerufen. Am Gate bildet sich eine lange Schlange. Der Flug wird wegen technischer Probleme des Fliegers um eine Stunde verschoben.

Wieder wird der Flug aufgerufen, wieder wird er um eine Stunde wegen technischer Probleme verschoben.

Der Flug wird ein drittes Mal aufgerufen und verschoben. Nach vier Stunden Warten betreten wir die Piste. Ein in die Jahre gekommenes Flugzeug steht in einer Ecke des Rollfeldes.

Rot-weißes Klebeband hält in der Kabine zusammen, was halten muss. Die ersten Passagiere falten die Hände.

Ruhig gleitet der Flieger über die Wolken in den Sonnenuntergang. Weich und kaum spürbar setzt der Pilot auf der Landebahn in Moskau auf.

Aus dem leisen Aufatmen, das durch die Kabine geht, wird lauter, stehender Applaus.

 

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