Ruanda/ DR Kongo

Über den letzten Grund der Weisheit denkt man im Alter nach.
(Sprichwort aus Ruanda)

Reisejahr 2015 | Lesezeit 6 Minuten

Ruanda: Kigali (Ntarama) – DR KongoRuanda: Cyangugu – Huye – Uganda

Kigali um Mitternacht: Männer in schwarzen Anzügen und Lackschuhen stehen im Flughafengebäude. Zwei sprechen uns an: „Taxi?“ Wir sind überrascht. Alle Taxifahrer tragen Anzüge, ihre Autos sind in einem sehr guten Zustand.

Nach ein paar Stunden Schlaf starten wir in den Tag. Ziel ist die 30 Kilometer von Kigali entfernte Genozidgedenkstätte von Ntarama: 1994 wurden in nur 100 Tagen rund 800.000 Tutsi von Hutu-Angehörigen umgebracht.

Am Busbahnhof herrscht dichtes Gedränge. Natürlich haben wir sofort einen Helfer an unserer Seite und binnen kürzester Zeit halten wir Fahrkarten nach Ntarama in der Hand.

Zu meiner großen Überraschung sind die Matatus (Minibusse) pünktlich, sauber und nehmen nur so viele Personen mit, wie Plätze (einschließlich der Klappsitze) vorhanden sind.

Am Wegweiser nach Ntarama setzt uns der Busfahrer ab. Jugendliche warten dort mit Fahrradtaxis: Fahrräder mit bequemen, weichen Polstern auf den Gepäckträgern.

Ntarama

Die Kirche von Ntarama, in der sich die Gedenkstätte befindet, ist drei Kilometer entfernt und so werden wir über die holprige Piste geradelt.

Im April 1994 wurden in der Kirche mehr als 5000 Menschen erschlagen. In ihren Mauern sind die Durchbrüche, die die Angreifer mit Granaten hinein gesprengt hatten, zu sehen. Im Kirchenschiff liegen auf den sich knapp über den Boden hinziehenden Balken Särge mit den sterblichen Überresten von 500 Opfern in jedem Einzelnen. Zwei Särge stehen bereit, um weitere Opfer aufzunehmen. An den Wänden und auf Leinen, die quer durch den Raum gespannt sind, hängen die Kleidungsstücke der Getöteten. An der Stirnseite steht ein Regal, in dem Bein- und Armknochen sowie Schädel nach Todesart (Machete, Kugel, Speer, Spaten) sortiert liegen. Auch in den Nebengebäuden sind die Spuren des Massakers deutlich zu sehen: Ein riesiger Blutfleck klebt an der Steinwand der Sonntagsschule, in der Pfarrküche liegen die Reste verkohlter Matratzen.

Fahrradtaxis in Ruanda
Jugendliche warten mit Fahrradtaxis.
Ntarama in Ruanda
An den Wänden und auf Leinen, die quer durch den Raum gespannt sind, hängen die Kleidungsstücke der Getöteten.

Betroffen verlassen wir das Gelände und lassen uns zur Hauptstraße zurück radeln. Der erste Minibus der vorbeifährt ist voll besetzt. Zehn Minuten später folgt der Nächste. Wir haben Glück. Zwei Leute steigen aus und wir können einsteigen. Allerdings bleiben für uns nur die kaputten Klappsitze im Gang.

Mit dem Bus zur Grenze

Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg in die DR Kongo. Am Busbahnhof ist der hilfreiche Typ von gestern sofort zur Stelle. Immerhin organisiert er uns Fahrkarten in die Grenzstadt Gisenyi und eine Doppelbank im Matatu.

Die von Maisfeldern, dünnen Bäumen und Lehmhäusern gesäumte Straße nach Gisenyi ist gut ausgebaut. Taxis warten am Busbahnhof der Stadt. Die Grenze zur DR Kongo ist nur zehn Autominuten entfernt. Ich schicke eine SMS an Sokrates, der uns – unsere Visa sind an der Grenze hinterlegt – abholen will. Er kommt von Goma auf die ruandische Seite herüber und gemeinsam laufen wir die wenigen Meter in die DR Kongo.

Nach einer ereignisreichen Woche kehren wir zurück nach Ruanda. Dort werden an der Grenze als Erstes die Rucksäcke kontrolliert und die Plastiktüten konfisziert: In Ruanda sind sie verboten. Eine Stunde nach Verlassen des Hotels in Bukavu sind wir in unserem Gästehaus am Kiwusee in Cyangugu angekommen.

Übernachten am Kiwusee

Am frühen Abend schlendern wir in den Ort. Ein Mann spricht uns an: „Ich bin Autor, Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller. Nehmt dieses Faltblatt und fördert mich.“ Seine Werbeblätter liegen säuberlich laminiert in einem Buch von Kim Il-sung. Wir winken ab und gehen essen.

In den folgenden zwei Tagen frönen wir dem Müßiggang. Unseren Plan, ein Ausflug in den Nyungwe Forest, lassen wir wegen der horrenden Preise fallen: Das schlichte Begehen eines Wanderweges soll 40 USD pro Person kosten. Dafür rundet eine Bootstour auf dem Kiwusee das Nichtstun ab.

Kivusee in Ruanda
Fischerboot auf dem Kivusee
Kivusee in Ruanda
Entspannen am Kivusee
Mit dem Matatu nach Huye

Unser Vorhaben, am Abend noch Fahrkarten für den Bus nach Huye zu kaufen, fällt ebenfalls der Bequemlichkeit zum Opfer. So starten wir am nächsten Tag auf gut Glück zum Busbahnhof. Eine Stunde warten wir in sengender Hitze auf die Abfahrt eines Matatu. Zu allem Überfluss hat ausgerechnet dieser Minibus Platzreservierungen, auf deren Einhaltung der Fahrer allergrößten Wert legt. Unsere Reservierung stellt sich als zwei, halb aus ihrer Verankerung gerissene Klappsitze heraus.

Die Straße nach Huye ist gut ausgebaut, reich an Serpentinen und der Fahrer offensichtlich einmal Formel-1-Pilot gewesen. Am Straßenrand liegen umgestürzte Lkw in den Kurven, Häftlinge in orangefarbenen oder rosa Overalls arbeiten auf Feldern und im Straßenbau. Neben mir sitzt eine Frau, die sich permanent übergibt, und ich versuche, auf dem Sitz das Gleichgewicht zu halten.

Huye

In Huye legen wir das Gepäck im Hotel ab und nehmen ein Taxi nach Murambie. Dort befindet sich in der ehemaligen Technischen Hochschule eine Genozid-Gedenkstätte: 65.000 Tutsi wurden 1994 auf dem Hochschulgelände von Hutu-Milizen getötet. In den Klassenräumen liegen auf einfachen Holztischen Hunderte mumifizierter Leichen: Kinder, Erwachsene, Mütter mit ihren Kindern. Massengräber verteilen sich auf dem gesamten Gelände. Schweigend verlassen wir den Ort.

Der Fahrer hat gewartet. Wir lassen uns am Busbahnhof in Huye absetzen. Diesmal will ich mir rechtzeitig eine Fahrkarte für den nächsten Tag – eine Fahrt zur Grenze nach Uganda – kaufen. Marc hat die Nase voll vom Fahren mit dem Matatu und organisiert sich ein Taxi.

Ein beliebtes Verkehrsmittel, welches wir bisher noch nicht genutzt haben, sind Mopeds. In breiter Reihe stehen sie am Busbahnhof. Die Fahrer halten uns Helme entgegen. Einer handelt; setzt mir vorsichtig den Helm auf und damit ist klar auf wessen Maschine ich mitfahren werde.

Überlandfahrt nach Uganda

Das am Vorabend bestellte Taxi zum Busbahnhof kommt nicht. Dafür hält ein Moped an, der Fahrer legt meinen Tagesrucksack auf den Tank, der Rücksitz ist lang genug für den großen Rucksack und mich. Am Busbahnhof sind sofort Helfer zur Stelle: „Brauchst du ein Ticket?“ „Mit welcher Linie fährst du?“

Ich gehöre zu den Ersten, die in das Gefährt einsteigen und kann mir einen Einzelsitz sichern. Der Fahrer legt eine CD mit afrikanischer Musik ein, die Stimmung ist entspannt.

In Kigali muss ich umsteigen. Ticket kaufen, einsteigen in das Matatu, das zur Grenze nach Uganda fährt und abfahren beanspruchen gerade einmal zehn Minuten. Zu wenig Zeit, um noch zu frühstücken.

Am Grenzübergang endet die Reise. Marc kommt 45 Minuten später und wir laufen nach Uganda.

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