Pakistan

Mittlerweile ist es Nacht geworden. Die Eskorte bleibt zurück. Eine anderthalbspurige Bergpiste bis zum Ziel, dem Bergdorf Jandarei, liegt vor uns. Das Auto holpert am Abgrund entlang, trotz tiefster Dunkelheit gibt es Gegenverkehr.

Zwei Räder des Jeeps hängen zur Hälfte über dem Abgrund, der entgegengekommene Pick-up klebt im Kurz-vor-dem-Umkippen-Winkel am Berghang. Es wird so lange vor und zurück gelenkt, bis beide Autos aneinander vorbei passen.

Wandern im Hindukusch: Jandarei und Jahaz Banda

Froh darüber, heil angekommen zu sein, steigen wir aus dem Auto aus. Müde beziehen wir ein Zimmer im einzigen Gästehaus weit und breit. Rajah, der Hausherr, lässt sogleich das Abendessen servieren, gegessen wird traditionell auf dem Boden sitzend. Praktischerweise brauchen wir, nachdem das „Tischtuch“ abgeräumt ist, nur noch auf die Matratzen zu fallen.

Am Morgen steht bereits ein Eimer warmes Wasser zur Katzenwäsche bereit. Blauer Himmel und die schneebedeckten Berge des Hindukusch verleiten zum sofortigen Loswandern. Jedoch, ein Frühstück muss sein.

Der Jeep soll uns die ersten Kilometer tief ins Gebirge hineinbringen: „Die Wanderung wird noch anstrengend genug“, wird uns kundgetan.

Das Auto holpert im Bummelschritt einen Pfad entlang, durch Jandarei hindurch in das Gebirge. Immer wenn wir denken, jetzt geht es nicht mehr weiter, stoppt der Wagen noch lange nicht.

Es reicht. Wir steigen aus und laufen los. Da wir in Jahaz Banda, einer großen Bergwiese mit Zeltplatz und Gästehauszimmern, übernachten werden, haben wir die Tagesrucksäcke gepackt. Einen lassen wir samt unserem Proviant an Obst und Wasser tragen, in dem anderen ist die Fotoausrüstung und der bleibt auf meinem Rücken. Ungläubig schaut der Porter – ein gewichtiger Mann – drein, als wir die Autofahrt für beendet erklären. Nach Luft schnappend folgt er uns und ist froh um jedes Foto, das ich mache. Verschafft es ihm doch eine kurze Verschnaufpause. Zu seiner Erleichterung gibt er streckenweise das Gepäck an Jungen ab, die zufrieden sind, wenn sie ein paar Rupien verdienen können.

Esel und Pferde mit Hühnern, Baumaterial und Alltagswaren beladen, überholen uns; so mancher Paschtune lässt sich hoch zu Ross zum Camp in Jahaz Banda bringen.

Ein Pferd wird beladen im Hindukusch in Pakistan
Ein Pferd wird beladen
Hirte mit seiner Rinderherde in Pakistan
Hirte mit seiner Rinderherde

Unter einem Baum sitzen junge und alte Männer beisammen. Milchtee macht die Runde, wir sind herzlich eingeladen. Leider ist er so süß, dass ich ihn nicht hinunter bekomme.

Milchtee macht die Runde
Milchtee macht die Runde
Schneebedeckte Gipfel und grüne Wiesen in Pakistan
Schneebedeckte Gipfel und grüne Wiesen

Vor uns liegt ein grüner Berghang. Aus Brettern erbaute Hütten schmiegen sich in das Grün. Schwarz verschleierte Frauen mit Lastenkörben auf dem Kopf laufen vorbei; Kinder starren mich an, als ob ein Gespenst vor ihnen stehen würde; ein kleiner Junge läuft mit entsetztem Blick davon.

Aus Brettern erbaute Hütten schmiegen sich in das Grün.
Aus Brettern erbaute Hütten schmiegen sich in das Grün.
Kinder der Bergbewohner
Kinder der Bergbewohner

Der letzte felsige Anstieg und vor uns öffnet sich das von schneebedeckten Gipfeln umrahmte Panorama von Jahaz Banda. Auf der weitläufigen, mit blauen und gelben Blumen übersäten Wiese leuchten hier und da bunte Zelte, die Bretterhütten der Bewohner ducken sich ins Gras, Pferde galoppieren vorbei.

Panorama von Jahaz Banda in Pakistan
Panorama von Jahaz Banda
Zelte und das Gästehaus in Jahaz Banda in Pakistan
Zelte und das Gästehaus in Jahaz Banda

Im kleinen Gästehaus wird für uns ein kräftigendes Mahl gekocht. Ameer ist unschlüssig, ob wir anschließend zum Katora Lake (3.505 Meter über dem Meeresspiegel) weiterziehen sollen. Wir fühlen uns topfit und bestehen darauf, heute noch zu unserem eigentlichen Ziel im Hindukusch zu wandern.

Ein Mann mit Gewehr gesellt sich zu uns. Die Begleitung durch einen „Gunman“ ist Vorschrift für Ausländer, die in der Region unterwegs sind. Er hatte unsere Abfahrt aus Jandarei verpasst und uns inzwischen eingeholt.

Vom Camp aus geht es stetig bergauf. Ein kleiner See schimmert durch die felsige Umgebung. Zwei Tannen stehen an seinem Ufer, Berge spiegeln sich im glasklaren Wasser, die Szenerie ist unbeschreiblich schön.

Ein sprudelnder Bergfluss weist den Weg. Über von Schmelzwasser aufgeweichten Boden stapfend und über große und kleine Felsbrocken kletternd, erreichen wir einen Gletschersee.

Eisschollen schwimmen auf dem tiefblauen Wasser. Der Gunman holt zwei Hocker aus seinem Rucksack: Die Wanderpausen sollen so komfortabel wie möglich sein. Nur das Schlauchboot, das er ebenfalls mit sich trägt, werden wir nicht nutzen.

Die Pause am See könnte so erholsam sein, wenn die Selfiejäger nicht wären. Es gibt nur eines, was den Pakistanis wichtiger ist, als ein Selfie mit uns – die Sicherheit der Region zu betonen.

Ausgedehnte Schnee- und Geröllfelder wechseln sich ab. Von oben brennt die Sonne, auf den Schneefeldern weht ein eisiger Wind. Auf dem letzten Anstieg trennt uns nur ein rutschiger, fußbreiter Pfad vom Abgrund.

See inmitten von Felsen
See inmitten von Felsen
Bergsee und unser Beschützer
Bergsee und unser Beschützer
Katora-Lake in Pakistan
Katora-Lake

Der Anblick des grandiosen Panoramas des Katora Lake lässt alle Anstrengung vergessen. Tief verschneite Berggipfel spiegeln sich zwischen dem aufbrechenden Eis des Sees, unter einem Stoffdach brennt ein offenes Feuer, Tee wird gekocht.

Lange können wir nicht bleiben. Die Sonne macht die Schneefelder von Minute zu Minute rutschiger, immer mehr Schmelzwasser stürzt die Berge hinab. Mühselig gestaltet sich der Rückweg. Endlich in Jahaz Banda angekommen, fallen wir gleich nach dem Abendessen auf die Matratzen und schlafen.

Zurück nach Jandarei

Nach einer frostigen Nacht wärmen wir uns früh bei einem heißen Tee in der Morgensonne auf, ehe es nach einem Abstecher zu einem Wasserfall zurück nach Jandarei geht.

Marc läuft ein paar Meter vor mir. Zwei Frauen kommen uns entgegen. Während sie beim Anblick von ihm schnell ihr Gesicht hinter einem schwarzen Tuch verbergen, lüftet eine der Frauen zögerlich ihren Schleier, als sie mich sieht. Die Neugierde hat gesiegt.

Ein Junge verkauft Snacks für den hungrigen Wanderer
Snacks für den hungrigen Wanderer
Wanderer

In Jandarei erwartet uns ein ausgiebiges Mahl. Rajah möchte sich verabschieden und lädt uns in sein zum Museum ausgebautes Haus ein. Die Männer des Dorfes stehen dort Spalier. Jedem wird die Hand geschüttelt, sie klatschen, wir bekommen eine Papiergirlande umgehängt und den traditionellen Hut der Kohistani aufgesetzt. Angeblich waren noch nie Deutsche im Ort gewesen und ich bin die zweite ausländische Frau, die hierher gekommen ist. Wir sind von der Gastfreundschaft und der Herzlichkeit sehr berührt und begeistert und werden noch einmal wiederkommen.

Jandarei in Pakistan
Jandarei
Die Männer von Jandarei in Pakistan
Die Männer von Jandarei

Aus den Bergen des Hindukusch reisen wir in das Kumrat Valley. Eine Eskorte gibt es heute nicht. Als wir in einem Dorf halten, behält der Fahrer, kaum dass ich ausgestiegen bin, aufmerksam die Umgebung im Blick.

Wie so oft auf der Tour sind wir zu spät, Gewitterwolken ziehen herauf, wir beschließen das Kumrat Valley erst am nächsten Tag zu besuchen.

Die beschaulichen Täler von Khyber Pakhtunkhwa: Kumrat Valley

Bis in den Morgen flutet Regen das Land. Vor dem Eingang zum Kumrat Valley versperrt wieder einmal ein Schlagbaum den Weg, die Pässe werden kontrolliert, ein wenig wird diskutiert.

Das Auto hopst und holpert an einem wild strudelnden Fluss entlang durch den Wald. Zeltcamps und Hotels mit an Umkleidekabinen erinnernden Schlafkammern stehen kilometerweit ins Tal hinein.

Die Straße besteht aus im Schlamm versenkten größeren und kleinen Felsbrocken. Ein Wasserfall stürzt 100 Meter vom Weg entfernt in die Tiefe. Dorthin laufen? Kommt nicht infrage. Der Jeep quetscht sich durch Bäume hindurch eine schlammige Anhöhe hinauf. 40 Meter vorm Wasserfall ist endlich Schluss. Wir dürfen den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen.

Passkontrolle am Eingang zum Kumrat Valley
Passkontrolle am Eingang zum Kumrat Valley
Unterkünfte und Laden
Unterkünfte und Laden
Wasserfall im Kumrat-Valley
Wasserfall

Eine Gruppe islamischer Gelehrter und Taliban (Koranstudenten) entdeckt uns. Gerne würden sie Fotos mit uns machen, wir haben nichts dagegen. Nur als ich mit auf das Bild drängle, gehen die beiden Ältesten zur Seite.

Granatapfelsaft, Erdnüsse und Gebäck machen die Runde. Als wir weiter gehen, werden uns Erdnüsse als Proviant mitgegeben. Für uns geht die Tour tiefer ins Tal. Grüne Weiden, schneebedeckte Berge und der Fluss Panjkora bieten Erholung pur.

An einem Grillstand lassen wir ein paar Spieße auflegen. Da aber zuerst noch das Feuer unter dem Grill angezündet werden muss, haben wir Zeit und bummeln zum Fluss. Dort bereitet die Gruppe vom Wasserfall gerade ihr Mittagsmahl zu.

Reis köchelt in einem Topf, Obst liegt bereit. Die Zurückhaltung mir gegenüber ist auch bei den beiden Älteren gewichen. Ob wir nicht mit ihnen zusammen essen wollen? Wir müssen ablehnen. Innerlich bedauern wir das, denn Gesellschaft und Gespräch sind sehr angenehm.

Am Imbiss fängt uns ein junger Mann ab. Er sei Journalist und würde gerne ein Interview führen. Abgelehnt. Er lässt nicht locker und zu meiner Erleichterung gibt Marc nach und ich kann mich in den Hintergrund verdrücken. „Aber zuerst wird gegessen.“ Lange muss der Journalist sich nicht gedulden. Ein Kalb kommt an den Tisch und frisst die Reste vom Teller – das ist das Signal zum Aufstehen.

Kamera und Interviewer haben nur auf den Moment gewartet und sind sofort zur Stelle. Marc gibt zwei Interviews für verschiedene Fernsehsender, die abends zur besten Sendezeit ausgestrahlt werden. Alle sind zufrieden und wir können das Tal verlassen.

Wieder bekommen wir wechselnde Eskorten an die Seite, steigen in Dir in das Auto des alten Mannes ein und kommen in der Nacht an unserem Ziel Mingora, dem Hauptort des Swat-Tales, an.

Das Swat-Tal wird auch Tal der Pfirsiche genannt. Gärten voller Pfirsichbäume säumen die Straße hinter Mingora, kistenweise werden die Früchte zum Verkauf angeboten.

Swat Tal
Jungen verkaufen Pfirische
Jungen verkaufen Pfirische

Eine Eskorte mit vier Mann fährt voraus. Bei einem Pfirsichverkäufer halten wir, aber die Früchte lagen zu lange in der Sonne und werden von unseren Begleitern als schlechte Ware eingestuft. Die Eskorte lässt uns an einer anderen Plantage halten. Vier Mann springen vom Auto, testen die Pfirsiche und befinden sie für kaufwürdig. Beim Bezahlen geht einer der Polizisten dazwischen: „Das waren hundert Rupien (1,20 Euro) zu viel. Gib sie zurück!“, wird der Verkäufer angeraunzt.

Ein letztes Mal wechseln die Bewacher. Sechs Mann bringen uns bis Besham, dann geht es ohne bewaffnete Begleitung auf dem Karakorum Highway, der höchsten Fernstraße der Welt, weiter in die Provinz Gilgit Baltistan.

Auf dem Karakorum Highway

Stacheldraht, Wohncontainer, Losungen, die die pakistanisch-chinesische Freundschaft beschwören, verschandeln die Gegend. Wir sind auf einem Abschnitt des Karakorum Highway unterwegs, den der Chinese im Rahmen seines Projektes „Neue Seidenstraße“ ausbaut. Von einem Fortschritt des Projektes ist nicht viel zu merken. Einige Abschnitte sind asphaltiert, der weitaus größere Teil ist in einem desolaten Zustand.

Im Hotel in Chilas, einem kleinen Ort im Tal des Indus und Knotenpunkt für Wanderungen auf den Nanga Parbat, treffen wir Muhammad Ali „Sadpara“, Pakistans bester Bergsteiger, der neben allen Achttausendern auch als erster Kletterer den Nanga Parbat im Winter bestiegen hat, zum Tee und einem Plausch. Von ihm erfahren wir, dass der Karakorum Highway und der Weg zur Märchenwiese am Nanga Parbat – unserem morgigen Ziel – wegen Erdrutschen gesperrt sind. Zuverlässige Informationen gibt es jedoch nicht. Jeder startet zu seiner Tour und strandet oder nicht.

Auf dem Karakorum-Highway
Lkw auf dem Karakorum-Highway
Ein Schläfchen in Ehren …
Karakorum-Highway
Ein luftiges Plätzchen

Zumindest der Karakorum Highway ist am nächsten Tag für den Verkehr wieder freigegeben. Entsprechend viele Lkw und Pkw sind unterwegs. Erdrutsche und Gerölllawinen sind soweit geräumt, dass ein Auto mit einem geschickten Fahrer die Stellen passieren kann. Da aber jeder drängelt, in den zwei engen Spuren drei Spuren sieht und in vermeintliche Lücken fährt, geht nichts vorwärts.

Lkw stecken im Schlamm fest. Aus den voll besetzten Autos steigen die Leute aus, fuchteln wild mit den Armen in der Luft herum, um den Stau in ihrem Sinn aufzulösen oder wenigstens ein paar Zentimeter Straße gut zu machen. Dabei sind die wenigen Meter zwischen Felswand und tiefem Abgrund eine viel zu schmale Bühne für die Blechmassen und Selbstdarsteller.

An einem besonders tiefen Schlammloch haben sich 40 Männer versammelt. Passiert ein Autofahrer auf Anhieb die Senke, gibt es Jubel und Applaus, schafft er es nicht, wird hämisch gelacht. Der alte Mann manövriert den Wagen geschickt durch das Hindernis. Endlich haben wir eine freie Strecke vor uns.       

Im Hotel an der Rakiot-Brücke muss der Wagen gegen einen Jeep getauscht werden. Der Hotelbesitzer erzählt, dass der Weg zur Märchenwiese erst gegen Abend geräumt sein wird, der Weg zum Astore Valley aber wohl frei sei. Innerlich frohlocken wir. Reinhold Messner ist im Astore Valley und Ameer hat es geschafft, eine Verabredung zum Abendessen mit ihm zu arrangieren.

Stippvisite im Astor Valley

Schnell vertilgen wir noch einen Imbiss. „Die Straße zum Astore Valley ist ebenfalls blockiert“, verkündet Ameer plötzlich. Uns bleibt der Bissen im Hals stecken. Die Straße wäre erst gegen 17 Uhr geräumt, das sei zu spät, um rechtzeitig im Astore Valley anzukommen. Trotz Ameers Zurückhaltung insistieren wir auf die Fahrt, um uns an dem Erdrutsch ein eigenes Bild von der Lage zu machen.

Truck auf dem Karakorum-Highway
Truck auf dem Karakorum-Highway
Stau auf dem Karakorum Highway
Stau auf dem Karakorum Highway

Dort schaufelt ein Bagger Erde und Geröll ins Tal. Eine Stunde sollen die Aufräumarbeiten noch dauern. Trotzdem möchte Ameer für die Nacht lieber nach Gilgit ausweichen, da es noch einen zweiten Felssturz gäbe.

Wir lassen uns nicht beirren. Nach einer Stunde ist die Straße befahrbar, beide Erdrutsche sind geräumt, alle stürzen in ihre Autos und fahren wild darauf los. Ein Traktor mit Anhänger, der sich zwischen die Autos schiebt, verliert einen Teil seiner Ladung, der Fahrer bemerkt aber erst 200 Meter später, dass seine Ladung die Straße blockiert. Unglaublich, dass die Straße überhaupt ohne Jeep befahren werden darf. Allerdings sind etliche Mittelklassewagen auf diesen Pisten unterwegs, bemerkenswerterweise sind sie ohne Beulen oder Schrammen.

Vorsichtig umkurvt der alte Mann das Hindernis, dann geht es endlich ohne Stau vorwärts. In der Dämmerung erreichen wir den Ort Astore, bis zum gleichnamigen Tal liegen noch einige Kilometer, die nur mit einem Jeep befahren werden können, vor uns.

Am Ortseingang kontrolliert Militär kurz die Pässe, 200 Meter weiter stoppt uns ein Dorfpolizist und will ebenfalls die Pässe sehen. Auf seinem Moped steht „Touristenpolizei“, die pakistanische Variante des Gendarmen von Saint Tropez. Unsere bis eben noch von Militär, Polizei und ATS für gültig befundenen Visa beurteilt er als ungültig und will die Weiterfahrt verhindern. Marc wird laut, Ameer schafft es, ihm die Pässe wieder abzunehmen. Das Abendessen mit Messner hat sich aufgrund der vorgerückten Stunde ohnehin erledigt.

Blau leuchtet der Himmel am nächsten Morgen, die Südseite des Nanga Parbat strahlt schneeweiß in der Sonne, auf der grünen Wiese vor dem Gästehaus ist der Frühstückstisch bereits gedeckt.

Nanga Parbat in Pakistan
Nanga Parbat
Dorf im m Astore Valley in Pakistan
Dorf im m Astore Valley

Messner ist mit Sohn, Schwiegertochter und zwei Kameraleuten unterwegs. Zum Frühstück stehen diverse Leckereien auf dem Tisch, wir dürfen zugreifen. Nach einem Foto und einem kurzen Plausch brechen wir gemeinsam auf zur Märchenwiese.

Wer zur Märchenwiese möchte, muss im Hotel an der Rakhiot-Brücke sein Auto gegen einen kleinen Jeep tauschen. Es ist das Hotel, in dem wir gestern einen Imbiss genommen hatten. Im Gegensatz zum Vortag erwarten uns dort frische Tischdecken, glänzende Gläser und ein zügig serviertes Essen – Messner sei Dank.

Almenlandschaft Märchenwiese am Nanga Parbat

Unser Jeep ist der letzte im Messner-Tross. Die Piste, auf der wir fahren, würde in Deutschland allenfalls als gefährlicher Wanderweg gekennzeichnet werden. Durch spitze Kurven, über rutschige Geröll-Sand-Mischungen, unter tief hängenden Felsüberhängen hindurch, den Blick stetig auf den Abgrund gerichtet, fahren wir zu dem auf 2300 Metern Höhe gelegenen Dorf Tato. An einem am Vortag weggerissenen Straßenstück – nur eine schmale Brücke für Fußgänger wurde nicht zerstört – wird der Jeep gewechselt.

Mit dem Jeep zur Märchenwiese
Mit dem Jeep zur Märchenwiese
Dorf im Himalaya in Pakistan
Dorf im Himalaya
Der Reparaturtrupp

Nach weiteren eineinhalb Stunden Fahrt muss endgültig auf Schusters Rappen umgesattelt werden. Drei Stunden Fußweg sind es noch bis zur Märchenwiese. Eine halbe Stunde vor Messner laufen wir los, doch noch bevor wir an der Mitte des Weges angekommen sind, zieht er schnellen Schrittes vorbei, eine Stunde nach ihm erreichen wir die Märchenwiese.

Wir sind froh, als wir endlich am Ziel sind. Die Märchenwiese liegt auf 3300 Metern Höhe an einer tiefen Schlucht, unterhalb der Nordseite des Nanga Parbat. Hütten, viele wild erbaut, stehen für Wanderer bereit.

Müll liegt überall verteilt herum. Etwas enttäuscht beziehen wir eine der Hütten. Um wie viel schöner war doch die Wiese von Jahaz Banda. Entschädigung gibt es beim Abendessen und einer interessanten Konversation mit Messner.

Für den kommenden Tag haben wir uns eine Tour zum Base Camp I an der Nordseite des Nanga Parbat vorgenommen. Nachdem mehrere Wanderer erzählt haben, dass auf dem Weg knietiefer Schnee liegt, sehen wir jedoch von der Wanderung dorthin ab und begnügen uns mit einer Tour zu einem Aussichtspunkt.

Durch dichten Nadelwald und über grüne Wiesen wandern wir bis zu einem vorgelagerten Camp. Die Hütten sind nicht vermietet, nur in einer kann man Tee und Snacks erwerben. Wir legen eine Wanderpause ein und genießen die idyllische Bergwelt bei einem Tee.

Auf dem Weg zum Nanga Parbat
Auf dem Weg zum Nanga Parbat
Die Nordseite des Nanga Parbat
Die Nordseite des Nanga Parbat
Auf der Märchenwiese
Auf der Märchenwiese

Der Aussichtspunkt ist nicht mehr weit entfernt. Musik schallt uns entgegen. Ein paar Pakistani erfreuen sich auf ihre Art über den Blick auf den Achttausender, den lang gezogenen Gletscher sowie die Eisberge rundherum.

Nach dem gemeinsamen Abendessen trennen sich am nächsten Morgen die Wege von der Messner-Truppe und uns. Da wir uns erst noch von Messner verabschieden, kommen wir trotz zügigen Marsches zu spät zum Haltepunkt der Jeeps. Zähneknirschend setzen wir den Fußmarsch fort. Nach einer halben Stunde kommt uns ein Jeep entgegen, wir steigen ein, fahren fünf Minuten und steigen wieder aus: Der Reifen ist platt. Wieder laufen wir eine halbe Stunde bis der nächste Jeep erreicht ist, der zum Hotel an der Rakhiot-Brücke fährt.

Müde erreichen wir das Tal, steigen zu unserem alten Mann ins Auto und fahren auf dem Karakorum Highway weiter ins Hunzatal.

Hunzatal: Eine Oase in einer Wüste

An einem auf den ersten Blick unspektakulären Aussichtspunkt halten wir. Vor uns liegen die Ausläufer der drei Gebirge Hindukusch, Karakorum und Himalaya.

Am Fluss Hunza entlang geht es auf dem ausgebauten Karakorum Highway tiefer ins Hunzatal. Grün und fruchtbar ist die Landschaft, am Straßenrand werden süße, knackige Kirschen verkauft, 7000er wie der Rakaposhi und der Mustagh Ata strahlen weiß in den blauen Himmel, Frauen tragen keine Kopftücher und arbeiten.

Hunza-Tal in Pakistan
Hunza-Tal
Blick auf Karimabad
Blick auf Karimabad

In Karimabad, dem Hauptort im Hunzatal, legen wir eine zweitägige Pause ein, besichtigen die Altit-Festung, schlendern entlang der Handwerker-Läden des Ortes, relaxen mit Blick auf die umgebenden Berge und starten einen Ausflug zum Hoper-Gletscher, einem eher enttäuschenden Bild eines von grauem Sand bedeckten Eisfeldes.

Eine Stunde von Karimabad entfernt liegt Passu. Zwischen den Orten hat im Januar 2010 ein gewaltiger Bergsturz den Lauf des Hunzaflusses mit einer über einen Kilometer breiten Barriere gestaut. Der so entstandene See überschwemmte mehrere Dörfer und den Karakorum Highway und erhielt den Namen Attabad-See nach einem der in den Fluten versunkenen Dörfer.

Mittlerweile ist der Karakorum Highway wiederaufgebaut, führt durch fünf Tunnel um den See herum, die Anwohner bieten Bootsfahrten an. Auch wir lassen uns für eine halbe Stunde über das türkisfarbene Wasser schippern.

Die letzte Attraktion am pakistanischen Teil des Karakorum Highway ist die Hussein-Brücke, eine Hängebrücke aus Brettern, die in Schrittabstand über zwei Drahtseilen liegen. Maximal drei Personen dürfen sich gleichzeitig auf der Brücke aufhalten.

Attabad-See in Pakistan
Attabad-See
Hussein-Brücke in Pakistan
Hussein-Brücke,

Ein paar Besucher warten bereits. An einem Stand gibt es Getränke und Knabberzeug, wir trinken einen Tee, anschließend betreten wir die Brücke. Es schaukelt und wackelt. Am anderen Ende gibt es nur einen Ziegenpfad; wir kehren gleich wieder um.

In Passu entspannen wir noch einmal in der friedlichen Idylle hoher Berge, in deren Felsspalten Schnee schimmert, wandern zu den Ausläufern des Passu-Gletschers und machen uns nach zwei geruhsamen Nächten auf den Weg nach China.

Berge in Gilgit-Baltistan
Berge in Gilgit-Baltistan
Dorf Passu vor einer Bergkulisse
Passu
Landschaft bei Passu
Landschaft bei Passu

Von Passu bis ins chinesische Tashkurgan haben wir ein Auto mit Fahrer gemietet. Das spart gegenüber dem irgendwann fahrenden Bus viel Zeit.

Sost ist die Grenzstadt auf pakistanischer Seite, der eigentliche Grenzübergang ist auf dem 4700 Meter hoch gelegenen Khunjerab-Pass. Zoll und Ausreise werden in Sost erledigt. Sämtliche Daten werden freundlich lächelnd und mit einigem Zeitaufwand verbunden, handschriftlich in große Bücher eingetragen.

Zwei Passkontrollen und einige Serpentinenkilometer später erreichen wir den Pass. Auf pakistanischer Seite herrscht ausgelassene Stimmung. Nationalfahnen werden geschwenkt, es wird gelacht, posiert und fotografiert. Für eine Woche wird das unsere letzte Begegnung mit fröhlichen Menschen sein: Wir reisen nach China.

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