Die Transmongolische Eisenbahn

Grün leuchten die Waggons der Transmongolische-Eisenbahn in der morgendlichen Dämmerung, weiße Gardinen hängen an den Fenstern, in den Gängen liegen rote Läufer, auf den Tischen befinden sich Beutel mit Instant-Milchtee und Instant 3-in-1 Kaffee. Ich verstaue meinen Rucksack in einer Art Bettkasten unter der Sitzbank. Neugierig warte ich, wer noch in das bisher leere Abteil einziehen wird.

Die Abfahrtzeit rückt immer näher. Aus allen Abteilen tönt laute Betriebsamkeit. Nur in meinem Abteil ist es still.

Pünktlich verlässt der Zug den Bahnhof. Da erscheinen zwei junge Mongolen, lächeln mich zurückhaltend an und setzen sich auf die Liege gegenüber. Sie reden und reden. Erleichtert über ihre Anwesenheit bewundere ich einmal mehr die Ausgeglichenheit, die sie ausstrahlen.

Langsam rollt der Zug aus der Stadt in die endlose Steppe. Die blauen Dächer einiger Häuser sind die einzigen Farbtupfer. Die Zugbegleiterin bringt Bettbezüge, Becher und heißes Wasser. Meine Mitreisenden packen ihre Vorräte aus: Chuschuu (frittierte Teigtaschen), Boortsog (Gebäck) und die unvermeidlichen koreanischen Instant-Nudeltöpfe.

Am Ende des Waggons gibt es eine winzige Küche. Davor befinden sich Wasserhähne für heißes und für kaltes Wasser in der Wand. Die Mongolen aus den Nachbarabteilen bereiten sich Frühstück zu. Schnell riecht der Waggon nach verschiedenen Suppen. Meine Mitreisenden gehen zum Essen zu ihrer Familie ins Nachbarabteil. Eine Atmosphäre von Häuslichkeit umgibt mich.

Mittlerweile ist die Temperatur im Zug auf 30 Grad Celsius geklettert. Während alle auf ihren Liegen ruhen, zieht das Zugpersonal immer wieder den roten Läufer präzise in die Mitte des Ganges und säubert unaufhörlich Toilette und Küche.

Blick aus dem Zugfenster der Transmongolische-Eisenbahn auf ein Dorf
Dörfer ziehen am Fenster vorbei
Blick aus dem Zugfenster der Transmongolische-Eisenbahn auf ein Dorf
Blick aus dem Zugfenster
Blick aus dem Zugfenster der Transmongolische-Eisenbahn auf ein Dorf
Ein größerer Ort

Ab und an hält der Zug an einem Bahnhof. Zu spät bemerke ich, dass auf den Bahnsteigen fliegende Händler ihre Waren anbieten. Als ich mir beim nächsten Halt eine Kleinigkeit kaufen möchte, stehen keine Verkäufer da. Auch gut, denke ich, sie haben ohnehin nur Süßes verkauft.

Gegen Mittag steigt ein Mongole zu. Nun ist das Abteil voll belegt. Sofort sind alle im Gespräch, gerade so als ob sie eine Familie wären.

Die Drei beschließen etwas gegen die aufkommende Langeweile zu unternehmen. Beim Zugpersonal gibt es Kopfhörer für die kleinen Bildschirme, die über den Liegen angebracht sind. Zur Auswahl stehen sechs Filme. Mit einem Lächeln zu mir hinüber entscheiden sich die drei für „Fluch der Karibik“.

Die Landschaft vor dem Fenster ist noch karger geworden. Rinder suchen in der Trockenheit nach Futter; die kleinen Dörfer werden seltener. Die Wolken scheinen zum Greifen nah. Der Zug verschwindet in einer Staubwolke.

Der „Fluch der Karibik“ ist vorbei. Die Mongolen packen ihre Bechertöpfe mit koreanischen Instantnudeln aus und holen sich heißes Wasser.

Draußen ist es dunkel geworden. Wir sind an der Grenze zu China angekommen. Die Pässe werden eingesammelt. Erst eine Stunde später erhalten wir sie wieder zurück. Der Zug rollt nach China. Auf der chinesischen Seite herrscht ein anderer Ton. „Stand Up!“, raunzt mich ein Grenzer an.

Der Zug fährt vor und zurück. Es rumst und kracht. Wir fahren in eine Halle zum Umspuren. Während unter den Waggons die Fahrgestelle ausgetauscht werden, wäscht das Zugpersonal die Waggontürrahmen und Türen ab. Zwei Stunden später rollt ein strahlend sauberer Zug zum Grenzbahnhof. Auf dem Bahnsteig, der eher ein Bahnhofsvorplatz ist, spielt klassische Musik. Die Mongolen stürzen aus dem Zug und in den Bahnhofsshop.

Im Laden herrscht großes Gedränge. Gekauft werden vor allem die in China preiswerteren Obst und Wurstwaren.

Ich suche eine herzhafte Kleinigkeit. Meine Hand tastet sich durch die drängelnden Mongolen zu einem Fach im Kühlregal durch und greift zu. Als ich sie zurückziehe, halte ich einen Hühnerfuß in der Hand. Der ist so gar nicht nach meinem Geschmack und ich lege ihn zurück.

Hungrig sitze ich im Abteil und starre Löcher in die Luft. Plötzlich zupft mich ein Mitreisender am Arm: „Lady, Lady.“ Ich soll unbedingt von seiner eben gekauften Wurst probieren.

Es wird Morgen und später. Irritiert schaue ich auf den Fahrplan. Ich bin davon ausgegangen, dass wir am Morgen Peking erreichen werden, habe aber nicht an die Zeitverschiebung gedacht. Der Zug wird erst am frühen Nachmittag ankommen.

Mir knurrt der Magen. Da werden mir die Chuschuu angeboten. „Nimm! Bevor wir in Peking ankommen, muss alles aufgegessen sein.“

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