Ein gutes Essen ist Balsam für die Seele.
(Sprichwort aus Maehren)
Reisejahr 2025 | Lesezeit 7 Minuten
Leitomischl (Litomyšl) – Olmütz (Olomouc) – Brünn (Brno) – Abstecher nach Schloss Eisgrub (Lednice) und Znaim (Znojmo) – Frain (Vranov) – Abstecher nach Teltsch (Telč)
Nachdem wir im vergangenen Jahr Böhmen erkundet haben, zieht es uns diesmal in einen weiteren Landesteil Tschechiens, nach Mähren. Doch wie so oft im Herbst hat die Reise einen kleinen Wermutstropfen: Viele Sehenswürdigkeiten sind saisonbedingt bereits geschlossen, und wo sie geöffnet sind, finden die Führungen meist nur am Wochenende und in tschechischer Sprache statt. Andererseits ist der Oktober genau diese Zeit, die der Reise trotz saisonaler Hindernisse, und kaltem Wetter eine ganz besondere Atmosphäre verleiht.
Leitomischl – Geburtsstadt von Bedřich Smetana
Unsere Reise beginnt in Leitomischl, der Geburtsstadt des Komponisten Bedřich Smetana, dessen Werke bis heute die tschechische Musiklandschaft prägen. Smetana wurde in der alten Schlossbrauerei geboren, wo sein Vater als Braumeister tätig war. Heute beherbergt dieses Gebäude ein kleines, aber sehr liebevoll gestaltetes Museum, das uns in die Welt des Komponisten eintauchen lässt. In einem Raum wird mit einem animierten Film das musikalische Erbe lebendig, und im angrenzenden Geburtszimmer erzählt eine Jungenstimme auf Deutsch aus dem Leben des Komponisten.
Das Schloss, das wir anschließend besichtigen wollen, ist leider nur im Rahmen einer tschechischen Führung zugänglich, doch die deutsche Übersetzung der Erklärungen in Papierform hilft uns weiter. Die prachtvollen barocken Räume und das historische Theater sind eindrucksvoll, ebenso die kunstvolle Sgraffito-Fassade, die dem Gebäude eine bemerkenswerte räumliche Tiefe verleiht.
Ein paar Gassen weiter entdecken wir das „Portmoneum“. Der Name täuscht: Hier geht es nicht um Geldbörsen, sondern um den Künstler Josef Váchal, der die Wände, Decken und Möbel seines Freundes Josef Portman mit einer fantastischen Mischung aus mythischen Gestalten, christlichen Symbolen, hinduistischen Motiven und Tierkreiszeichen bemalte.
Den Spaziergang beschließen wir auf dem Smetana-Platz, dem Herzen der Stadt, umgeben von Renaissance- und Barockfassaden mit eleganten Arkaden, unter denen gemütliche Cafés zum Verweilen einladen. Sie sind eine Erinnerung daran, dass die Region einst Teil der habsburgischen Monarchie war, deren kultureller Einfluss bis ins Alltagsleben reichte. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen: Im weiteren Verlauf unserer Reise durch Mähren wird es zunehmend schwieriger, ein Café in österreichischer Kaffeehaustradition zu finden.
Olmütz – das „mährische Prag“
Am nächsten Morgen fahren wir weiter nach Olmütz. Die Stadt empfängt uns mit Sonne und goldgelbem Laub. Kirchen und Paläste prägen das Stadtbild, und tatsächlich erinnert Olmütz ein wenig an Prag, nur kleiner und beschaulicher.
Über 200 Stufen erklimmen wir den Turm der St.-Mauritius-Kirche. Während wir den Anblick genießen, beginnen unter uns die Glocken zur Mittagsstunde zu schlagen; der Turm vibriert. Im Innern beeindruckt das Gotteshaus mit der größten Orgel Tschechiens und farbigen Glasfenstern, in denen historische Figuren wie Kaiser Franz verewigt sind.
Wir setzen unsere Kirchentour fort, lauschen dem Orgelspiel in der Kirche Maria Schnee und bewundern die prachtvoll bemalte Decke der St.-Michaels-Kirche, auf der eine Kopie von da Vincis Abendmahl prangt.
Höhepunkt der Stadt ist die Dreifaltigkeitssäule auf dem Rathausplatz. Leider ist sie bis 2027 wegen Restaurierungsarbeiten eingerüstet, sodass wir unsere Aufmerksamkeit gleich dem Rathaus zuwenden. Zahlreiche Sonnenuhren zieren die Fassaden des Gebäudes, doch die astronomische Uhr zieht uns besonders an. Ihr zartes Glockenspiel zur Mittagszeit geht im Klang der St.-Mauritius-Glocken beinahe unter, doch das eigentliche Schauspiel bietet ihr Design: sozialistische Mosaiken, eine Uhr mit den Geburtstagen von Stalin, Lenin und Klement Gottwald (erster kommunistischer Staatspräsidenten der Tschechoslowakei) sowie Figuren von Arbeitern, Bauern und Intellektuellen, die sich anstelle der Apostel im Kreis drehen.
Den Stadtspaziergang beenden wir beim neugotischen Wenzelsdom. In seinem fast 100 Meter hohen Hauptturm – dem zweithöchsten in Tschechien – hängt die größte Glocke Mährens.
Eine der schönsten Sakralbauten steht jedoch im Umland von Olmütz: die Basilika Mariä Heimsuchung, die auf dem sogenannten Heiligenberg thront. 1995 wurde die barocke, prachtvoll und formenreich gestaltete Wallfahrtskirche von Papst Johannes Paul II. zur Basilika minor erhoben und beherbergt seit 2015 ein Reliquiar mit seinem Blut.
Auf dem Weg nach Brünn – Zwischen Märchen und Geschichte
Die Weiterfahrt nach Brünn unterbrechen wir zweimal: zuerst an der Burg Bouzov, dann am Pratzen-Plateau bei Austerlitz.
Bouzov wirkt wie aus einem Märchenbuch gefallen. Kein Wunder, dass sie Filmkulisse für tschechische Märchen und Serien wie „Prinzessin Fantaghiro“ war. Aber nicht nur von außen ist sie beeindruckend, ihre sehenswerten Räume mit viel Holzvertäfelung und Schnitzarbeiten haben einen ganz eigenen Charme.
Der Pratzeberg mit dem Friedensgrabhügel hingegen erzählt eine andere Geschichte: die der „Dreikaiserschlacht“ von 1805, als Napoleon Bonapartes Truppen die Armeen von Kaiser Franz II. und Zar Alexander I. vernichtend schlugen. Napoleon selbst nannte sie „die schönste Schlacht, die ich je geschlagen habe“.
Brünn – das moderne Herz Mährens
Brünn, zweitgrößte Stadt Tschechiens, vereint moderne Architektur, Geschichte und lebendige Kultur. Mit dem Brünn-Pass in der Hand erkunden wir die Stadt zu Fuß.
Wir beginnen unter der Erde: in den ehemaligen Zisternen, die einst die Stadt mit Wasser versorgten. Während das älteste Reservoir (erbaut 1874) an englische Wasserbauwerke erinnert, beeindruckt das zweitälteste (erbaut 1894) durch 70 arkadenförmige Säulen, das jüngste wiederum (erbaut 1917) besticht durch 87 Säulen und ein unglaublich langes Echo.
Über der Erde thront die Burg Spielberg mit ihren sagenumwobenen Kasematten. Unter den Habsburgern wurde das ehemalige Schloss in eine Festung mit einem Gefängnis für die schlimmsten Verbrecher aus Österreich und Tschechien umgewandelt und galt als die härteste Haftanstalt der Monarchie.
Auch Brünns Kirchenlandschaft ist bemerkenswert. Besonders das Ossarium unter der St.-Jakobs-Kirche beeindruckt: Hier ruhen die kunstvoll gestapelten Gebeine von über 50.000 Menschen. In schummrigem Licht und begleitet von leiser Musik entsteht eine eigentümlich friedliche Atmosphäre.
An der Fassade der St.-Jakobs-Kirche sorgt hingegen ein kleines Detail für Schmunzeln: Eine steinerne Figur streckt keck ihren nackten Hintern in Richtung der St.-Peter-und-Paul-Kathedrale, eine spöttische Geste gegenüber dem einst schleppend verlaufenden Baufortschritt des Nachbarn.
Die Kathedrale selbst steht hoch über der Stadt auf dem Petrov-Hügel. Ihre Glocken läuten bereits um 11 Uhr zu Mittag – eine Kriegslist aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Der Legende nach soll der schwedische General Torstensson bei der Belagerung der Stadt erklärt haben, dass er die Blockade abbricht, falls er Brünn nicht eingenommen hat, bevor die Mittagsglocken tönen. Und so ließen die Belagerten die Glocken eine Stunde eher schlagen.
Auf dem Freiheitsplatz erinnert eine schwarze Granituhr, deren Form an ein großes Projektil erinnern soll, an diesen Sieg. Täglich um 11 Uhr fällt eine Kugel aus dem Uhrwerk. Wer schnell genug ist, darf sie als Souvenir behalten.
Die Weinbauregion Südmährens
Die Reise führt uns weiter nach Südmähren, eine Region, in der sanfte Hügel, Weinreben und weites Licht die Landschaft prägen. In Lednice nehmen wir im Schloss Eisgrub, an einer Führung teil, die sich zwar auf wenige Zimmer beschränkt, aber durch die Pracht der Innenräume beeindruckt.
In Mikulov lassen wir den Tag bei einer Weinverkostung ausklingen, begleitet von einer köstlichen Wurst- und Käseplatte. Die Spezialitäten munden uns so gut, dass wir am nächsten Morgen einen 60 Kilometer langen Umweg fahren, um Nachschub zu besorgen. Erst danach setzen wir unsere Fahrt nach Znaim fort.
Znaim – ehemalige Königsstadt über der Thaya
Znaim liegt malerisch auf einer Felszunge oberhalb des Flusses Thaya. Die Überreste der mittelalterlichen Stadtmauer mit ihren Türmen prägen das Panorama. Durch enge Gassen steigen wir hinauf zur Nikolaikirche mit ihrer originellen Globuskanzel und der benachbarten St.-Wenzel-Kapelle.
Auch wenn viele Sehenswürdigkeiten bereits geschlossen sind, entschädigt der Blick von der Stadtmauer: Tief unter uns schlängelt sich die Thaya durch das Hügelland, das in warmen Herbstfarben leuchtet. Wir folgen ihrem Lauf bis in das kleine Dörfchen Vranov.
Teltsch und die Schlösser Vranov und Bitov
Vranov ist ein idealer Ausgangspunkt für Erkundungen der Umgebung. Unser Weg führt uns nach Teltsch, dessen Altstadt selbst an grauen Herbsttagen verzaubert.
Die farbenfrohen Giebelhäuser rund um den Marktplatz strahlen im diffusen Licht eine märchenhafte Atmosphäre aus. Einst wetteiferten die Bürger um die prachtvollsten Fassaden, die ein Symbol für Wohlstand und Ansehen waren und die Teltsch bis heute zu einer der schönsten Städte Mährens machen.
Von dort folgen wir weiter der Thaya. Hoch über einer Flussschleife liegt das Schloss Bitov, umgeben von bunt leuchtenden Wäldern. Im Hof singen die Äolsharfen im Wind, während wir das romantische Ensemble auf uns wirken lassen.
Den Abschluss bildet ein Spaziergang durch die Außenanlagen des Barockschlosses Vranov, ein stiller Ausklang unserer herbstlichen Kurzreise nach Mähren.












































