Schnelles Gehen bringt kein Glück.
(Sprichwort von den Komoren)
Reisejahr 2022
Grande Comore – Mohéli – Anjouan – Grande Comore – Somalia (Mogadischu)
Die Küstenlinie der Hauptinsel der Komoren, Grande Comore, fasziniert schon beim Landeanflug mit blauem Ozeanwasser, weißen Sandstränden und dem noch aktiven Vulkan Karthala (2361 Meter), der sich aus einem zerklüfteten Gebirgsmassiv erhebt.
Zwischen dem afrikanischen Festland und Madagaskar gelegen, beeindrucken die Komoren nicht nur mit Natur, sie sind auch das Land mit der weltweit höchsten Putschrate. Mehr als zwei Dutzend Mal gab es seit der Unabhängigkeit von Frankreich (1975) Staatsstreiche. Auch der jetzige Präsident Azali Assoumani ist ein ehemaliger Putschist.
Inselhopping auf den Komoren
Gewöhnlich verbinden Fährschiffe und Flugverkehr die einzelnen Inseln miteinander. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es dagegen nicht. Auf Grande Comore bringen unzählige Taxis die Leute von Ort zu Ort. Das Fahren per Anhalter ist weit verbreitet.
Da der Verkehr zwischen den Inseln regelmäßig aber nicht zuverlässig ist, verbringen wir die erste Nacht auf Grande Comore. In einer Villa am Stadtrand von Moroni mieten wir ein Zimmer. Das aus Basalt gebaute Haus hat großzügige Terrassen, auf denen die Hitze des Tages und die sehr hohe Luftfeuchtigkeit vom Wind verweht werden. Im Garten liegen Schildkröten wie kleine Felsbrocken, die sich neugierig nähern und auf die Füße krabbeln. Erst am Abend verlassen wir das Anwesen und gehen auf der Suche nach einer Straßenküche an der viel befahrenen Straße entlang.
Wellblechhütten und ab und an eine Villa säumen den Weg. Oft werden Gemüse, Wasser und Medikamente in kleinen Läden verkauft. Grillduft, der durch die Fensteröffnung einer Blechhütte strömt, lockt uns hinein. Im Gastraum gibt es vier Biertischgarnituren. Die Wände sind aus Bambus geflochten, auf den Tischen stehen wegen eines Stromausfalls Kerzen. Serviert werden köstlich gegrillte Fleischspieße und Bananenchips. Das Essen schmeckt so gut, dass wir beschließen, bei unserer Rückkehr nach Grande Comore hier wieder einzukehren.
Die Insel Mohéli
Am nächsten Morgen wollen wir nach Mohéli fliegen. Ob der Flug geht, werden wir am Terminal erfahren. Auf den Tickets steht vorsorglich „Nehmen Sie sich am Abflugtag und am Tag darauf nichts vor“. Wir haben Glück. Die Cessna von Inter Isles Air fliegt und 30 Minuten nach dem Abflug landen wir auf Mohéli. Bevor wir jedoch das Terminal betreten dürfen, wird noch ein Corona-Schnelltest gemacht.
Die Insel ist die kleinste der drei bewohnten Komoren-Inseln. Während Grande Comore und Anjouan von Küstenstraßen umrundet werden, gibt es auf Mohéli nur wenige, kaum ausgebaute Fahrbahnen. Wir werden bereits erwartet und rumpeln 90 Minuten durch tiefgrünen Urwald die Piste entlang, den türkis und tiefblau schimmernden Ozean und weiße Sandstrände im Blick. Getrübt werden die Ausblicke nur durch den überall verstreuten Müll und die unzähligen Autowracks, die in der Landschaft verteilt liegen.
Ausgediente Fahrzeuge und Siedlungsabfälle sind das große Problem auf allen Komoreninseln. Sie liegen auf jedem Fleckchen, in Plantagen, Ortschaften, im Wald, im Meer und am Strand. Noch nie habe ich so ein vermülltes Land bereist.
Die Lodge liegt idyllisch an einer kleinen Bucht. Bevor wir jedoch die Ruhe und die Natur genießen, müssen wir zu einem Einkaufsbummel ins Dorf. Mein Gepäck ist bei der Zwischenlandung in Addis Abeba liegen geblieben und ich brauche Schwimmsachen und ein Kleid.
Chalid aus der Lodge begleitet uns. Es ist früher Nachmittag, die Sonne brennt auf der Haut, die Gassen, die sich zwischen Wellblechhütten und ruinenartigen Häusern hindurchschlängeln, sind menschenleer. Unter einem großen Baum sitzen die Männer des Dorfes und diskutieren. Daneben sortiert in einem fensterlosen Raum ein Mann die Limettenernte aus. Chalid spricht ihn an, er nickt und holt eine Tasche mit Kleidern. Zu einem blauen Kleid mit grünem Batikmuster gibt es sogar noch das passende Kopftuch und ich kaufe beides. Die Sachen kann ich ohnehin bei der Weiterreise nach Somalia gut gebrauchen.
In einem Laden erstehe ich noch einen Sportdress aus chinesischer Produktion, der aus so viel Kunstfaser besteht, dass er nicht einmal nass wird. Jetzt bin auch ich startklar für den Inselurlaub.
Zurück in der Lodge testen wir sogleich den glasklaren, warmen Ozean und baden, bis die untergehende Sonne das Wasser blutrot färbt.
In den Bergen von Mohéli
Heute soll mein Gepäck und damit auch meine Schnorchelausrüstung endlich ankommen. Bis dahin überbrücken wir die Zeit mit einer Wanderung in der Umgebung zu den nur auf den Inseln Anjouan und Mohéli lebenden Livingstone-Fruchtfledermäusen und dem Wasserfall von Miringoni.
Nach einer kurzen Autofahrt werden wir abgesetzt. Abu, ein Guide aus einem der umliegenden Dörfer, erwartet uns bereits und los geht es in den üppigen Regenwald. Magere Kühe weiden im dichten Grün, um uns herum wachsen Vanille, Gewürznelken, Zimt, Pfeffer, Kaffee, Kakao und die Duftpflanze Ylang Ylang, aus deren Blüten das Parfüm Coco Chanel N°5 gewonnen wird.
Wir folgen einem Bach in Richtung der Berge. Im Gras liegt ein Hinweisschild mit der Aufschrift „1500 Meter zu den Livingstone-Fledermäusen“. Obwohl wir noch nicht lange unterwegs sind, legt Abu eine Pause ein: „Zehn Minuten.“ Als für uns gefühlte zehn Minuten vorbei sind, machen wir uns bereit zum Gehen. Abu blickt auf seine Uhr und schüttelt den Kopf: „Noch eine Minute.“ Tatsächlich steht er erst nach exakt einer Minute auf.
Am Wegesrand steht das nächste Hinweisschild; nunmehr sind es bereits „1750 Meter zu den Livingstone-Fledermäusen“. Obwohl das Ziel sich laut Wegweiser weiter entfernt hat, stehen wir fünf Minuten später unterhalb der Bäume, in denen die Fledermäuse leben. Einige sonnen sich gut sichtbar, andere umkreisen ihren Schlafplatz und zeigen dabei ihre stattliche Flügelspannweite von bis zu 1,40 Metern.
Um eine Genickstarre zu vermeiden, kehren wir bald wieder zurück zum Auto, fahren ein kurzes Stück und treffen Radi, einen Guide, der uns zum Wasserfall von Miringoni bringen soll. Das Naturschauspiel ist nur 15 Minuten zu Fuß von der Straße entfernt. Wie überall auf den Inseln im Wald und in den Dörfern stehen auch hier Destillerien, in denen aus den Ylang Ylang-Blüten das Öl zur Parfümherstellung extrahiert wird.
Über das Geröll eines Flussbettes geht es leicht aufwärts, bis der Wasserfall in einiger Entfernung durch das Grün schimmert. Radi zeigt auf den silbrig glänzenden Wasserstrahl: „Wollt ihr bis dorthin? Der Weg ist etwas schwerer zu gehen.“ Natürlich wollen wir weiter und im Pool baden.
Die Abkühlung will tatsächlich verdient sein. Nur eine seitwärts abfallende Trittspur führt aufwärts, während Luftwurzeln einen aufrechten Gang unmöglich machen. Aber es lohnt sich und nach einem erfrischenden Bad im kühlen Nass und einer Dusche unterm Wasserfall geht es zurück zur Lodge.
Fünf Stunden waren wir unterwegs und sind sehr hungrig. Während wir noch essen, kommt Farid, ein Lodge-Mitarbeiter an den Tisch: „Wir haben hier Lemuren, die immer gegen 16 Uhr mit Bananen angelockt werden können. Habt ihr Lust dazu?“ Er drückt jedem von uns eine Banane in die Hand, wir gehen zu einem hohen Baum, Farid schnalzt mit der Zunge und schon kommen zwei Lemuren und greifen vorsichtig nach den Bananenstücken auf unseren Händen.
Schnorcheln im Mohéli National Marine Park und eine Silvesterfeier
Mein Gepäck ist angekommen und somit steht den Schnorcheltouren nichts mehr im Weg. Die Unterwasserwelt der Insel soll mit ihren ausgedehnten Korallenbänken, bunten Fischen und Riesenwasserschildkröten faszinierend sein. Um sie zu schützen, wurde der Mohéli National Marine Park gegründet, der sich in der Nähe der Lodge befindet.
Mit einem Boot schippern wir zu zwei nicht weit entfernten unbewohnten Inseln und schnorcheln über Korallenriffen, bunten Fischen, Tintenfischen und Schildkröten im warmen Ozean.
Mittlerweile ist es so heiß, dass wir zur Lodge zurückkehren. Unsere Zimmernachbarn – ein Paar aus den Vereinigten Staaten von Amerika – stehen mit einer 1-Liter-Flasche französischen Wodkas vor der Tür: „Möchtet ihr etwas?“ Wir lehnen wegen der Hitze dankend ab. Kurz darauf klopft es an der Zimmertür. „Möchtet ihr südafrikanischen Rotwein trinken?“, fragt Nachbar Kevin. Da sagen wir nicht nein und nachdem er sich einen Schluck in ein Glas gegossen hat, drückt er uns gleich die Flasche in die Hand.
Derweil wird am Strand die Silvesterfeier vorbereitet. Tische werden zu einer langen Tafel zusammengeschoben, Holz für zwei Lagerfeuer aufgeschichtet, mehrere Grills und eine Musikanlage aufgebaut. Mit dem Sonnenuntergang beginnt die Party. Das Büfett ist reich gedeckt mit gegrillten Leckereien wie Langusten, eine zehn Kilogramm schwere, gelb gefleckte Makrele, Bananen und Huhn sowie als Beilagen Brotbaumfrucht, Maniok, Salat und eine sehr scharfe grüne Soße. Einen Silvesterabend haben wir auf den muslimischen Komoren überhaupt nicht erwartet. Zwar wird trotz Musik nicht getanzt, aber wir plaudern uns mit weiteren Gästen ins neue Jahr.
Die Delfintour am nächsten Morgen findet trotz Feier statt. Die Fahrt geht an vielen kleinen Inseln vorbei aufs offene Meer. Erst nach langem Suchen finden wir eine Gruppe Delfine. Sie sind aber sehr scheu und tauchen immer wieder schnell ab. Dafür haben wir einen schönen Panoramablick über die drei bewohnten Komoren-Inseln Grande Comore, Mohéli und Anjouan.
Der letzte Tag auf Mohéli bricht an. Um vor der früh einsetzenden Hitze mit den Schildkröten, die in der Bucht unterwegs sind, zu schwimmen, haben wir den Wecker auf 5.30 Uhr gestellt. Die Flut hat das Wasser weit auf den Strand gespült und leider auch einiges an Unrat mitgebracht. Schnell finden wir eine Meeresschildkröte und schwimmen mit ihr. Eine Zweite kommt hinzu. Wir beobachten sie, bis der Akku der Kamera leer ist.
Inzwischen hat sich das Wasser zurückgezogen. Felsen ragen aus der Meeresoberfläche, über den Sandbänken schimmert das türkisfarbene Nass. Da es gefühlt jeden Tag heißer wird, gehen wir erst zum Sonnenuntergang ein letztes Mal mit den Schildkröten schnorcheln.
Die Insel Anjouan
Wir setzen das Inselhopping fort und fliegen nach Anjouan. Die zweitgrößte Insel der Komoren ist die bergigste und am dichtesten besiedelte. Die Begrüßung am Flughafen durch Jaffar, unserem Fahrer, ist sehr herzlich. Fröhlich lachend hängt er jedem eine duftende Blumenkette um und düst mit uns zum Hotel in Mutsamudu, der Hauptstadt Anjouans.
Das Hotel ist noch recht neu, die Zimmer sind geräumig und sehr sauber, die Managerin spricht englisch – auf den Komoren ein Glücksfall. Die Landessprache ist mit Suaheli durchmischtes Französisch und ohne Grundkenntnisse des Französischen kommt man nicht weit.
Nach einer kurzen Pause brechen wir zu einem Stadtbummel auf. „Wollt ihr wirklich alleine gehen? Seid ihr sicher? Findet ihr zurück?“, fragt die Managerin besorgt. Wir können sie von unserem Orientierungssinn überzeugen.
In den engen Gassen stehen nur wenige Wellblechhütten, die meisten Häuser sind massiv gebaut mit verwitterten Fassaden. Wie überall stehen auch hier viele angefangene Rohbauten, in denen sich der Müll stapelt. Männer sitzen auf den Straßen und spielen das Brettspiel Bao. Der Verlierer bekommt Ketten aus Styroporwürfeln, wie die Fischer sie benutzen, umgehängt.
Am Ende der Straße liegen die Fischerboote auf einem derart vermüllten Strand, dass sie im Abfall kaum zu erkennen sind. Unweit entfernt werden im einzigen Tiefseehafen der Komoren Container verladen.
Junge Männer in weißen Thobes (knöchellanges, langärmeliges, weißes Gewand) und einer Ghutra (rot-weißes Tuch) auf dem Kopf ziehen trommelnd an uns vorbei. Wir folgen ihnen zu einer Festhalle. Neugierig gehen wir hinein. Der Raum ist mit Wimpelketten geschmückt, ein paar Hundert Plastikstühle sind vor einer Bühne aufgereiht.
„Wir feiern eine Hochzeit“, spricht uns ein Mann an und erklärt die Zeremonie. „In den Saal passen 400 Gäste. Es ist also eine eher kleinere Hochzeit und wird auch nur drei Tage dauern. Wer mehr Geld hat, feiert im Stadion nebenan mit bis zu 5000 Gästen und bis zu 14 Tage lang.“ Vermögende Komoraner geben mehrere Zehntausend Euro für die Hochzeit aus. Und obwohl muslimisch geprägt, zieht auf den Komoren noch immer der Mann zur Frau (Matrilokalität).
Die Halle füllt sich mit festlich gekleideten Männern. „In ein paar Minuten wird der Bräutigam kommen, die Braut feiert getrennt heute Abend mit den Frauen“, erklärt der Typ und geht. Plötzlich springt die Gruppe Trommler auf und spielt einen eingängigen Rhythmus. Aus einem Auto steigen drei junge Männer. Es sind der Bräutigam und seine besten Freunde. Alle drei tragen traditionelle Gewänder und den passenden Kopfschmuck. Der Bräutigam hat zusätzlich ein Schwert in der Hand. Unter dem Rhythmus der Trommeln ziehen sie in den Saal ein und setzen sich auf die grüne Couch, die auf der Bühne steht. Daneben nimmt die Verwandtschaft Platz.
Wir sehen der Zeremonie, die aus einem Wechsel von Gebet, Gesang und Ansprachen besteht, von der Tür aus zu. Die Gäste gehen rein und raus, telefonieren, Marc wird immer wieder in den Raum gewunken, um zu fotografieren. Ich habe derweil Blickkontakt zu einem ehrwürdig aussehenden älteren Mann auf der Bühne. Er veranlasst, dass wir einen Platz zwischen den Gästen erhalten. Für mich gibt es noch eine Blumenkette, die nur ausgewählte Geladene tragen. Ich bedanke mich mit einem Kopfnicken bei dem älteren Herrn. Er lächelt und nickt ebenfalls.
Die Luft im Saal ist stickig. Ein Mann serviert jedem eine Dattel, danach einen Becher süßen Kaffee. Marc, der beides nicht mag, schlägt sich tapfer. Zwei Stunden dauert das Fest, die Atmosphäre ist locker, zum Abschluss bekommt jeder Gast eine Tüte mit Waffeln, Keksen und einem Erfrischungsgetränk. Morgen Nachmittag geht die Feier weiter und wir sind eingeladen. Interessant wäre die Zeremonie schon, aber leider werden wir nicht in der Stadt sein.
In die Berge
Am Morgen holt uns Jaffar für eine Tour in die Berge ab. Ziel ist der Kratersee Dzialandzé, der in der Südwest-Flanke des Mount Ntringui (1595 Meter), dem höchsten Berg der Insel liegt. Steile Hanglagen und dichter Dschungel sowie die meisten Parfümpflanzen-Plantagen der Komoren prägen die Landschaft.
Coca-Cola hat in den Bergen eine Produktionsstätte, tief im Dschungel steht das Insel-Gefängnis, ein Dorf trägt den Spitznamen Dubai. Zu verdanken hat es den Namen den vielen Händlern, die hier ihren in China erworbenen Klamottenschrott verkaufen.
Beim Bürgermeister eines weiteren Dorfes halten wir. Während Jaffar im Büro verschwindet, um eine Erlaubnis für die Wanderung zum Dzialandzé einzuholen, bleibt ein Mann mit einem kleinen Jungen an der Hand neben Marc stehen: „Der Junge soll mal einen Weißen sehen. Das hat er noch nie. Ihr seid bestimmt Geschäftsleute.“ Noch bevor wir antworten können, ist Jaffar mit dem Permit zurück und es geht weiter.
Die von Chinesen gebaute Straße schlängelt sich höher in die Berge. An einer unscheinbaren Blechhütte, aus der dicke schwarze Rauchschwaden steigen, hält Jaffar: „Mein Lieblingsrestaurant. Wenn ich hier bin, muss ich auch etwas essen.“ Sagt es und setzt sich in den Rauch. Wir folgen ihm, müssen aber sofort umkehren. Der Qualm beißt in den Augen und nimmt den Atem.
Kurz darauf steigen wir im Nirgendwo aus. Sofort ist ein Mann da und kontrolliert das Permit. Nach einem Kilometer Fußweg liegt der See vor uns. An seinem Ufer sitzt ein Paar. Als wir uns nähern, hüllt sich die Frau sofort in einen Schleier. Wir sind enttäuscht. Weder die Lage noch das Gewässer an sich sind etwas Besonderes.
Wir folgen der Straße durch immer gleich aussehende Dörfer, Müll und Autowracks nach Domoni am Ozean. Bemerkenswert ist, dass es in jedem Dorf auf allen Inseln ein öffentliches Telefon gibt. An einem Wasserfall halten wir. Er hat kaum Wasser, fällt und fließt jedoch in reizvoller Landschaft. Getrübt wird das Bild durch ein Autowrack am Ufer und dem Müll, der sich an der Kaskade sammelt.
War die Luft in den Bergen angenehm temperiert, wird es, je mehr wir uns dem Ozean nähern immer heißer. Mangos werden überall verkauft. Jaffar kauft 10 Stück: „Die könnt ihr nachher essen.“
Am Nachmittag erreichen wir Domoni. Idyllisch liegt die Stadt vor einer herrlich grünen Bergkulisse am Indischen Ozean. Das Hotel ist sehr schön, jedoch ohne weitere Gäste. Jaffar zeigt von der Terrasse auf eine Insel am Horizont: „Das ist Mayotte. Diese Insel gehört zu den Komoren und nicht zu Frankreich.“ Für die Komoraner bedeutet die Zugehörigkeit Mayottes zu Frankreich eine Verletzung ihres Nationalstolzes. Aber bei verschiedenen Abstimmungen über die Unabhängigkeit der Komoren von Frankreich stimmte die Bevölkerung von Mayotte dafür, den Status eines französischen Überseegebiets beizubehalten.
Domoni
Domoni ist der Heimatort von Ahmed Abdallah, dem ersten Präsidenten der unabhängigen Komoren. Sein Mausoleum ist auch unser erster Anlaufpunkt. Wir sind zu früh. Der Herr der Schlüssel ist nicht da und so können wir nur durch ein geöffnetes Fenster blicken.
Durch die Stadt fahren wir zum Ufer. Straßen und Häuser sind für komorische Verhältnisse gepflegt, die EU ließ an einige Gebäude Graffitis mit Anti-Abfall-Losungen sprühen. Zwischen den Häusern gibt es sogar Müllstandsflächen, die jedoch so sauber sind, dass man vom Boden essen kann, während sich der Dreck drumherum stapelt.
Über die Berge nach Mutsamudu
„Wir fahren die Küste entlang zum Moya Beach. Dort könnt ihr etwas relaxen“, schlägt Jaffar vor. Bei Moya soll es die schönsten Sandstrände der Insel geben. Im Ort stehen noch einige Gebäude aus der Kolonialzeit, schwarze Lavafelsen und türkisfarbenes Wasser umrahmen einen weißen Strand.
Nach einer Pause kehren wir in einem Restaurant ein. In der zweiten Etage einer Pension stehen zwei Tische auf einer Veranda. Der Wirt serviert gegrillten Papageienfisch, Brot und Obst. Ein kühler Wind weht vom Meer herüber. Ich würde es hier noch eine Weile aushalten. Aber wir müssen zurück nach Mutsamudu. Mir graust vor der Tour über die serpentinenreiche Bergstraße, die vor uns liegt.
Mutsamudu
Einen Tag verbringen wir noch in der Stadt. Mit Kassim, einem Stadtführer, schlendern wir durch die engen, malerischen Gassen der Medina. Zwischen den terrassenförmig gebauten alten Häusern ist die arabische Händlerkultur noch immer spürbar. Frauen mit Gesichtsmasken aus Sandelholzpaste preisen ihre Waren an, in kleinen Schneiderstuben wird in kurzer Zeit maßgeschneiderte Kleidung aus farbenfrohen Stoffen gefertigt, die im Design passenden Handtaschen gibt es dazu.
Auch auf Anjouan werden bei vielen Häusern die Terrassen von griechischen Säulen gestützt. „Warum werden auf den Inseln so viele antike Säulen verbaut?“, wollen wir von Kassim wissen. „Die Leute wissen gar nicht was das ist, sie schmücken ihre Häuser damit“, antwortet er.
In eine große Felswand gehauene Treppen führen hinauf zur portugiesischen Zitadelle aus dem 18. Jahrhundert. Der Schweiß läuft in Strömen. Kassim hat den Schlüssel für den Zugang zur Festung organisiert und so laufen wir wenigstens nicht umsonst hoch. Der Blick über die Stadt, die Berge und den Hafen hat die Mühe jedoch allemal gelohnt.
Zurück nach Grande Comore
Diesmal fliegen wir mit AB Aviation. Die Embraer 120 einer südafrikanischen Leasingfirma hat schon bessere Jahre gesehen. Mit an Bord ist der Parlamentspräsident. Nach der Landung in Moroni schleicht sein Fahrzeug hinter uns her zum Terminal. Dort kommen Koffer und Rucksäcke akkurat ausgerichtet auf dem Gepäckband an.
Broking, der Fahrer, erwartet uns bereits. In halsbrecherischem Tempo fährt er nach Moroni. Die Dächer der Wellblechhütten glänzen in der Sonne. Vom Rost zerfressene Lkw schleichen im Dauerstau durch die Straßen. Im Hafen liegen Holzbarken vor Anker. Auf den Gehwegen verkaufen Fischer ihren Fang, Frauen ein wenig Obst und Baguettes. Broking bringt uns wieder in die Villa am Stadtrand.
Wir brauchen Wasser. In einem kleinen Laden auf der der Villa gegenüberliegenden Straßenseite will ich zwei Flaschen Wasser kaufen. Der Verkäufer druckst herum. Ich verstehe und kaufe einen Sixpack. „Ich hole ein Taxi. Das kannst Du nicht tragen“, sagt er besorgt. Abwehrend hebe ich die Hände und bedeute ihm, dass ich es nicht weit habe. „Dann fahre ich mit meinem Auto, wenn du kein Taxi willst.“ Wieder wehre ich ab. Jetzt versteht er, dass ich nur wenige Schritte entfernt wohne. „Aber dann trage ich das Paket bis zu dir.“ Und schon geht er los.
Für das Nachtmahl zieht es uns wieder in die Brochetterie vom ersten Abend. Sie wird auch bis zur Abreise unser Stammlokal bleiben.
Vulkan Karthala
Der aktive Vulkan Karthala ist die mit 2361 Metern höchste Erhebung auf den Komoren. Für eine Besteigung haben wir einen Guide, der den etwas ungewöhnlichen Namen Chauffeur trägt, engagiert. Wegen der Temperaturen und der hohen Luftfeuchtigkeit haben wir uns aber für die komfortable Tour entschieden, bei der ein Teil des Weges mit einem Pick-up zurückgelegt wird.
Um 7 Uhr steht Chauffeur, ein älterer, weißbärtiger Herr mit Strohhut auf dem Kopf, der eine große Ähnlichkeit mit Morgan Freeman hat, vor der Tür. Umgeben vom dichten Grün des Waldes, Ylang Ylang, Bananen- und Vanillepflanzen rumpelt der Pick-up über die mit spitzem Geröll übersäte schwarze Piste. Die Spur ist gleichzeitig der Wanderweg und recht eintönig. Als wir den Wald verlassen, endet auch der Fahrweg an ein paar letzten Blechhütten. Ab hier wird gelaufen.
Über uns ziehen sich graue Wolken zusammen. Den Blick auf Moroni, den Ozean, grüne Hügel und Krater können wir nur kurz genießen, dann verschwindet alles im Nebel. Wir hoffen, dass es wenigstens trocken bleibt. Ein paar magere Kühe sehen uns erstaunt an, der Moheli-Bürstensänger und das Karthala-Weißauge zwitschern ein Lied.
Nach einer Wanderung über Almwiesen, erkaltete Lavafelder und durch einen Koniferenwald stehen wir am Rand der knapp vier Kilometer großen Caldera. Unter uns ziehen Wolken über die schwarzstaubige Asche im Krater. Durch einen Koniferenwald führt ein steiler, schmaler Pfad nach unten. Wir klettern hinab und durchqueren den Schlund. Gerne hätten wir eine Picknickpause eingelegt, aber der Nebel wird immer dichter und der erste Donner ist zu hören. Chauffeur drängt zum Rückweg.
Kaum haben wir den Kraterrand erreicht, fängt es auch schon leicht an zu regnen. Wir schlingen ein Sandwich herunter und beginnen mit dem Abstieg. Der Regen wird kräftiger, die Steine sind rutschig. Als wir am Auto ankommen, ist es jedoch wieder trocken und nach einer schaukligen Fahrt zurück nach Moroni lassen wir den Tag auf der Veranda ausklingen.
Im Norden von Grande Comore
Über das Hochland und die Küstenstraße fahren wir am nächsten Tag in den Norden. Bei den Drachenfelsen legen wir einen kurzen Spaziergang ein und halten am Lac Sialé, ein Kratersee, der durch ein bewachsenes Riff vom Meer getrennt wird. Mahmoud, der Fahrer, versucht einen Stein in das Wasser zu werfen. Aber weder ist sein Aufschlag zu sehen noch zu hören.
In einer Bar an einem der Strände, die traumhaft sein könnten, wenn sie nicht so vermüllt wären, essen wir zu Mittag. Kaum sitzen wir, wird es kurzzeitig so stürmisch, dass die Zwiebelringe vom Teller fliegen. Durch eine Ferienhausanlage am Meer laufen wir zum Auto. Die Bungalows sehen unbenutzbar aus, Müll brennt, laute Partymusik dröhnt durch die Kokospalmen. Bei den Komoranern scheint das Gelände aber sehr beliebt zu sein.
Moroni
Den letzten Tag verbringen wir in der Stadt. Broking will uns die Medina zeigen, muss aber zuerst tanken. An der Tankstelle gibt es zwei zylinderförmige Metallbehälter – die Zapfsäulen. Eine ist geöffnet. In zwei Glaszylindern befindet sich das Benzin, ein Feuerlöscher hängt darunter, der Tankwart betankt mithilfe einer Kurbel das Auto.
Marc benötigt noch lange Hosen für Somalia. In den engen Gassen des großen Volo-Volo-Marktes werden wir sofort fündig. Neben Fisch, Früchten und Gewürzen gibt es Kleidung sowie Handarbeiten aus Holz und Schmuck. Vom Markt geht es noch in die Medina mit ihrem morbiden Charme aus alten Kolonialbauten, schmalen Gassen und Juwelierläden.
Etwas müde von den Komoren reisen wir am nächsten Tag weiter nach Mogadischu.