Jemen und Sokotra

Allah helfe dir den Berg hinauf, herunter rollt man von selbst.
(Sprichwort aus dem Jemen)

Reisejahr 2020

Salala (Oman) – Jemen: Sheheen – Region HadramautSeiyun  (Schibam – Wadi Doan) – Sokotra Ägypten

„Der Südjemen ist sicher. In jedem Haus gibt es mindestens zehn Waffen. Es wird aber kein Gebrauch davon gemacht. Jemeniten sind friedlich und gastfreundlich“, versichert uns Azam, der uns von Salalah im Oman zur jemenitischen Grenze bringt.

Betonblockaden verengen die Straße, Soldaten kontrollieren an mehreren Checkpoints schon viele Kilometer vor der Grenze die Pässe. Zwischen steilen Bergen und der unterhalb verlaufenden Küstenstraße liegt die in Nebel gehüllte Grenzstation. Die Abfertigung auf omanischer Seite verläuft zügig. Vor der Einreise in den Jemen liegen jedoch umständliche Pass- und Gepäckkontrollen. Am heruntergekommenen, nur mit einem alten Bürostuhl ausgestatteten Kontrollhäuschen klebt ein verblichenes Werbeplakat einer Autovermietung.

Kurz hinter der Grenze wechseln wir das Auto. Wajid, der Guide, übernimmt und schickt uns in eine Straßenküche frühstücken. Zu unserer Überraschung gibt es nicht das übliche arabische Essen, sondern ein vorzügliches Pfannengericht plus Dessert. Die jemenitische Küche wird uns auch bis zur Abreise mit Köstlichkeiten überraschen.

Von der Küste in die Wüste

In Sichtweite stehen die Dörfer zu einander. Überall werden neue Häuser gebaut. „Viele Omanis haben eine Zweitfrau im Jemen und bauen für sie ein Haus. Aber auch Jemeniten bauen in der Grenzregion. Es ist dort sicher, der Krieg hat diesen Landstrich nie erreicht“, erklärt Wajid.

Zeltähnliche Gebilde aus Lumpen stehen hier und da am Ufer des Golfs von Aden. „Das sind keine Jemeniten. Das sind Somalis auf Durchreise. Sie wollen in den Oman, manche auch nach Saudi-Arabien. Im Jemen ist es ihnen zu unruhig“, erfahren wir.

Wir verlassen die Küste und biegen ab in die Wüste. Die Straße ist asphaltiert, auch hier wird in den Dörfern gebaut. Checkpoints, bestehend aus zerbrochenem Drehstuhl, zerschlissenem Sonnensegel und einer klapprigen Schranke, befinden sich allenthalben auf der Strecke, knöchelhohe runde Mauern im groben Wüstensand geben Reisenden die Möglichkeit gen Mekka zu beten.

Ali, der Fahrer, schaut in den Rückspiegel und nickt Wajid zu. Ich drehe mich um. Hinter uns braust ein Auto mit aufgeblendeten Scheinwerfern heran. Ali und Wajid versuchen sich ihre Unruhe nicht anmerken zu lassen. Staub aufwirbelnd braust das Auto vorbei und entschwindet in der Ferne. Erleichtert sehen sich beide an.

Vom Oman in den Jemen
Vom Oman in den Jemen
Dorf an der Küste
Dorf an der Küste

Mit Einbruch der Nacht erreichen wir Sheheen, ein weiterer Grenzort zum Oman, der vor allem von Trucks genutzt wird. Sie stehen überall in dem lang gestreckten Ort, in dem so gut wie jedes Gebäude ein Hotel beherbergt. Für uns ist ein Zimmer im Naheen Hilton Hotel reserviert. Es hat zwar mit der Hilton-Hotelkette nichts gemein, das Zimmer ist jedoch sauber und es gibt warmes Wasser.

Wajid besorgt neben einem Snack zum Abend muslimisch korrekte Kleidung für Marc und mich. Marc könnte auch in seinen europäischen Sachen reisen, für mich ist es ohne langes schwarzes Gewand und schwarzen Schal undenkbar. Der Jemen ist eine zutiefst traditionelle Gesellschaft. Frauen sind nur sehr selten in der Öffentlichkeit zu sehen und natürlich nur in Begleitung eines männlichen Behüters. Wer sich nicht daran hält, begibt sich in Gefahr.

Frühstück in Rumah

650 Wüstenkilometer liegen am nächsten Morgen vor uns. Rötlich schimmert der Wüstensand in der Morgendämmerung. Gefrühstückt wird im Auto, nur ein paar Kamele schauen zu. Tee und Kaffee gibt es im Dorf Rumah.

Das Restaurant in Rumah dürfen wir nur durch den Seiteneingang betreten. Der Haupteingang ist Männern vorbehalten. Als ich mich ohne Begleitung von den mit dicken Fäden zusammengeflickten Plastestühlen erhebe, um ein wenig vor dem Lokal herumzulaufen, wird Wajid unruhig. Wir sind im Nomadengebiet und hier dürfen selbst ausländische Männer nur in Begleitung eines Jemeniten die Straße betreten.

Am nächsten Checkpoint verlassen wir die Region al-Mahra und sind nun in der Region Hadramaut. Während die Nomaden in al-Mahra von der omanischen Regierung eine Zuwendung von 100 Rial für jedes Kamel und ein „Gehalt“ empfangen, damit sie die Grenzregion nicht verlassen und als „Grenzschutz“ gegen die Saudis fungieren, erhalten die Nomaden in Hadramaut ein „Gehalt“ von den Saudis. Je nachdem in welcher Region sie leben haben sie zwei Staatsbürgerschaften – Jemen/Oman bzw. Jemen/Saudi Arabien und damit auch kostenfreie Gesundheitsversorgung im jeweiligen Land.

Die Region Hadramaut

Der Abstand zwischen den Checkpoints wird immer kürzer. Militärfahrzeuge mit aufmontiertem Maschinengewehr stehen bereit. Tafelberge haben die Wüstenebene abgelöst. Steil fallen die Wände der tischebenen Gipfel auf tieferliegende Plateaus. In steilen Serpentinen führt die Straße ins Tal und wieder hinauf. Vor uns hat sich ein kilometerlanger Stau aus Trucks gebildet. Ali lenkt das Auto geschickt durch die parkenden Brummis. Wajid ist sich sicher, dass ein Fahrer die Kurve nicht bekommen hat. „Das passiert mehrmals täglich auf dieser Strecke.“ Tatsächlich hängt in einer Serpentine das Führerhaus eines Trucks über dem Berghang. „Da hatte der Fahrer aber viel Glück, das er in den Felsen hängen geblieben ist“, meint Ali. 

Tanken in der Wüste im Jemen
Tanken in der Wüste
Die Straße führt durch eine trockenen Landschaft.
Die Straße führt durch eine trockenen Landschaft.

Grün und fruchtbar zieht sich das Wadi Hadramaut zwischen den hohen Tafelbergen entlang. Ab jetzt heißt es für mich das Kopftuch über das Gesicht zu ziehen. Während die Jugend lacht und grüßt, tragen die Alten ihre tiefe Verachtung im Blick.

Im Ort Einat haben wir die Erlaubnis, gut verpackt in muslimische Kleidung einen Sufi-Friedhof am Rand des Dorfes zu besuchen. Einat mit den wunderschönen alten Lehmbauten dürfen wir indes nicht besichtigen. Auch für die Besichtigung des Friedhofes ist aus Sicherheitsgründen nicht viel Zeit. Ehe es sich herumspricht, dass Fremde vor Ort sind, müssen wir wieder verschwunden sein. Jeder Schritt, den wir auf unserer Reise machen, wird vorher von offizieller Seite genehmigt. Alle sechs Stunden gibt es ein Update zur Sicherheitslage an den Reiseveranstalter, das dazu führen kann, dass Teile des Reiseplans kurzerhand gestrichen werden.

Sufi-Friedhof in Einat im Jemen
Sufi-Friedhof in Einat
Minarett der al-Mihdhar-Moschee in Tarim im Jemen
Minarett der al-Mihdhar-Moschee in Tarim

Im historischen Tarim können wir etwas länger verweilen und streifen an einigen der unzähligen Paläste vorbei zum Wahrzeichen der Stadt, dem weithin sichtbaren Minarett der al-Mihdhar-Moschee. Unter dem Strich ist aber auch hier die Besichtigungszeit begrenzt und wir fahren weiter nach Seiyun.

Seiyun

Seiyun ist die größte Stadt im Wadi Hadramaut. Ihre Verkehrsadern zieren auf dem Mittelstreifen in Formen geschnittene Pflanzen: Herzen, Tiere, eine Teekanne. Auf einem Hügel steht der alte Sultans-Palast. Hierher flieht der Präsident des Landes, wenn es ihm in Aden zu heiß wird.

Am Stadtrand beziehen wir in einem traditionell in Lehmbauweise errichteten Familienhaus im Bungalowstil ein Zimmer, ausgestattet mit zwei Betten, einem zusammenbrechenden Schrank und einem blinden Spiegel. Im Bad gibt es warmes Wasser, in der Küche stehen ein uralter Gasherd und ein mit ein paar zerbeulten Blechtöpfen bestücktes, wackliges Regal. Treffpunkt der Familie ist der große Vorraum mit zwei Sofas und einem Kühlschrank in der Ecke.

Seiyun ist das Tor für Touren in die Umgebung und mit einem funktionierenden Flughafen unser Ausgangspunkt für die Weiterreise auf die Insel Sokotra.

Vorbei an teilweise mit flutlichtähnlichen Solarlichtern ausgestatteten Fußballplätzen aus staubigem Sand fahren wir tiefer ins Wadi. Auf einer Anhöhe steht, umgeben von einer hohen Stadtmauer, das Weltkulturerbe Schibam. Auf engstem Raum ragen über 400 Häuser aus Lehm sieben bis neun Stockwerke hoch in den Himmel und geben der Stadt den Beinamen „Manhattan der Wüste“.

Weltkulturerbe Schibam im Jemen
Weltkulturerbe Schibam
Lehmhäuser gruppiert um einen Platz
Lehmhäuser gruppiert um einen Platz

Schibam ist knapp 2000 Jahre alt, liegt am Beginn der alten Weihrauchstraße und war seinerzeit von reichen Kaufmannsfamilien bewohnt. Wir streifen durch leere Gassen, die vielen Läden, die es bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges gab, sind nur noch an ihren traurig herabhängenden Ladenschildern zu erkennen. Beeindruckend ist die Stadt jedoch nach wie vor. Die Fassaden einiger Lehmbauten sind verziert, schmale Fenster lassen etwas Tageslicht in die Räume, die Höhe der Häuser spendet angenehmen Schatten in den verwinkelten Gassen. Hier und da liegt ein Haufen aus Lehm und Holz, der einst ein stattliches Haus war, weiß schimmert die Moschee in der Sonne.

Haus mit verzierter Fassade
Haus mit verzierter Fassade
Läden, die es bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges gab, sind geschlossen
Läden, die es bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges gab, sind geschlossen

Unsere Fahrt geht weiter ins Wadi Doan. Frauen mit kegelartigen Hüten auf dem Kopf arbeiten auf den Feldern und gehen meistens ohne männliche Begleitung durch die Orte.

Frau mit kegelartigem Hut vor einem Feld
Frau mit kegelartigem Hut vor einem Feld
Frau mit kegelartigem Hut
Frau mit kegelartigem Hut

Durch die fehlende Besichtigungserlaubnis unerreichbar für uns, klebt Al Hajjaryn, eine der aus Lehmziegeln erbauten Felsenstädte des Wadis, an einem Berg.

Al Hajjaryn, eine aus Lehmziegeln erbaute Felsenstadt im Jemen
Al Hajjaryn, eine aus Lehmziegeln erbaute Felsenstadt
 das ebenfalls aus Lehm erbauten Seif  im Jemen
das ebenfalls aus Lehm erbauten Seif

Im ebenfalls aus Lehm erbauten Seif verläuft die Straße direkt am Dorf entlang. Vor der braunen Bergkulisse thront weiß ein Palast über dem Ort. Wir bitten Wajid uns doch den kurzen Weg zum Palast laufen zu lassen. Daraufhin kurvt Ali durch die engen Gassen, ohne näher an den Palast heranzukommen. Nur kurz währt die Suche, dann fahren wir weiter. „Wir müssen schnell wieder weg. Al Qaida ist hier aktiv. Vor zwei Jahren wurde die örtliche Polizeistation in die Luft gesprengt. Sie liegt jetzt am Dorfrand“, meint Wajid. „Auf dem Rückweg werden wir dort halten und versuchen dem Palast zu Fuß etwas näher zu kommen. Mehr als zehn Minuten Zeit haben wir aber nicht. Dann wird es zu gefährlich.“ Dass die Gegend überhaupt bereist werden kann, ist den vielen Checkpoints zu verdanken, die mit jemenitischen, zuverlässigen Leuten besetzt sind.

Dorf im Wadi Doan
Reich verziertes Haus im Wadi Doan

Jhilaha Bokhsan, ein kleiner Ort mit großen Palästen, ist der Endpunkt der Fahrt im Wadi. Das Dorf wird von der reichen Familie Bokhsan bewohnt, in ihrem größten Palast mit über 50 Zimmern dürfen wir auf die Dachterrasse. Der weite Blick über das grüne Tal und den gegenüberliegenden Ort am Felshang ist fantastisch.  

Dorf Bokhsan im Jemen
Dorf Bokhsan
Palast in Bokhsan
Palast in Bokhsan
Palast in Bokhsan
Palast in Bokhsan
Palast in Bokhsan im Jemen
Palast in Bokhsan

Auf einem Felsenplateau oberhalb von Bokhsan essen wir in einem Ressort zu Mittag. Von hier schweift der Blick über das Tal und die Felsen der Nebentäler. Auf einer 150 Meter hohen Klippe, geschützt vor den saisonalen Wassermassen des Flusses, liegt der Ort Haid Al-Jazil.

Blick über das Tal und die Felsen der Nebentäler.
Blick über das Tal und die Felsen der Nebentäler
Haid Al-Jazil im Jemen
Haid Al-Jazil

Am Abend werden die Vorbereitungen für unseren morgigen Flug nach Sokotra getroffen. Aus dem Oman wurden Zelt und Schlafsäcke besorgt, eine Kiste Obst vom hiesigen Markt vervollständigt die Mitbringsel.

Der internationale Flughafen in Seiyun ist fest in der Hand von saudischem und jemenitischem Militär. Ein Flug nach Sokotra findet nur einmal in der Woche mit einer aus Kairo kommenden Maschine der Fluglinie Yemenia statt. Obwohl die Fluggesellschaft nicht den besten Ruf hat, macht der Flieger einen ganz guten Eindruck. Ohne Magengrummeln steigen wir ein und landen eine Stunde später auf Sokotra.

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