Zwar hat der Mensch zwei Beine, doch kann er nur einen Weg gehen.
Sprichwort der Peulh / Fulbe aus Guinea
Reisejahr 2014
Conakry – Mamou – Dalaba – Kissidougou – Nzérékoré
Während die ersten Zugvögel bereits auf dem Weg von Westafrika nach Deutschland sind, lande ich in Guineas Hauptstadt Conakry. Am Flughafen werde ich von Boureima und Amadou erwartet. Durch die dunkel werdende Stadt fahren wir zum Hotel, das ein wenig außerhalb liegt.
Zwei Millionen Einwohner hat Conakry. Einen Nahverkehr gibt es nicht. „Alles, was nicht vom Staat kommt, findet hier nicht statt“, meint ein Hotelgast. „Die Schmiergeldzahlungen sind so hoch, dass es sich nicht lohnt ein Unternehmen zu gründen.“
Conakry
Bevor wir Conakry am nächsten Tag verlassen, sammeln wir einen weiteren Reisenden ein, besichtigen die Faysal-Moschee und den alten Fischerhafen.
Um das Gelände der größten Moschee in Westafrika betreten zu dürfen, ziehe ich eine Jeans über die kurzen Hosen, am Eingang gibt es noch ein Tuch für den Kopf. Nach einer Umrundung der Moschee betreten wir die riesige, in Grün und weiß gehaltene Gebetshalle. Ein Mann sitzt in eine Schrift vertieft vor einer der zahlreichen Säulen, ein weiterer schläft auf dem einzigen Sofa, das verloren im hinteren Teil steht.
Von der Moschee geht es direkt zum Hafen. Berge von Fisch liegen ausgebreitet auf dem Kai. Am Ufer wird an neuen Fischerbooten aus Holz gezimmert und alte Boote repariert. Im Wasser schaukeln bereits entladene Kähne. In der Mitte der Boote steht eine große Truhe für das Eis, das die Fischer mitnehmen, wenn sie für mehrere Tage auf das Meer fahren. Ihre Netze liegen zum Trocknen und Flicken am Boden ausgebreitet.
In zwei Räuchereien wird ein Teil der Fische haltbar gemacht. Ich frage eine der Frauen, die dort arbeiten, ob ich ein Foto machen dürfe, eine andere antwortet sofort mit „Ja“ und schon bin ich umringt von fröhlich lachenden Frauen und Kindern.
In einer der Straßenküchen am Rand des Hafens essen wir zum Frühstück eine Schale voller Reis mit Blattsoße und Fisch. Zum Abschluss gibt es in der Kaffeebar nebenan einen Mokka. Ausschließlich Männer sitzen an den Tischen. Als ich die Bar betrete, springen zwei von ihnen auf und bieten mir einen Platz an.
Fahrt nach Mamou
Anfangs führt die Straße am Rand des Küstengebirges entlang, später tauchen die ersten Tafelberge auf. Frauen verkaufen am Straßenrand Haushaltswaren, Obst und Gemüse.
Amadou stoppt an einer Straßenküche. Im Lokal gibt es Kaffee to go: Der aufgebrühte Kaffee wird in eine Plastiktüte gekippt und mit nach Hause genommen.
Unterwegs passieren wir drei Polizeikontrollen, ohne Schmiergeld zahlen zu müssen. Boureima ist erstaunt: „Das ist selten so wenig Kontrollen und alles läuft so glatt.“
Kurz vor Einbruch der Dämmerung erreichen wir Mamou. Im Hotel ist es dunkel. Der Strom wird rationiert und das Hotel liegt in einem Viertel, das heute nicht mit Elektrizität versorgt wird. Ein Generator sorgt jedoch bis zur Schlafenszeit für Abhilfe.
Im schlicht eingerichteten Zimmer steht ein wackliges Bett an der kahlen Wand, in einem winzigen separaten Raum befindet sich der Abort sowie ein großer Bottich voll Wasser, das gleichzeitig für die Toilette und die Dusche gedacht ist. Die „Eimerdusche“ wird uns auch auf der ganzen Reise begleiten.
Über Land nach Dalaba
Nach einer ruhigen Nacht geht es weiter nach Dalaba, in das Bergland von Fouta Djalon, dem „Wasserschloss Westafrikas“. Unmittelbar hinter Mamou lauern drei Polizisten. Sie kontrollieren zwar die Papiere, lassen uns aber anstandslos weiterfahren. Ohne weitere Zwischenfälle erreichen wir Dalaba.
Das Hotel liegt außerhalb der Stadt, am Rand eines Tales. Die Temperaturen sind angenehm, die Luft ist frisch, von der Terrasse schweift das Auge weit über die grüne Landschaft.
Einen kurzen Spaziergang vom Hotel entfernt steht auf einem großen verwilderten Grundstück das Haus der südafrikanischen Sängerin Miriam Makeba (1932-2008), die wegen ihrer Nähe zur Black Panther Bewegung (eine sozialistische revolutionäre Bewegung aus den USA) nach Guinea ins Exil gegangen war, woraufhin ihr der ehemalige Präsident des Landes Sékou Touré dieses herrschaftliche Anwesen bauen ließ.
Ein staatlich bestellter Wächter, der für diesen Job kein Geld bekommt, öffnet uns die Tür zu dem immer mehr verfallenden Haus. Durch die Küche betreten wir einen großen Raum mit Verzierungen in den Lehmwänden, einer Decke aus geflochtenen Palmblättern und einem fantastischen Blick über das Tal. Einige persönliche Gegenstände der Sängerin stehen vor sich hingammelnd in den Räumen, denen der Luxus durchaus noch anzusehen ist.
Obwohl Mittagszeit ist, sind die Temperaturen auszuhalten. Das milde Klima wusste auch der Generalgouverneur von Französisch-Westafrika zu schätzen. Durch ein Dorf führt der Weg zu seiner Sommerresidenz. Auf dem eingezäunten Gelände stehen Gästehäuser und das Palaverhaus. In dem Lehmhaus mit seinen eindrucksvollen Wandverzierungen wurden in der Kolonialzeit die Provinzfürsten vom Gouverneur auf den Kurs Frankreichs eingeschworen. Sékou Touré nutzte das Gelände später als Tagungs- und Erholungsort.
Die Wasserfälle im Fouta Djalon und die Weber von Pita
Fensterlose Hütten mit massiven Mauern ducken sich in die Schatten hoher Mangobäume. In den Dörfern stehen kleine Moscheen mit vier Ecktürmen, auf den Märkten und am Straßenrand werden zahllose Mangos verkauft.
Am Ditinn-Wasserfall, dem höchsten Wasserfall Guineas, legen wir eine Pause ein. Nach einem erfrischenden Bad im Auffangbecken eines weiteren Wasserfalls geht die Fahrt nach Pita weiter.
Pita ist eine Stadt ohne viel Charme und nur eine Zwischenstation auf der Reise. Während wir uns die Füße vertreten, ist ein leises Klappern aus einem mit hohen Bäumen bestandenen Park zu hören. Das Geräusch wird von Webstühlen erzeugt, in denen Männer sitzen und aus meterlangen, vor ihnen liegenden Fäden Stoffe im traditionellen Streifenmuster weben, die von den Frauen verkauft werden.
Beim Bummel über den Markt versuche ich ein paar Fotos zu machen. Eine Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm nickt mir zustimmend zu. Sofort zetern die Verkäuferinnen lautstark los. Als ich das Foto jedoch zeige, lachen alle freundlich und nicken anerkennend.
In der Nähe von Pita befinden sich die Kambadaga-Wasserfälle. Während der Regenzeit geben die in drei Stufen in die Tiefe stürzenden Wassermassen ein beeindruckendes Bild. Noch ist es jedoch trocken und so gehen wir oberhalb der Wasserfälle inmitten pittoresker Felslandschaft baden.
In den Dörfern der Peulh
In einem Dorf der Peulh halten wir an. Sofort werden wir von Kindern umringt und durch das Dorf begleitet. Eine Frau sitzt vor ihrer Hütte und knüpft aus getrockneten Gräsern ein Brotkörbchen. Andere Frauen flechten Tischsets und Bonbonnieren, die mit orangefarbenen und schwarzen Mustern verziert werden. Ein paar Hütten weiter zerstößt eine Frau in einem Holzmörser Mais, Wurzeln und kleine Fische zu Pulver. Ich bekomme den Stößel angeboten und zermahle noch mehr klein, was schon Pulver ist.
270 Kilometer liegen vor uns. An einem Peulh-Dorf halten wir. Boureima fragt den Ältesten, ob wir das Dorf besichtigen dürfen. Nach kurzem Zögern – es waren noch nie Weiße hier – erlaubt er es. Die Siedlung besteht aus wenigen Rundhütten, deren Palmendächer bis knapp über die Erde reichen. Stabile Äste stützen die Dächer, sodass sich ein schattiger Streifen um die Hütten zieht. Die Männer sind zum größten Teil auf dem Feld, die Frauen kochen. Ich werde wieder zum Mörsern eingeladen, schließlich ist Kochen Frauensache.
Über Faranah nach Kissidougou
Die Landschaft verändert sich. Termitenbauten in Pilzform, Baobab-Bäume, weite Ebenen und blühende Feuerbäume formen die Natur. Die Dörfer werden größer, die Hütten stehen dichter beieinander.
Aus der Piste wird eine asphaltierte Straße, Sendemasten sind immer häufiger zu sehen. Neben dem Fahrweg verläuft eine Start- und Landebahn. Wir nähern uns Faranah, der Geburtsstadt von Sékou Touré.
Am Fluss vor Faranah ist Schluss. Brückenarbeiten. Die Metallplatten der Fahrspur sind an mehreren Stellen aufgeworfen und haben scharfkantige Löcher. Ein Arbeiter schweißt, beobachtet von sechs Kollegen und der Polizei, neue Platten an den Übergang von der Straße zur Brücke. Nach einer dreiviertel Stunde geht die Fahrt weiter, die Löcher in der Fahrspur sind geblieben.
Nach zehn Stunden ist unser Ziel, die Stadt Kissidougou endlich erreicht. Für einen Stadtbummel sind wir jedoch zu müde und bleiben im Hotel.
Über Land
Am nächsten Tag geht es über eine Piste in den Ort Nzérékoré. Dörfer und Vegetation nehmen neue Formen an. Aus runden Hütten werden eckige Häuschen, lichter Regenwald und Reisfelder bestimmen das Landschaftsbild, statt Mangos gibt es Kochbananen. In einem Dorf sehen wir zu, wie in Handarbeit Palmöl hergestellt wird.
Plötzlich wird aus der lehmigen Piste eine asphaltierte Fahrbahn mit Fußgängerüberwegen, Verkehrsschilderwald, Leitplanken und Stoppschildern an jedem Pfad, der auf die Straße zuläuft. Ein EU-Projekt im Nichts. Der Verkehr fehlt zwar, aber wir haben kurz das Gefühl, in Europa unterwegs zu sein.
Nzérékoré
In der Stadt Nzérékoré komme ich mit der Hotelmanagerin ins Gespräch. Sie erzählt vom im Land grassierenden Ebolavirus. Aufgebracht schimpft sie über die ihrer Meinung nach überzogenen Falschinformationen in der Weltpresse: „Seht ihr hier irgendwo etwas davon? Ihr könnt in das Krankenhaus gehen. Dort werdet ihr nicht einen Patienten finden. Alles Lüge, um uns zu schaden.“
Im Ort ist wie bisher auf der ganzen Reise nichts von der Krankheit zu spüren oder zu sehen. Junge Frauen legen sich ihre Haare zu auffallenden Frisuren, Kinder reden lebhaft auf mich ein. In einem Hof sitzen in rosa gekleidete Gäste und feiern eine Hochzeit, obwohl Braut und Bräutigam abwesend sind.
Der letzte Tag in Guinea: Mit der Gartenschere in den Dschungel
Am nächsten Tag geht es mit der Gartenschere in den Dschungel. Im unweit von Nzérékoré gelegenen Bossou-Park machen wir uns, begleitet von vier lokalen Führern, auf die Suche nach einer geschützten Schimpansen-Kolonie.
Die Pfade sind schmal und rutschig. Mit einer Gartenschere schneidet ein Tierhüter Zweige, die auf Gesichtshöhe hängen, ab. Nach einer knappen Stunde Wanderung hören wir Schimpansen, kurz darauf sehen wir sie. Munter turnen sie durch die Bäume, einer bewirft uns mit Zweigen. Ein wenig sehen wir dem Treiben zu, ehe wir nach Nzérékoré zurückkehren.