Kurz vor Beginn der Dämmerung erreichen wir den Checkpoint. Dort ist vorerst Schluss. Eine dreiviertel Stunde wird hin und her telefoniert. Ich bin seit sieben Tagen die erste Ausländerin, die in die Chittagong Hill Tracts reist, wegen der politischen Situation wird die Tour als Risiko gesehen und zu allem Überfluss steht auf meiner Reisegenehmigung einmal Tourist und einmal NGO-Aktivist. Es dauert bis zur Klärung, dass ich als Touristin unterwegs bin.
Zu meinem Erstaunen werden die Gespräche zwischen Polizei und Iqubal in einem sehr freundschaftlichen Ton geführt. Zugleich ist eine Angespanntheit zu spüren. Die Leichtigkeit von Srimangal ist verloren gegangen und wird bis zum Ende der Reise auch nicht wieder kommen.
Bandarban und Umgebung
Mit einer Autofahrt starten wir in den nächsten Tag, halten zum Tee trinken an einer Teestube, dann geht es zu Fuß in die Hügel.
Mitten im Grün stehen Pfahlhütten aus geflochtenem Bambus. Die Raumaufteilung in den Hütten ist immer gleich. Im großen Raum befinden sich Reiskocher, Fernseher und meist ein Webstuhl, in einem kleinen Nebenraum steht ein Bett, in einer Ecke hängen und liegen Kleidungsstücke und Stoffe. Die Ruhe im Dorf und die Unaufgeregtheit der Bewohner laden zum Verweilen ein.
Nach einem Lunch in Bandarban fahren wir zum Fluss, an dessen Ufer Hütten auf langen Stelzen stehen. Dazwischen suchen Schweine und Enten nach Futter, während die im Fluss gewaschene Wäsche auf langen Leinen im Wind flattert.
Iqubal mietet ein Boot, das uns auf die gegenüberliegende Seite des Flusses bringen soll. Dort führt eine Treppe zu einem Dorf auf einem Hügel. Der Ort wirkt arm, die Blicke der Frauen sind misstrauisch, nicht so offen und freundlich wie bisher. Ein Mann, der getrocknete Fische vor sich ausgebreitet hat, fragt Rafiq, ob ich Muslimin sei. Rafiq antwortet: „Nein, Christin.“ Der Typ macht eine abfällige Bewegung.
Mittlerweile ist es kalt, windig und diesig. Es ist die letzte Nacht in Bandarban und der Hotelbesitzer legt großen Wert darauf, dass ich den Aufenthalt in guter Erinnerung behalte. Ein Lagerfeuer wird entfacht, wir sitzen und klönen im Feuerschein, zum Abschluss steigt ein Feuerballon in den Abendhimmel.
Weiterreise nach Rangamati
Zum Frühstück erfahre ich, dass der seit zwei Tagen angekündigte Hartal stattfinden wird. Das Land steht wieder einmal still, ob die Reise weiter gehen wird, soll sich in der nächsten Stunde entscheiden. Um besser informiert zu sein, trinken wir den Frühstückstee unweit des Hotels an einem Teestand. Die vier Männer, die darin sitzen, haben fünf verschiedene Auffassungen zum Weiterreisen nach Rangamati. Von „Ist gar kein Problem“ bis „unmöglich“ gehen die Meinungen auseinander.
Wir fahren nach Rangamati. Von Hartal keine Spur: Busse sind unterwegs, die Läden geöffnet, überall herrscht Betriebsamkeit. Auch auf den vielen Straßenbaustellen, die von Soldaten beaufsichtigt werden, wird gearbeitet.
Ein Checkpoint. Ich schreibe meine Daten in das „Gästebuch“.
Mit einer Fähre geht es über den Fluss und auf einem Asphaltband, das sich kurvenreich durch die Hügel zieht, weiter. Dörfer gibt es keine mehr, nur ab und an die Möglichkeit, Tee zu trinken. Das nutzen wir und genießen dabei die fantastischen Ausblicke ins Tal.
Rangamati ist bald erreicht. Das Hotel liegt sehr schön am See, leider auch außerhalb der Stadt. Beim Einchecken muss ich das nächste Ziel angeben. Iqubal sagt „Dhaka!“ Mir entgleisen die Gesichtszüge. „Ist nur Transit“, beruhigt er mich.
Nachmittags bummeln wir durch das ethnologische Museum und ein buddhistisches Kloster, ehe wir zum Sonnenuntergang an den Kaptai-See schlendern. Dort begrüßen mich zwei Polizisten in Zivil: „Du willst morgen den Tag auf dem See verbringen. Wir sind deine Begleitung. Das ist Vorschrift.“
Inseln im Kaptai-See
In Uniform stehen sie zusammen mit Iqubal und Rafiq am Morgen vor dem Hotel.
Rot leuchten die Pfeiler einer Hängebrücke aus dem dichten Nebel. Die motorisierten Kähne am Ufer sind nur schemenhaft zu erkennen. Eines der Boote soll uns zu den Minderheiten, die auf den Inseln im See leben, bringen. Unentschlossen läuft der Bootsführer hin und her. Der Nebel ist zu undurchdringlich, er fürchtet um meine Sicherheit. Nach ein wenig Überzeugungsarbeit holt er das Boot.
Eine Insel taucht aus dem Dunst auf. Als wir anlegen, sind wir sofort von fröhlichen Kindern umgeben. Wir folgen ihnen auf ihrem Weg zur Schule.
Das Schulgebäude ist ein Flachbau mit zwei Klassenräumen. Ein Teil der Schüler steht in einer Ecke des eingezäunten Geländes und sieht neugierig-lachend zu unserer kleinen Gruppe herüber. Zwei Mädchen sind auf einen Baum geklettert und machen von oben auf sich aufmerksam.
Eine Lehrerin lädt uns zu Tee und Keksen ein. 200 Kinder werden von drei Pädagoginnen unterrichtet. Dennoch strahlen sie Ruhe und Gelassenheit aus.
Wir legen noch an zwei weiteren Inseln an, auf denen sehr unterschiedlich auf uns reagiert wird. Während auf einer Insel die Bewohner demonstrativ mit dem Rücken zu uns am Rand des Dorfes stehen, werden wir auf der anderen Insel schüchtern, aber neugierig von den Einwohnern beobachtet.
Das Boot legt ein letztes Mal an. Ein älterer Mann lädt uns zum Tee in seine Hütte aus blau gefärbtem Bambus ein. Der Typ ist sehr mitteilsam. Schnell sind er und Iqubal in ein Gespräch vertieft.
Geräusche spielender Kinder sind zu hören. Iqubal geht. Ich signalisiere, dass ich ebenfalls aufbrechen möchte. Als alle aus der Hütte gegangen sind, sagt der Mann leise: „Überall auf der Welt werden Minderheiten unterdrückt, aber nirgendwo so stark wie in den Hill Tracts.“