„Gesundheit, Frieden und Wohlstand“
(Wahlspruch von Kiribati)
Reisejahr 2024
Südkorea – Neuseeland – Vanuatu – Fidschi – Tuvalu – Salomonen – Australien (Nord) – Osttimor – Australien (West, Tasmanien) – Nauru – Marshallinseln – Föderierte Staaten von Mikronesien
Tarawa und Abaiang
Samoa – Tonga – Indonesien (West-Papua) – Papua-Neuguinea
Mitten im Pazifischen Ozean, dort, wo der Äquator und die internationale Datumsgrenze aufeinandertreffen, liegt der Inselstaat Kiribati. Als einziger Staat der Welt erstreckt sich das Land sowohl auf die östliche und westliche als auch auf die nördliche und südliche Hemisphäre.
Seine 32 Atolle verteilen sich über drei Inselgruppen (Gilbert, Phoenix, Line) mit einer Ost-West-Ausdehnung von über 4.500 Kilometern, was in etwa der Entfernung von Berlin nach Almaty in Kasachstan entspricht. Nur 21 der Atolle sind bewohnt, wobei jeder zweite der rund 130.000 Einwohner auf dem südlichen Teil der Hauptinsel Tarawa lebt.
Am Flughafen von Tarawa werden wir bereits von unserem Gastgeber mit seinem uralten Suzuki erwartet. Langsam schleicht er über die Hauptstraße, die sich in einem überraschend guten Zustand befindet und sogar von räumlich abgetrennten Gehwegen begrenzt wird.
Eine Hunderte Meter lange Autoschlange reiht sich entlang der Straße bis zu einer Tankstelle. „Es gibt kein Benzin“, erzählt unser Gastgeber. Morgen oder vielleicht übermorgen soll ein Tankschiff anlegen. Ob es seine Ladung auch löschen wird, ist hingegen ungewiss. Die Ölgesellschaft pflegt die Lieferungen gelegentlich nicht zu bezahlen und wenn die offenen Rechnungen nicht beglichen werden, legt das Schiff kurzerhand wieder ab.
Insel Abaiang
Unser ursprünglicher Plan war es, zwei der 31 äußeren Atolle jenseits von Tarawa zu besuchen. Wegen der zweitägigen Verspätung des internationalen Fluges nach Kiribati und der unsicheren Verkehrsverbindungen innerhalb des Landes beschränken wir uns auf die Insel Abaiang.
Am Tag nach unserer Ankunft soll fahrplanmäßig eine Fähre nach Abaiang ablegen. Um die Abfahrt bestätigen zu lassen, rufen wir im Hafen an, erfahren jedoch bei dieser Gelegenheit, dass sie wegen des Treibstoffmangels gar nicht erst auslaufen kann.
Unsere Laune sinkt in den Keller. Süd-Tarawa ist dermaßen schmutzig und übervölkert, dass wir so wenig Zeit wie möglich dort verbringen wollen. Aber wir haben Glück: Nick, unser Gastgeber auf Abaiang, macht ein Schnellboot ausfindig, das am frühen Morgen zur Insel fährt.
Heillos mit Passagieren und Kartons voller Instantnudeln, Thunfischdosen, Windeln und Haushaltsgegenständen überladen, legt das Boot von Betio aus ab. Drei Stunden schippern wir über den unruhigen Ozean. Genauso holprig geht es in Abaiang auf der Ladefläche eines Pick-ups weiter bis zu unserem rund zehn Kilometer von der Anlegestelle entfernt gelegenen Quartier.
Im Gegensatz zu Süd-Tawara sind wir sofort von der Insel begeistert. Kilometerlange Sandstrände ziehen sich einen grünen Palmengürtel entlang; Kokosnusshälften liegen zum Trocknen in der Sonne; luftige Hütten auf dünnen Pfählen stehen am türkisfarbenen Wasser der Lagune.
Das Haus unserer Gastgeber Nick und Lisa ruht unmittelbar am Ufer der Lagune auf stabileren Pfosten; auf der gemütlichen Veranda erwartet uns bereits ein reich gedeckter Frühstückstisch; eine separat stehende Blockhütte mit allem erdenklichen Komfort ist für uns hergerichtet.
Mit Moped und Fahrrad über die Insel
Schon bei der Anreise ist uns der weithin sichtbare viereckige Turm der Kathedrale Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz im Dorf Koinawa aufgefallen. Sie ist auch das Ziel unserer Inseltour.
Während Marc und Nick mit dem Moped fahren, schnappe ich mir ein E-Bike. Treffpunkt ist die 1907 errichtete Kathedrale. An dem einst prächtigen Gotteshaus hat der Zahn der Zeit tiefe Spuren hinterlassen: Die Mauern sind teilweise mit einer Schicht aus Grünspan überzogen; von den Wänden blättern die letzten Farbreste. Die Leiter, über die der Turm erklommen werden kann, ist marode; die Treppe zur Empore sieht jedoch noch ganz passabel aus, sodass wir hinaufklettern.
Unweit der Kirche befindet sich ein von Maneabas (traditionelle Versammlungshäuser mit hohen, aus Pandanusblättern gedeckten Dächern) gesäumter Platz. Einmal im Jahr treffen sich dort bis zu 4.000 Leute, um gemeinsam zwei Monate lang zu feiern, zu tanzen und zu kochen. Für die riesige Menschenschar stehen zehn Toiletten zur Verfügung, die aber kaum jemand benutzt, sodass es zu dieser Zeit im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel stinkt.
Auf dem Rückweg platzt der Hinterreifen meines Fahrrades. Nick stellt das Rad bei einer Cousine unter und ich nehme die acht Kilometer bis zum Quartier zu Fuß in Angriff. Für die Insulaner ist es unvorstellbar, freiwillig so weit zu laufen. Dreimal hält ein Auto an und möchte mich mitnehmen; selbst Nicks Verwandte kommt mir mit dem Moped hinterhergefahren: „Ich bringe dich nach Hause!“, lädt sie mich lächelnd ein. Als ich dankend ablehne, macht sie mit ungläubigem Blick kehrt.
Kurz vor dem Ziel kommen mir Nick und Lisa entgegen. „Heute gibt es Geld. Willst du mitkommen?“, fragt Lisa. Für jeden Kiribatier ab einem Alter von 18 Jahren gibt es von der Regierung 50 australische Dollar im Monat. Ausgezahlt wird das Geld alle drei Monate in den Maneabas der Dörfer.
Ein Pick-up hält; vier Leute mit Kladden unter den Armen und Stoffbeuteln voller Geldbündel mit 20- und 10-Dollarnoten steigen aus und verteilen sich im Versammlungshaus. Nachdem sie ihr Geld erhalten haben, gehen einige Dörfler zu einer rundlichen Frau und übergeben ihr ein paar Geldscheine. „Ihr gehört die Kawa-Bar und sie treibt die Schulden ein“, erklärt Lisa. Neben Maneaba und Kirche gehört zu jedem Dorf eine Kawa-Bar mit Billardtisch und Musikanlage. Lachend erzählt Lisa, dass in der Bar auch Lieder wie „Anton aus Tirol“ von DJ Ötzi gespielt werden und die Gäste auf Deutsch mitsingen.
Zurück nach Süd-Tarawa
Auf den Abaiang vorgelagerten Inselchen verbringen wir einen weiteren Tag mit Relaxen an den feinen Sandstränden und Schwimmen im glasklaren Wasser, ehe wir nach Süd-Tarawa zurückkehren. Zwar haben wir noch Zeit bis zum Verlassen des Landes, aber Abaiang wird nur zweimal pro Woche von Air Kiribati angeflogen und die in regelmäßigeren Abständen verkehrenden Fähren sollen schon wieder Probleme mit der Beschaffung von Benzin haben.
Nach dem beschaulichen Aufenthalt auf Abaiang erwartet uns in der Unterkunft auf Tarawa eine vom Bildungsministerium organisierte Feier. Da wir davon ausgehen müssen, dass es eine lange Nacht wird, besorgen wir uns nach der Sperrstunde noch ein paar Bier im nahe gelegenen Kiosk. „Ab 18 Uhr ist der Verkauf von Alkohol verboten. Pack die Dosen in deinen Rucksack!“, mahnt der Verkäufer.
Die Party wird amüsanter als gedacht: Einer der Gäste versucht sich mit reichlich schiefen Tönen an Bryan Adams‘ Hit “Summer of ’69”, dem folgt der nicht minder ungelenke Bauchtanz einer wohlbeleibten Dame. Nach den Darbietungen scheint ein Gebet nötig, das von einem der Teilnehmer mit den Worten „Gott schütze unseren Bildungsminister“ eingeleitet wird. Noch drei Stunden lang erklingt Karaoke und Discomusik, zwischendurch wird gebetet und getafelt.
Geführte Inseltour
Am nächsten Tag starten wir nach dem Frühstück mit unserem Guide Ioanna zur Erkundung von Süd-Tarawa. An einem großen Müllberg biegt sie von der Hauptstraße auf eine zerfurchte Piste ab, die am Haus des ehemaligen Staatspräsidenten Anote Tong (2003 bis 2016) endet. Der Politiker sitzt in seiner privaten Maneaba und begrüßt uns mit den Worten: „Ihr seid aber früh auf!“ Er bittet uns zu sich. Allerdings macht uns der Brauch im Schneidersitz zu sitzen, bei der gut einstündigen Plauderei doch etwas zu schaffen.
Am Hauptquartier der Polizei legen wir den nächsten Halt ein. Uniformierte üben dort das Exerzieren für den in wenigen Tagen (12. Juli) bevorstehenden Unabhängigkeitstag. Da Kiribati unbewaffnet ist, wird mit verrosteten Flinten, die aus einem Karl-May-Film stammen könnten und mit Spielzeuggewehren aus Holz geprobt. Parallel versucht sich das Blasorchester der Polizei an Tschaikowskys Schwanensee.
Nach einem Abstecher zum Marine Training Center für kiribatische Seeleute, einer Tour durch die Kokosölfabrik in Betio, der Besichtigung des Gerichtssaals in dem barackenähnlichen Gebäude des High Courts und dem Besuch des Parlaments (die Abgeordneten tagen dreimal im Jahr für jeweils eine Woche) beginnt der historische Teil der Rundfahrt.
Spuren des Zweiten Weltkrieges
Auch Kiribati blieb während des Zweiten Weltkrieges von Kämpfen zwischen Japanern und US-Amerikanern nicht verschont. Am Ufer zeigen noch die rostigen Kanonenrohre der vor Ort verbliebenen Artilleriegeschütze auf den Ozean. Auf dem Weg dorthin warnt uns Ioanna eindringlich: „Am Strand verrichten viele Bewohner ihre Notdurft.“ Zwar hat die Regierung einige Toiletten errichtet, aber sie werden nicht genutzt. Tatsächlich stinkt es erbärmlich und jeder Schritt erfordert hohe Aufmerksamkeit. Dabei hat Präsident Taneti Maamau schon vor einiger Zeit angekündigt, aus dem Land „das Dubai oder Singapur des Pazifiks“ machen zu wollen.
Wir fahren weiter durch Viertel, die von den Einheimischen aufgrund des dort verbliebenen Kriegsschrotts und der unattraktiven Wohnverhältnisse Irak und Libanon genannt werden. Dank des Erfindungsreichtums der Bewohner wurden Lafetten zu Sitzbänken umfunktioniert, grenzen Panzerketten die Anwesen von der Straße ab, dienen Schiffsmotoren als Rankhilfen.
Der Tag der Abreise
Der Abreisetag beginnt etwas holprig. Unverhofft müssen wir uns selbst um den Flughafentransfer kümmern. Zum Glück sind die Kiribatier durchweg sehr hilfsbereit und so stehen wir nur eine Minute an der Straße, bis ein Auto anhält und uns mitnimmt. Am Steuer sitzt eine junge Frau mit ihrem Kleinkind auf dem Schoß. „Wohin fliegt ihr?“, will sie wissen. „Nach Samoa“, antworten wir.