Als Gott die Welt erschuf, hat er den Menschen mit der toskanischen Küche ein ganz besonderes Geschenk gemacht.
(Aus der Toskana)
Reisejahr 2020
Florenz – Lucca – Pisa – San Gimignano – Monteriggioni – Siena – Val d‘Orcia (Montalcino – Montepulciano – Monticchiello) – Piancastagnaio (Pitigliano – Sorano – Sovana)
Gedanken an Olivenhaine, mit Zypressen bestandene Alleen, an deren Ende sich repräsentative Weingüter befinden, die Renaissance und Städte mit historischen Gebäuden und einer Fülle von Museen und Kunst lassen großartige Bilder über die Toskana im Kopf entstehen.
Florenz: im Herzen der Toskana
Florenz, Hauptstadt der Toskana, ehemalige Hauptstadt des Königreichs Italien und Hauptstadt der Renaissance, ist das erste Ziel der Reise.
In der Altstadt haben wir uns in eine herrschaftliche Wohnung mit Blick auf den Campanile des Doms eingemietet, dessen Glockengeläut uns morgens auf einen interessanten Tag einstimmt.
Vor dem Dom steht eine lange Warteschlange. Dass man lange anstehen muss, um Sehenswürdigkeiten zu besichtigen, passt so gar nicht in unsere Vorstellung von Reisen zu Zeiten von Corona. In der Hoffnung der Betriebsamkeit zu entgehen, laufen wir über die älteste Brücke Ponte Vecchio zum Aussichtspunkt Piazzale Michelangelo auf der anderen Seite des Flusses Arno.
Juweliergeschäfte, in denen Goldschmiede ihre kunstvollen Arbeiten anbieten, säumen den Brückenbogen. Geteilt wird die Ladenzeile durch ein Denkmal für den Goldschmied und Bildhauer Benvenuto Cellini. Geduldig wartend, stehen Touristen mit griffbereiter Kamera für ein Foto mit Denkmal und Arno-Blick davor.
Währenddessen geht es am anderen Flussufer ruhiger zu. Ein Weg windet sich in Serpentinen auf den Piazzale Michelangelo. Nur wenige Leute haben sich hierhin verirrt; zwei Stände mit Klimbim für Touristen stehen verloren auf dem großen Platz. Die Aussicht über Florenz jedoch ist herrlich: Unter den dunklen Wolken strahlt hell der alles überragende Dom, träge fließt der schlammige Arno dahin, ein Regenbogen überspannt die nahe gelegene Parkanlage.
Mit der Renaissance gelangte die Toskana zu Berühmtheit. Als ihr Meister gilt Michelangelo, der wie auch Galileo Galilei und Niccolo Machiavelli seine Grabstätte in der prachtvollen Basilika Santa Croce hat. Auch das Kenotaph (leeres Grab) von Dante Alighieri, der ebenfalls in Florenz geboren wurde, später aber ins Exil ging und in Ravenna beerdigt ist, gehört zu den aufwendig gestalteten Grabmonumenten.
Wir bleiben auf den Spuren Michelangelos und gehen zum Palazzo Vecchio, vor dessen Eingang eine Kopie des Davids, seinem bekanntesten Werk steht. Noch bevor wir an der Kasse ankommen, werden wir angehalten: „Ihr könnt erst in einer Stunde hinein. Eintrittskarten könnt ihr aber kaufen.“ Gestern hatten wir zwar bei der Zwischenlandung in Amsterdam noch Eintrittskarten für einige Museen online gekauft, Tickets für den Palazzo Vecchio wegen der Kürze der Aufenthaltszeit jedoch nicht mehr erwerben können.
Wir besorgen die Karten und vertreiben uns die Zeit bis zum Einlass bei einer Toskana-Platte und einem Glas Wein. Der Verlockung auf ein Bistecca alla fiorentina (gegrilltes T-Bone-Steak), das in einigen Lokalen in gekühlten Schaufenstern aushängt, wollen wir noch bis zum Abend widerstehen.
Ein Meisterwerk im Palazzo Vecchio ist der Saal der Fünfhundert. Der Raum ist geschmückt mit wandhohen Szenen der Eroberung Pisas und Sienas, eine prachtvolle Kassettendecke krönt den Saal. Auf einem der Gemälde soll der Schiefe Turm von Pisa zu sehen sein. Was anfänglich wie eine Leichtigkeit wirkt, entwickelt sich zu einer doch etwas länger dauernden Suche. Kurz bevor wir aufgeben wollen, finden wir das Bild.
Florenz ist vor allem auch die Stadt der Medici, skrupellose Herrscher und kunstsinnige Mäzene, die die besten Künstler ihrer Zeit beschäftigten. Ihre Selbstgefälligkeit ist in den Medici-Kapellen, die an der Rückseite der Kirche San Lorenzo liegen, eindrucksvoll zu bewundern. 49 Mitglieder der Medici-Familie haben ihre Grabmale inmitten von Granit, Marmor, Halbedelsteinen und Skulpturen Michelangelos. Als wir die große Fürstenkapelle betreten, fängt es an zu donnern. Der Widerhall des Donners in dem hohen achteckigen Raum und die sakralen Gesänge aus der Kirche San Lorenzo geben diesem Moment ein mystisches, dunkles Flair.
Obwohl es mittlerweile in Strömen regnet, stehen vor der Galleria dell‘Accademia und den Uffizien lange Warteschlangen. Auch in den Gebäuden herrscht reger Andrang vor Michelangelos David in der Galleria dell‘Accademia und vor den Meisterwerken von Leonardo da Vinci, Botticelli sowie Michelangelo in den Uffizien, dem von der Familie Medici in Auftrag gegebenem Bau, in dem einst Verwaltungs- und Justizräume untergebracht waren.
Bevor wir nach Lucca weiterreisen, wollen wir noch auf die Domkuppel steigen. Die Tickets haben ein Zeitfenster; wir stehen nach unserer Meinung pünktlich am Dom. „Ihr seid 15 Minuten zu spät.“ Freundlich gibt uns der Kontrolleur die Einlasskarten zurück. Betretene Gesichter bei uns. „Kommt in einer halben Stunde wieder. Dann lass ich euch rein. Aber seid pünktlich.“ Wir nicken erleichtert und sind rechtzeitig zurück.
Der Dom von Florenz ist die viertgrößte Kirche der Welt. Weißer Marmor aus Carrara, grüner aus Prato und roter aus der Maremma bilden seine imponierende Fassade. Über 463 Stufen erklimmen wir die Kuppel und umrunden an ihrer Basis das mit Fresken wunderschön ausgemalte Gewölbe. Über eine steile, enge Treppe geht es weiter hinauf zur Aussichtsplattform auf der Kuppel. Nach dem Aufstieg reicht die Zeit auf der Galerie gerade so, um den herrlichen 360-Grad-Panoramablick über die Stadt auch genießen zu können.
Lucca: die schönste Stadtmauer der Toskana
Die Geschichte der Toskana begann mit den Etruskern, den Erbauern der ersten toskanischen Städte. Eine Gründung der Etrusker ist Lucca, unser nächster Halt.
Mit dem Zug erreichen wir Lucca gegen Mittag. Eine 12 Meter hohe Stadtmauer, auf der sich ein breiter Rundweg befindet, umschließt den historischen Kern. Nach dem Bezug einer einfachen Wohnung in der Altstadt starten wir mit ihrer Besichtigung.
Nur wenige Besucher sind unterwegs. Ohne Gewusel um uns herum besichtigen wir die nach 300 Jahren Bauzeit fertiggestellte Kirche San Michele in Foro, deren Fassade im Hochzeitstortendesign sehr sehenswert ist und bummeln zur Kathedrale San Martino mit einer ebenfalls reich dekorierten Vorderfront. In ihrem Innern beherbergt sie ein beliebtes Pilgerziel, das Holzkreuz Volto Santo: Umgeben von einem goldenen Gitter hängt ein lebensgroßer dunkelhäutiger Jesus am Kreuz.
Den Rundgang durch die Altstadt beenden wir nach einem Bummel über den Amphitheater-Platz (mit Häusern bebautes Oval und vielen teuren Lokalen) als einzige Besucher im Geburtshaus von Giacomo Puccini.
Pisa: auf dem Platz der Wunder
Für den Schiefen Turm von Pisa dagegen haben wir Tickets online gekauft. Pisa ist mit einer 20-minütigen Zugfahrt zu erreichen, vom Bahnhof ist es nur ein kurzer Weg in die Altstadt.
Turm, Kathedrale und Baptisterium stehen hell in der Sonne leuchtend auf sattgrünem Rasen vor der Stadtmauer. Der Besucheransturm hält sich auf dem „Piazza dei Miracoli“ genannten Areal in Grenzen. Die Schieflage des Turms ist vor allem beim Betreten zu spüren. 35 Minuten haben wir Zeit, um die 251 ausgetretenen Stufen zur Aussichtsplattform zu erklimmen. Auf der Aussichtsgalerie merkt man von der Neigung des Turmes nur sehr wenig. Zu meinem Bedauern ist jedoch der Ausblick durch hohe Gitter beeinträchtigt.
Neben dem Turm steht der aus Marmor und im Streifendesign errichtete Dom. In seinem Innern fallen vor allem die achteckige Kanzel aus Carrara-Marmor und eine mit Gold verzierte Holzdecke – ein Erbe der Medici – auf.
Über Land
Lucca verlassen wir mit einem Mietwagen und dem Ziel Siena. Die Straße zieht sich durch zersiedelte Landschaften mit abgeernteten Feldern. Hier und da thronen Kastelle auf Hügeln und gelangt man entlang mit hohen Zypressen bestandener Alleen in mittelalterliche Dörfer.
Wehrmauern und Türme
Die Landstraße folgt dem Pilgerweg Via Francigena. Im mittelalterlichen Städtchen San Gimignano legen wir einen ersten Halt ein. Schon von Weitem sind die Stadtmauer und die sie überragenden Türme zu sehen. Einst bauten die adeligen Familien der Stadt 72 Türme als Ausdruck ihrer Macht und ihres Reichtums. Von den 15 übrig gebliebenen Geschlechtertürmen besteigen wir den höchsten und einzigen begehbaren Torre Grossa. Von oben sind die mittelalterlichen Dächer, Türme, Gassen und das kleinteilig bewirtschaftete Land auf der einen Seite und das Val d’Elsa mit Weiden und Wäldchen auf der anderen Seite gut zu sehen. In einer Enoteca probieren wir noch bei einer Platte mit köstlichem Schinken und Käse ein Glas Vernaccia di San Gimignano, ein Spitzenwein der Region.
Eine knappe halbe Stunde von San Gimignano entfernt weckt eine gewaltige Stadtmauer auf einem Hügel unser Interesse: Monteriggioni. Die wuchtige Wehrmauer mit 14 Türmen umgibt ein kleines Dorf aus dem 13. Jahrhundert, in dem die Zeit stehen geblieben ist. Wir verweilen eine Weile im Mittelalter, ehe wir die Fahrt nach Siena fortsetzen.
Siena: Seele der Toskana
Wie so oft auf der Reise beginnt auch der Morgen in Siena kalt und nass. Das Italienfeeling mit Sonnenschein, an einer Piazza sitzen, Leute beobachten und dabei einen Wein trinken wird sich wohl nicht mehr einstellen. Da sich für den frühen Nachmittag weiterer Regen angekündigt hat, bummeln wir zuerst durch die Stadt, ehe wir in die Museen gehen.
Hügelig geht es die Gassen hinauf und hinunter. Die abschüssige Piazza del Campo, die im Sommer die Bühne für den Palio di Siena (ein wildes Pferderennen) ist, wird gesäumt von Rathaus, Palästen und Wohnhäusern. In der sehr nüchtern gestalteten Basilica di San Domenico gibt es einen Finger und den Kopf der Heiligen Katharina zu sehen. Im prunkvollen Dom fällt vor allem die reich verzierte Kanzel aus Marmor ins Auge, in einem Seitenschiff befindet sich die ebenso meisterlich gestaltete Bibliothek mit der Büchersammlung von Enea Silvio Piccolomini, bekannt als Papst Pius II.
Durch das Val d‘Orcia
Die Städte hinter uns lassend, fahren wir weiter Richtung Süden nach Piancastagnaio und bleiben auf den Spuren der Wallfahrer, die auf der Via Francigena nach Rom pilgerten.
Ab Montalcino durchqueren wir das Val d’Orcia: Weinberge, auf denen die Trauben für die besten Weine wachsen, Hügel mit Siedlungen, in denen die müden Pilger einkehrten und Klöster, die sich aus dem welligen Tal erheben. Endlich stellt sich auch das vermisste Toskana-Feeling ein.
Der Pilgerroute folgend geht es von Montalcino nach Montepulciano. Im hübschen mittelalterlichen Montalcino probieren wir den Spitzenwein Brunello di Montalcino und klettern im stimmungsvollen Mittelalterstädtchen Montepulciano auf den Rathausturm. Dabei müssen wir dunkle Büros mit vielen Akten in den Regalen durchqueren, steigen durch enge Treppenaufgänge nach oben und haben von der Turmspitze einen wunderbaren Blick auf den schmalen Bergrücken, über den sich die Stadt erstreckt und auf das Val d’Orcia.
Etwas abseits der Route liegt Pienza. Die Stadt ist der Geburtsort von Papst Pius II., der das Dorf zu einer Renaissance-Stadt verwandelte. Leider ist die Kathedrale komplett eingerüstet, der Palazzo Piccolomini schließt in wenigen Minuten, so bleibt uns nur der Bummel durch Straßen mit Namen wie Via dell’Amore (Straße der Liebe) und Via del Bacio (Straße des Kusses).
Wir haben noch Zeit und steuern Monticchiello an. Eine mächtige Stadtmauer umklammert den kleinen Ort mit seinen Gässchen und alten Häusern, der Turm auf dem Bergfried zeugt von der Vergangenheit des Dorfes als Festung. Es ist ein ruhiger, verträumter Flecken, der zum Schlendern und Fotografieren einlädt.
Es dunkelt bereits. Kein Problem, denken wir. Piancastagnaio liegt nur 30 Kilometer entfernt, das ist eine Stunde Fahrtzeit. Plötzlich versperrt eine Baustelle die Straße. Wir folgen der ausgeschilderten Umleitung, die jedoch in einem großen Bogen an den Ausgangspunkt zurückführt. Verärgert kehren wir um, fahren zurück nach Montalcino und von dort nach Piancastagnaio. Wenn es nicht schon dunkel wäre und regnen würde, hätte man der Fahrt über die Dörfer etwas abgewinnen können, so aber kommen wir drei Stunden später angespannt in Piancastagnaio an.
Piancastagnaio am Monte Amiata
Im Quartier, dem Konvent San Bartolomeo, werden wir bereits vermisst. Mehrere Versuche der Gastgeber, uns telefonisch zu erreichen, sind wegen der schlechten Funkverbindungen misslungen.
Wir sind sehr hungrig. Mariana, die Gastgeberin telefoniert und wir bekommen noch einen Tisch in einem Restaurant vor Ort. Wegen Corona ist es gegenwärtig schwierig, in kleineren Orten einen Platz in einem Lokal zum Abendessen zu finden. Da die Anzahl der erlaubten Gäste auf 50 Prozent halbiert wurde, öffnen viele Lokale nur mittags für zwei Stunden und am Abend noch einmal für zwei Stunden. Sie sind dann zwar voll, aber halbierte Öffnungszeiten ergeben eine 50-prozentige Auslastung mit Gästen.
Der Konvent ist seit 1808 in Familienbesitz. Selbst nach der Restaurierung 2008 behielt der Komplex die Atmosphäre des 13. Jahrhunderts. Auch unser Zimmer in der ehemaligen Krankenstation, das mit Möbeln und Gegenständen aus der Vergangenheit eingerichtet ist, verströmt den Zauber des Mittelalters.
Frühstück gibt es neben dem Refektorium in der ehemaligen Küche. Mariana hat sich auf einem Zettel die Namen der angebotenen Kuchen auf Deutsch notiert. „Birnenkuchen mit Birnen aus dem Garten, selbst gebackener Pflaumenkuchen.“ Dann wechselt sie doch lieber ins Englische.
Malerische Städtchen
Tuffsteinlandschaften und der Berg Monte Amiata, der sich wie ein Vulkan erhebt, formen die Landschaft. Drei Städte, die zum Teil in das Gestein, zum Teil darauf gebaut wurden, besichtigen wir: Pitigliano, Sorano und Sovana.
Der Anblick von Pitigliano fasziniert uns bereits bei der Anfahrt. Die Häuser scheinen fest verwachsen zu sein mit den Felsen, auf denen sie stehen. Im Ort spannen sich Bögen über mit Kopfstein gepflasterte Gassen, Steintreppen verschwinden im Nirgendwo. Biegt man von der belebten Straße mit den Läden ab, ist es ruhig und menschenleer.
Auch Sorano liegt lang gestreckt auf einem Felsrücken über einer tiefen Schlucht und steht in seinem Anblick Pitigliano in nichts nach. Vom Platz mit dem alten Glockenturm lässt sich das Dorf nach allen Seiten überblicken. Im Tuffstein der umliegenden Felsen sind Öffnungen zu erkennen, die auf etruskische Gräber hindeuten.
Der kleine Ort Sovana hat neben seinen hübschen Häusern aus Tuffstein noch eine weitere Sehenswürdigkeit: In der Kathedrale befindet sich das Grab von Papst Gregor VII., dem Papst, der den römisch-deutschen Kaiser Heinrich IV. zu dem demütigenden Gang nach Canossa zwang (Investiturstreit).
Abreise und endlich Sonne
Der Abreisetag ist angebrochen; wir fahren auf Umwegen zum Flughafen nach Rom. Diesmal ist der Abstecher selbst gewählt und bringt uns für einen letzten Kulturgenuss nach Tuscania. Allerdings endet der Ausflug gleich nach Betreten der Stadt auf einer Parkbank mit Blick auf die Festungsanlage und einem wohligen Bad in der Sonne.