Armut ohne Verschuldung ist wahrer Reichtum.
(Aus Ägypten)
Reisejahr 2020
Jemen (mit Sokotra) – Ägypten
Alexandria – El Alamein – Oase Siwa – Marsa Matruh – Oase Bahariyya – Kairo
Lauthals überbieten sich die Taxifahrer am Flughafen in Kairo. Als sie hören, dass wir nach Alexandria wollen, nimmt die Lautstärke deutlich zu. Die geforderten 100 USD sind uns jedoch zu viel für eine Tour im Land mit sehr niedrigen Taxipreisen; wir wollen mit dem Bus fahren.
Das Busterminal ist zehn Kilometer vom Flughafen entfernt, ein kostenloser Shuttlebus verkehrt zwischen Flughafen und Busterminal. Nun werden uns Taxifahrten zum Busterminal angeboten: 200 EGP (10 Euro). Ein sehr hoher Preis. Unbeirrt gehen wir zum Shuttlebus. Ein Taxifahrer prescht vor und verlangt 50 USD für die Tour nach Alexandria. Wir denken uns zwar unseren Teil, aber schlagen ein.
Es kommt wie erwartet. Noch bevor wir das Flughafengelände verlassen haben, verlangt er 70 USD. „50 USD sind viel zu wenig.“ „Der Preis war dein Vorschlag. Mehr gibt es nicht“, kontern wir. Nach mehreren Versuchen gibt er auf. „Dann fahre ich euch zurück zum Flughafen.“ „Gut, aber du bekommst keinen Cent“, ist die Antwort.
Statt zum Flughafen bringt er uns jedoch zum Busbahnhof und verlangt 200 EGP. Uns platzt der Kragen. Während ich Bustickets kaufe, verhandelt Marc unnachgiebig. Da der Taxifahrer auf die 200 EGP beharrt, lassen wir ihn stehen. Kaum sitzen wir im Bus, tritt ein älterer Mann auf uns zu. „Der Fahrer ist ein Esel. Ich bin auch Taxifahrer. Gebt ihm aber bitte 50 EGP.“ Aha, 50 EGP (2,50 Euro) statt 200 EGP sind also der reelle Preis. Er bekommt das Geld.
Der Bus quält sich durch die heillos überfüllten Straßen Kairos. Kalter Wind weht durch den Innenraum. Die Dachluken schließen nicht mehr und die Außentemperaturen liegen nur noch bei 8 Grad Celsius.
Alexandria: Zentrum der Gelehrten in der Antike
Fünf Stunden nach der Abfahrt steigen wir völlig durchgefroren in Alexandria aus dem Bus. Ein Mitfahrer hilft uns einem Taxifahrer klar zu machen, wo wir hinwollen: In Ägypten sprechen nur sehr selten Taxifahrer Englisch.
Alle Taxis in Alexandria sind schwarz und gelb lackierte Uralt-Lada. Damit man im Auto nicht an den Abgasen erstickt, sind die Fenster heruntergekurbelt. Die Türen klemmen sowieso, was die Karosse zusammenhält, ist uns ein Rätsel.
Heruntergekommene Gebäude und Gassen, Pferdefuhrwerke im Stadtverkehr, dicke Luft, Müll – Alexandria. An etlichen Autos ist noch ein deutsches Nummernschild befestigt, über das ein ägyptisches gehängt wurde. Auch an der Corniche wird die Stadt nicht schöner. Die einst prachtvollen Fassaden der Häuser sind marode, der Fußweg dreckig und voller Stolperfallen, vorwiegend Eisläden und solarbetriebene Kaffeehäuschen haben ein kulinarisches Angebot. Auffallend viele junge Frauen tragen Kopftuch und Gesichtsschleier.
Am westlichen Ende der Corniche steht die Kait Bey-Zitadelle. Als wir dort aussteigen, regnet es. Wir flüchten in den nächsten Eingang und stehen im Fischmuseum. Warum nicht mal ein Fischmuseum besichtigen? Die Ausstellung ist eine Reise in die britische Kolonialzeit. Die verstaubten Fotos und Exponate haben ihren eigenen Charme. Letztendlich wird uns dieses Museum als Highlight von Alexandria in Erinnerung bleiben.
Die Zitadelle dagegen ist nur eine Ansammlung leerer Räume; von ihrer Außenmauer geht der Blick auf die Hafeneinfahrt, an der einst der Leuchtturm Pharos stand.
Ursprünglich wollten wir uns auf dem Weg entlang der Corniche die Abu-l-Abbas-al-Mursi-Moschee ansehen. Jedoch verleiden uns Postkartenverkäufer und sonstige Schnorrer deren Besuch. Verärgert laufen wir zum Ende der Corniche, die auf einer Länge von 16 Kilometern zur Bibliothek von Alexandria führt.
Das Hauptgebäude der Bibliothek symbolisiert die aufgehende Sonne unter der sich ein luftig und hell konstruierter Lesesaal über sieben Etagen zieht. Im Bestand befinden sich 2,3 Millionen Bücher, von denen 500.000 eine Spende aus Frankreich sind. Wir surfen im Katalog und entdecken das bahnbrechende Werk „Wanderwege in der Pfalz“.
Mit dem Bus brechen wir auf in die Oase Siwa. Zehn Stunden werden wir unterwegs sein. Drei Fahrer wechseln sich alle zwei Stunden beim Fahren ab; in Marsa Matruh wird eine zweistündige Pause eingelegt. Kampfjets donnern in der Stadt zum Greifen nah über unsere Köpfe, die Grenze zu Libyen ist 200 Kilometer entfernt. Ich versuche sie auf ein Foto zu bannen, misstrauisch beobachtet von den Ägyptern. Sie gehen auf Marc zu und fragen nach unserer Herkunft. Als sie Deutschland hören, hellen sich die Minen auf, Marc werden die Hände geschüttelt, „Ägypten gut.“
Von der Küste in die Libysche Wüste
Im Gegensatz zur bis nach Marsa Matruh führenden Küstenstraße ist die Wüstenstraße voller Schlaglöcher, die Checkpoints häufen sich. An einem der Kontrollpunkte wird das Gepäck gezielt durchsucht. „Liquids, Whiskey?“ Ich muss lachen und verneine.
Je tiefer wir in die Wüste kommen, desto mehr LKW stehen dicht an dicht auf der anderen Fahrbahn. Sie transportieren Salz von Siwa an die Häfen der Küste, von wo aus ein Teil nach Kanada verschifft wird.
Salzseen umgeben die Oase Siwa. 50 Kilometer von der libyschen Grenze entfernt, ist sie einer der konservativsten Orte Ägyptens. Die Bewohner der Oase sind Berber mit eigener Sprache und Tradition.
Im Hotelzimmer ist es bitterkalt. Ein Angestellter bringt einen kleinen Heizer, der aber hoffnungslos mit den Temperaturen überfordert ist. Wirklich gewärmt sind wir erst nach dem opulenten Frühstück auf der sonnendurchfluteten Dachterrasse.
Wir erkunden die Oase. Die Sonne strahlt über das Blätterdach der Dattelpalmen auf Datteln, die zum Trocknen auf den Hausdächern ausgebreitet wurden und auf Shali, die aus Lehm erbaute, zerfallene Altstadt, die sich eng an einen Felsen schmiegt. Viele Straßen sind aufgerissen. Frauen hocken eingehüllt in ein graues, weites Gewand mit schwarzem Gesichtsschleier auf zweirädrigen Karren, die von Eseln gezogen werden. Wir bevorzugen als Transportmittel ein Tuk-Tuk, ein von einem Moped gezogener Lastenanhänger mit Sitzbank.
Holpernd nähern wir uns dem Berg der Toten, klettern auf den von den Eingängen zu den Gräbern zerlöcherten Berg, folgen danach den Spuren Alexander des Großen zum Orakel von Siwa und besuchen die Sonnenquelle, ein Wasserbecken in dem Cleopatra einst ein Bad genommen haben soll.
Von Siwa wollen wir in die Oase Bahariya weiterreisen. Die einzige Straßenverbindung ist vom Militär gesperrt, wir müssen zurück nach Marsa Matruh. Dort verbringen wir eine Nacht im Hotel am Strand und lassen uns am nächsten Tag für die Reise nach Bahariyya abholen. So sparen wir die zeitraubende Busfahrt durch das chaotische Kairo.
Die Wüstenstraße ist gut ausgebaut. Militärfahrzeuge werden vom Fahrer für eine zügige Fahrt beiseite gehupt, trotzdem erreichen wir das Ziel, ein von Beduinen betriebenes Camp, erst nach acht Stunden. Bei einem üppigen Beduinen-Mahl erholen wir uns von der Tour und lümmeln abends bei Tee und Obst am Lagerfeuer herum.
Wüstensafari
Bahariyya ist Ausgangspunkt für mehrtägige Wüstentouren. Da uns wegen der winterlichen Temperaturen eine Nacht in der Wüste reicht, haben wir die kürzeste der möglichen Touren gewählt. Saed, Fahrer und Guide in einer Person, bringt uns im Lauf des Tages in die schwarze Wüste (Basaltgestein und Wüstensand) und zu den Kristallbergen (Quartz und Wüstensand). Pflichtbewusst krabbeln wir über die wenig spektakulären Hügel. Starker Wind bläst den Sand in alle Poren.
In einer winzigen Oase aus Dattelpalmen serviert Saed einen Mittagsimbiss. Nun haben wir den Sand auch zwischen den Zähnen. Endlich tauchen die fantasieanregenden Kalksteinformationen der weißen Wüste auf. Saed kurvt an den bizarren Gebilden entlang. Das Auto neigt sich im 30-Grad-Winkel bedrohlich zur Seite, rutscht durch den Sand.
Tief in der weißen Wüste schlägt Saed das Nachtlager an einem Felsen auf. Ein 2,50 Meter hoher, nach einer Seite offener Windschutz wird unser Nachtlager. Matratzen, Schlafsäcke und dicke, schwere Kamelhaardecken sollen uns vor der Kälte schützen. Als Saed sie vom Dachgepäckträger des Autos wirft, stehen wir inmitten einer Sandwolke.
Nach einer kalten Nacht unter sternenklarem Himmel beenden wir den Ausflug mit einem Halt am „Wahrzeichen“ der Wüste, ein Kalksteinfelsen in Pilzform mit daneben sitzendem Huhn. Von dort geht es auf mit Steinen markiertem Sand durch die alte weiße Wüste zurück. Den Namen hat sie den bereits gelblich verfärbten Felsen zu verdanken. Neben der Wegmarkierung im Sand stehen hier Randsteine mit aufgemaltem Tempo-30-Gebot und durchgestrichenem Handy.
Im Oasen-Camp wartet eine Überraschung auf uns. Das Schwimmbecken ist mit 30 Grad warmem, eisenhaltigen Mineralwasser gefüllt. Wir entspannen im wohltemperierten Wasser, essen und werden nach Kairo gebracht.
Kairo
Den letzten Urlaubstag verbringen wir in den eindrucksvollsten Sehenswürdigkeiten Kairos: im Ägyptischen Museum und auf der Zitadelle von Saladin. Leider liegt eine graue Dunstglocke über der Stadt, sodass wir von den hohen Festungsmauern der Zitadelle keinen Blick über die Stadt haben.
Letzten Endes sind wir aber froh, am Abend zurück nach Deutschland zu fliegen. Zu sehr nervt die unaufhörliche Abzockerei in diesem Land.