Sierra Leone

Wer etwas durcheinander bringt, muss wissen, wie er wieder Ordnung schafft.
(Sprichwort der Temne aus Sierra-Leone)

Reisejahr 2014

Guinea Liberia – Sierra-Leone: Kenema – Freetown

Natürlich gibt es auch an der Grenze zu Sierra Leone einige Büros zu besuchen: Die Preise steigen, die Wartezeit ebenfalls.

Die Polizisten werden gesprächig. Auf die Frage, ob sie lieber in Liberia leben würden, ist eine abwertende Handbewegung die Antwort: „Zu viel UN-Präsenz, Guinea wäre gut.“ 

Drei Stunden später fahren wir auf der Nationalstraße, einer Lehmpiste mit achterbahnartigen Bodenwellen und tiefen Löchern weiter.

Die nächste Polizeikontrolle lässt nicht lange auf sich warten. Ein übellaunig blickender Ordnungshüter kontrolliert die Pässe und gibt die Piste zu unserem Erstaunen für eine gebührenfreie Weiterfahrt frei.

Zimni, eine größere Stadt, ist nur wenige Kilometer entfernt. Natürlich gibt es auch hier eine Passkontrolle. Drei Büros gehören zur Polizeistation. Zeit, um auszusteigen. Am Gebäude klebt ein Plakat, das über den Ebolavirus aufklärt. Das Erste und Einzige auf der Reise, dass ich trotz aktueller Ebolaepidemie zu sehen bekomme.

Nationalstraße Nr. 1 in Sierra Leone
Nationalstraße Nr. 1
Überall sind die Kinder gleich zur Stelle
Überall sind die Kinder gleich zur Stelle
Wir sind eine willkommene Abwechslung

Die Straße schlängelt sich durch den Gola-Nationalpark. An einem Kontrollpunkt gibt es einen kreativen Polizisten. Er verlangt Geld, weil wir nicht angeschnallt sind. Unterdessen saust ein Motorrad, auf dem vier Erwachsene sitzen und ein Pkw mit sechs Leuten auf der Rückbank an ihm vorbei. Wir reisen weiter, ohne zu zahlen.

Kenema, eines der Zentren für den Diamantenabbau, erreichen wir am späten Nachmittag. Müde von der Fahrt unternehmen wir nichts mehr.

Kenema: Zentrum des Diamantenabbaus

In der Nähe der Stadt zieht sich ein langer, schlammiger Streifen durchs Grün. Männer stehen in den Wassertümpeln, graben und sieben. Auf den trockenen Stellen balancierend laufen wir durch die Mine. Ein Foto, ein Schritt zur Seite und schon versinke ich knietief im Matsch. Boureima zieht mich heraus, aber meine Flip-Flops bleiben stecken. Einer ist noch greifbar. Ein Minenarbeiter buddelt nach dem anderen Latschen. Er tastet sich durch den Matsch, findet ihn, spült die Schuhe ab und bringt mir einen Eimer Wasser, damit ich meine Füße waschen kann.

Nebenbei erfahren wir, dass die Arbeiter einen Lohn erhalten, auch wenn sie nichts finden. Das Minengelände ist, wenn es wieder verlassen wird, landwirtschaftlich nutzbar, da keine Chemikalien zum Einsatz kommen.

Mine-bei-Kenema-in-Sierra-Leone
Mine bei Kenema
Mine-bei-Kenema-in-Sierra-Leone
Mine bei Kenema
Männer stehen in den Wassertümpeln, graben und sieben
Männer stehen in den Wassertümpeln, graben und sieben

Am späten Vormittag sind wir zurück in Kenema. Was tun? Wir besuchen einen der vielen Diamantenhändler, die hier ihre Büros haben: Vier Männer sitzen im Schatten eines Baumes. „Wie ist der aktuelle Goldpreis?“, wollen wir wissen. Sofort springen sie auf. Durch eine Tresortür betreten wir das Büro. „Magst du Diamanten?“, fragt einer der Händler. Im selben Augenblick liegt schon ein kleiner Edelstein in meiner Hand und die Verhandlungen über den Preis beginnen. Schnell bemerken die Händler jedoch, dass wir es nicht ernst meinen. Gemeinsam lachend verabschieden wir uns.

Am Stadtrand gibt es einen kleinen Gemüsemarkt. Die Atmosphäre ist hier eine andere als in der City. Misstrauisch werden wir gemustert. Erst als ich einen großen Keks erwerbe, lockert die Stimmung auf.

Kenema in Sierra-Leone
Kenema
Kenema in Sierra-Leone
Kenema
Markt in Kenema in Sierra-Leone
Auf dem Markt

In einem Laden kaufe ich drei kleine Tüten Wasser. Der Preis, den der Verkäufer nennt, ist erstaunlich hoch. Ich bin jedoch so durstig, dass ich ihn akzeptiere. Daraufhin drückt er mir ein Paket mit 20 kleinen Tüten Wasser darin in die Hand.

Pünktlich zum Beginn des Spieles Bayern gegen Arsenal sitzen wir zum Abendessen in einer Halle, in der mehrere Fernseher laufen. Es ist rappelvoll, die Stimmung großartig. Bayern genießt eindeutig nicht die Sympathien der Zuschauer. Bei einer Schiedsrichterfehlentscheidung zugunsten von Arsenal heben jedoch alle den Zeigefinger, schütteln die Köpfe und sagen „No, No.“

Auf dem Weg nach Freetown

Noch bevor wir Kenema verlassen, müssen wir vor einer Polizeistation anhalten und aussteigen. Wie so oft sind die Autopapiere angeblich nicht vollständig. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Kontrollen sind Ton und Gangart härter. 20 Minuten lang wird hart diskutiert und dann gezahlt.

In Bo, der alten Hauptstadt von Sierra Leone, legen wir eine kurze Pause ein. Vor der Stadt haben Chinesen ein Fußballstadion gebaut, das kurz vor der Eröffnung steht. Niemand weiß, wer darin spielen soll.

Auf dem Markt in Bo kaufen wir Kolanüsse. Die Früchte haben eine besondere kulturelle Bedeutung. Die Eltern eines Mannes gehen mit drei Nüssen zu den Eltern seiner Angebeteten. Werden die Nüsse angenommen, steht einer Hochzeit nichts im Weg. Damit auch jeder im Dorf oder Stadtviertel weiß, dass es ein neues Paar gibt, werden ein bis zwei Monate später mehrere Kilogramm Nüsse im Ort verteilt.

Ich probiere eine Nuss. Sie schmeckt bitter und die ihr nachgesagte Wirkung des Wachhaltens will sich auch nicht einstellen.

Frauen verkaufen Kolanüsse
Verkauf von Kolanüssen
Ruinen aus dem Bürgerkrieg
Ruinen aus dem Bürgerkrieg
Möbelherstellung

In einer kleinen Stadt halten wir vor einer Straßenküche. Noch bevor wir aussteigen können, steht ein Polizist neben dem Auto. „Zeigt eure Papiere“, brummelt er. Boureima reagiert ungehalten: „Wir wollen hier nur essen.“

Strandweise nähern wir uns Freetown. In Tokeh legen wir den ersten Stopp ein, baden im überraschend warmen Atlantik und vertreiben uns die Zeit mit den Kindern der Fischer. Am River No. 2 ist der nächste Strandstopp. Es ist ein belebter und beliebter Ort mit Verkaufsständen, Liegestühlen und Bar, an dem Eintritt gezahlt werden muss.

Fischer von Tokeh auf einem Boot
Fischer von Tokeh auf einem Boot
Strand von Freetown
Strand von Freetown
Freetown-Sierra-Leone
Freetown
Das Tacugama-Schimpansenprojekt

Der letzte Urlaubstag beginnt. Den Vormittag verbringen wir außerhalb von Freetown im Tacugama-Schimpansenprojekt für Waisen und gerettete Tiere. Gebetsmühlenartig trägt ein Guide, ohne den man das Projekt nicht besuchen darf, einen Text vor, der wortgetreu auf jedem Schild steht.

Um Tickets für die Fähre Richtung Flughafen zu kaufen, machen wir noch vor der geplanten Stadtbesichtigung einen Abstecher zum Hafen. Dort erfahren wir, dass das nächste Boot erst eine halbe Stunde vor unserem Abflug abgehen soll.

Boureima kümmert sich um eine Alternative. Der Kapitän eines kleinen Kajütboots bietet ihm an, für 100 USD sofort abzulegen. Da es die einzige Möglichkeit ist, zum Flughafen zu kommen, steigen wir ein.

Am anderen Ufer greifen flugs Hände nach unserem Gepäck und tragen es zum drei Meter entfernt stehenden Taxi. Nach dem Aushandeln eines Trinkgeldes und dessen Zahlung wird es in den Kofferraum gelegt.

Währenddessen laufen lautstark die Verhandlungen mit dem Fahrer über den Preis für eine Fahrt zum Flughafen. Als er feststeht, steigen wir ein. Nach einem Kilometer Fahrt dreht sich der Fahrer zu uns um: „Gebt mir mehr Geld.“ Boureima reagiert zutiefst verärgert und pocht auf den ausgemachten Preis. Nach einem lautstark geführten Wortwechsel gibt der Fahrer nach.

Am Flughafen geht alles ganz schnell. Wir verabschieden uns kurz, bekommen die Bordkarten in die Hand und den Ausreisestempel in den Pass gedrückt und sitzen schon nach wenigen Minuten im Warteraum.

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