Keinen Freund zu haben, das ist wahre Armut.
(Sprichwort aus der Serengeti)
Reisejahr 2013
Kenia – Victoriasee – Serengeti – Ngorongoro Krater – Moshi (Fahrradtour) – Kenia
In der Regenzeit ist es schwierig, von der Massai Mara in Kenia an den Victoriasee in Tansania zu reisen. Der Busverkehr ist wegen der schlechten Straßenverhältnisse eingestellt und so bleibt nur ein Flug über Moshi (Kilimandscharo) nach Mwanza.
Eine Propellermaschine bringt uns von Nairobi nach Moshi. Eine Stunde haben wir Zeit, um den Anschlussflug nach Mwanza zu erreichen. Zu unserem Ärger wurde das Gepäck jedoch nicht durchgecheckt und wir müssen erst in Tansania einreisen, das Gepäck holen und uns anschließend in die Warteschlange vor dem Flughafengebäude einreihen.
Wenigstens bekommen wir anstandslos Tickets für die nächste Maschine nach Mwanza. Dort steigen wir in ein Taxi und fahren weiter zum Busbahnhof. Der Linienbus Richtung Victoriasee steht bereit und ist bis auf drei Plätze in der hintersten Reihe besetzt. Trotzdem sollen wir unbedingt einsteigen. „Ihr müsst mitfahren. Wir haben nur selten weiße Gäste“, reden ein paar Leute auf uns ein. Dafür müssen zwei Männer ihre Sitze in der Mitte des Busses räumen und sich auf die hinterste Bank klemmen.
Afrikanische Rhytmen dröhnen durch den Bus. Ein Geistlicher übertönt die Musik mit einer 45-minütigen Predigt. Zwei Stunden später steigen wir an einem Abzweig zum See aus, nicht ohne von einigen Männern unangenehm angemacht zu werden.
Am Victoriasee
Am Victoriasee, dem größten See Afrikas, entspannen wir in einer hübschen Hütte am Wasser, werden von Einheimischen zu einem Fischerdorf gepaddelt und mieten ein Fahrrad, um über die Dörfer zu radeln. Massiv gebaute Hütten stehen zwischen Feldern, auf denen Bananen, Zuckerrohr, Papaya, Kartoffeln und mehr wachsen. Die Bewohner können sich selbst versorgen, manchmal tauschen sie im nahe gelegenen Fischerdorf Früchte gegen Fisch.
In die Serengeti
Vom Victoriasee wollen wir zu einer Tour in die Serengeti starten. „Das schafft ihr nicht. Alle Touranbieter sitzen in Moshi und Arusha und wegen der schlechten Piste fährt keiner hoch zum Victoriasee, um dort Leute abzuholen. Es sei denn, ihr zahlt ein Vermögen“, kopfschüttelnd sieht uns der Vermieter an. Wir haben aber im Internet eine Agentur gefunden, die uns zu einem eher geringen Preis einen Fahrer schicken will. Mit ein wenig Bangen hoffen wir, dass auch wirklich jemand kommt.
Gaspar, der Fahrer durch die Serengeti steht pünktlich mit dem Auto vor der Tür. Durch den West Corridor bringt er uns kreuz und quer bis zum im Nordosten gelegenen Ikoma Gate.
Leichter Dauerregen geht über der Serengeti nieder. Zebras und Giraffen ziehen durch das Gras, Affen sitzen mit ihren Babys auf den Ästen eines Baumes, Aasgeier zanken sich um Fleischreste, eine Löwin liegt im Gras.
Drei Kilometer vom Gate entfernt, übernachten wir in einer herrlichen Lodge. Dank Regenzeit erhalten wir ein Zimmer zum Preis einer Zeltübernachtung.
Gaspar ist ein sehr versierter Fahrer. Ein Stopp, ein Blick auf die weite und nahe Umgebung, eine scharfe Kurve und schon stehen wir Herden mit Jungtieren gegenüber. Besonders eindrucksvoll ist das Zusammentreffen mit einer Elefantenfamilie. Ein ganz junger Elefant wälzt sich im Schlamm und umklammert den Stoßzahn seiner Mutter. Derweil behält uns ein Elterntier im Auge. Es ist so nah, dass wir seine Wimpern erkennen.
Als am Horizont eine endlos scheinende Gnuherde entlang zieht, bekommen wir noch einen Eindruck von der „Großen Migration“.
Der nächste Tag beginnt mit Regen. Das Auto rutscht über die schlammigen Pisten. Plötzlich stoppt Gaspar. Ein Gnu grast in der Steppe, als sich ein Gepard anschleicht. Er fängt es; sie kämpfen; das Gnu schafft es, sich zu befreien und läuft weg. Der Gepard gibt auf.
Im Ngorongoro Krater
Wie ein riesiges Amphitheater erstreckt sich der Ngorongoro Krater in der Savanne. Großwildtiere wie Löwen, Elefanten, Büffel, Zebras, Gnus und Giraffen leben hier.
Ein Löwenrudel lässt sich gerade einen erbeuteten Büffel schmecken. Vollgefressen legen sich die Löwinnen in den Schatten der parkenden Autos. Eine Löwin, die nicht von der Beute lassen will, wird von Hyänen eingekreist. Als sich genügend von ihnen gesammelt haben, greifen sie von allen Seiten an. Die Löwin versucht die Beute zu verteidigen, überlässt sie jedoch nach kurzem Fauchen den Angreifern.
Überlandfahrt nach Moshi
Mit Gaspar ist vereinbart, dass er uns am Morgen in das drei Stunden entfernte Arusha bringen soll und wir dort in einen Bus umsteigen, um nach Moshi zu gelangen. Nach kurzer Autofahrt ist Schluss. Am Lake Manyara ist die einzige Brücke von einer Steinlawine, die sich nachts vom Ngorongoro Krater gelöst hat, verschüttet worden. Eine breite Schneise der Verwüstung zieht sich durch die Landschaft. Die Hütten am Eingang zum Naturpark Manyara liegen unter Felsbrocken begraben, der Fluss ist nicht mehr in seinem Flussbett sondern fließt ins Dorf.
Nach zweieinhalb Stunden kommen zwei Bagger und bringen in den folgenden fünf Stunden den Fluss in sein altes Bett zurück, räumen die Brücke und schieben alles soweit zusammen, dass Autos wieder fahren können.
Unser Vorhaben von Arusha nach Moshi mit dem Bus zu fahren ist nur noch Makulatur. Gasper holt zwar alles aus dem Auto raus, trotzdem erreichen wir Arusha erst gegen 17 Uhr. Zu spät, um sicher vor der Dunkelheit nach Moshi zu kommen. Gasper bietet an, uns für wenig mehr als das Spritgeld nach Moshi zu fahren. Das Angebot nehmen wir dankbar an.
Radtour am Kilimandscharo
Von Moshi aus starten wir eine dreitägige Radtour mit Guide und Koch über die Dörfer am Kilimandscharo.
Scharfe Kanten, tiefe Kuhlen, Schlammlöcher: Die Wege, die quer durch Dörfer, über Felder und durch Plantagen am Fuß des Kilimandscharo führen, lassen uns auf den Rädern rutschen und schwitzen. Nach 30 Minuten gibt es nichts mehr an uns, was noch trocken wäre. Dabei ist der Himmel bewölkt. Selten ist ein himmelblaues Sonnenloch zu sehen.
Auf den Feldern wird hauptsächlich Mais angebaut. Es sind große Flächen, die von mehreren Familien bewirtschaftet werden. Daneben stehen Bananenplantagen. Im Schatten der Stauden wachsen Kaffee und Tomaten. Die Hütten der Besitzer stehen mittendrin.
Die Leute reagieren sehr unterschiedlich auf uns. Einige grüßen, andere sind misstrauisch oder ignorierend. Für die Kinder sind wir die Überraschung des Tages. Während einer Pause in einer Bananenplantage sammeln sie sich in einiger Entfernung und beobachten uns. „Wazungu“: Weiße, rufen sie. Ein Ruf, der uns den ganzen Tag lang begleitet. Am frühen Nachmittag erreichen wir unser Quartier, ein Zelt, das in einem Garten steht.
Unser Ziel am nächsten Tag ist das Machame Gate. Die Machame Route ist eine von sechs Routen, die auf den Kilimandscharo führen. In der Nacht hat es geregnet, die Räder rutschen im Schlamm immer wieder weg. Steil geht es bergauf. Den letzten Kilometer zum Gate schieben wir.
Die grauen Wolken kommen näher, es wird kälter und wir fangen an zu frieren. Vom Kilimandscharo ist nichts zu sehen. Dafür haben wir einen beeindruckenden Blick ins Tal: Dichte Baumkronen, die nur selten von Dächern und Satellitenschüsseln durchbrochen werden, ziehen sich die Hänge hinauf.
Leicht frierend erreichen wir das Gate. Außer dem Hüter des Tores ist niemand da. Nach einer kurzen Pause machen wir uns startklar zur Abfahrt. In rasantem Tempo geht es ins Tal. Mit meinem Mut geht es ebenso schnell bergab. Die Bremsen quietschen, das Vorderrad flattert, Schotter fliegt um die Beine, der Fahrtwind ist eisig. In Gedanken zähle ich die Knochen, die bei einem Sturz ganz bleiben könnten.
Alles geht gut. Weiter geht es über die Dörfer. Die Wege führen über Brücken aus einfachen Holzbohlen die kippeln, wenn sie betreten werden. Bei der Fahrt über Steine, Löcher, Kanten wird jeder Körperzentimeter durchgeschüttelt und braucht es viel Aufmerksamkeit, um nicht über den Lenker abzusteigen.
Eine letzte Nacht zelten wir in einem Garten, dann strampeln wir zurück nach Moshi und rühren uns bis zur Abreise nach Kenia am nächsten Morgen nicht mehr vom Fleck.