Bukowina und Maramures

Unterschriften sind Handschellen aus Tinte.
(Sprichwort aus der Bukowina)

Reisejahr 2016

Ukraine – Radauti – Sighetu Marmației – Sapanta Vișeu de Sus – Cluj (Regionen Bukowina und Maramures)

Nach einer problemlosen Anreise per Anhalter aus der Ukraine steige ich in Siret in ein anderes Auto um und erreiche kurz darauf Radauti.

Moldauklöster in der Bukowina

Radauti ist Ausgangspunkt für einen Besuch der Bukowinaklöster Putna und Suceava. Von der Stadt aus soll es eine Zugverbindung nach Putna geben und ich sehe mich vorab nach dem Bahnhof um, finde aber nur ein verlassenes Gebäude und von Gestrüpp überwucherte Schienen vor. Hier fährt seit Jahren kein Zug mehr. Auch ein Halteplatz für Minibusse ist nicht zu finden.

Der Zimmervermieter hilft mir weiter. Während er einen Stadtplan auf dem Tisch ausbreitet und auf Straßenkreuzungen zeigt, an denen Minibusse zu den Klöstern abfahren, fragt er nach meinen weiteren Reisezielen. „Sighetu Marmației“ antworte ich. „Sighetu Marmației ist 260 Kilometer entfernt. Es gibt keine Verbindung dorthin. Da bist du zwei Tage unterwegs“, antwortet er. Nach Recherchen im Internet und einigen Telefonaten finden wir auch hiefür einen Weg, um die Stadt an einem Tag zu erreichen.

Mein erster Ausflug soll mich in das Kloster Suceviţa führen. Am Haltepunkt für Minibusse wartet niemand. Die Ungewissheit ist mir zu groß: Fährt ein Bus in fünf Minuten oder erst in zwei Stunden? In einem Hostel frage ich nach, aber der Besitzer weiß es auch nicht. Die 18 Kilometer kann ich auch trampen, denke ich und laufe ein paar Meter Richtung Stadtgrenze. Da ertönt ein Pfiff. Ich drehe mich um. Der Typ vom Hostel steht winkend auf der Straße. In dem Moment kommt der Bus nach Suceviţa.

Das Kloster ist umgeben von Mauern und Türmen. Es ist eines der schönsten Moldauklöster und das Einzige, dessen Innen- und Außenwände vollständig mit komplett erhaltenen Wandmalereien versehen ist. Die Klänge eines Gottesdienstes sind schon beim Aussteigen zu hören. Gläubige drängen sich in der Klosterkirche; einige sitzen im Garten auf den Bänken und beten.

Die Wandmalereien sind prachtvoll. Auf der Nordseite ist die „Stufenleiter der Tugenden“, die eine Leiter zum Himmelstor zeigt, dargestellt: Teufel versuchen, die auf der Himmelsleiter hinaufsteigenden Menschen hinunter in die Höllenschlucht zu ziehen, während über der Leiter Engel schweben.

Kloster-Sucevita-in-der-Bukowina
Kloster Sucevita
Kloster-Sucevita-in-der-Bukowina
Kloster und Wehrgang

Der Weg zum Kloster Putna sollte einfacher zu bewältigen sein: Der Haltepunkt ist vor der Haustür und die Strecke wird öfter befahren. Nach 1,5 Stunden vergeblichen Wartens am Straßenrand habe ich die Nase voll, laufe zur Straße, die nach Putna führt und stoppe einen VW-Bus. Am Kloster drücke ich dem Fahrer den Gegenwert eines Bustickets in die Hand und alle sind zufrieden.

Das Männerkloster Putna ist ebenfalls als Wehrkloster angelegt. Sein Standort wurde der Legende nach durch einen Bogenschuss von seinem Gründer Stefan der Große bestimmt, der dort auch begraben liegt. Im Gegensatz zu anderen Bukowina-Klöstern hat die Außenfassade einen schlichten weißen Anstrich. Im Innern ist sie jedoch genauso sehenswert.

Als ich das Gelände verlasse, steht tatsächlich ein Bus nach Radauti auf dem Parkplatz. Ich zögere kurz, entscheide mich jedoch gegen die Rückfahrt und für einen Spaziergang zur Zelle des Eremiten Daniel. Der Einsiedler soll den Fürsten Stefan der Große während der türkischen Belagerung mit göttlichen Eingebungen erfolgreich beraten haben. Seine in einen Felsblock gehauene Eremitenwohnung wird heute als Höhlenkirche genutzt.

Nach dem Abstecher zu Daniel’s Zelle steht leider kein Bus mehr bereit. Eine Stunde verbringe ich am Straßenrand, ehe mich ein Auto mitnimmt.

Kloster Putna in der Bukowina
Kloster Putna
Zelle des Eremiten Daniel am Kloster Putna in der Bukowina
Zelle des Eremiten Daniel

Der nächste Tag beginnt früh. Bus und Bahn fahren in Rumänien sehr pünktlich. Den Bus nach Gura Humorului, dem Umsteigeort für die Reise nach Sighetu Marmației, erreiche ich deshalb nur knapp. In Gura Humorului gilt es vier Stunden bis zur Weiterfahrt zu überbrücken. Um die Wartezeit auf den Bus nach Sighetu Marmației zu verkürzen, nehme ich mir ein Taxi zum Kloster Voronet. Der Taxifahrer, ein junger Mann, spricht deutsch. „Ich habe acht Monate in Bayern gearbeitet. Wo kommst du her?“

„Berlin.“

„Oh, hochdeutsch“, antwortet er lächelnd.

Im Kloster Voronet herrscht ungewohnte Stille. Es gibt kein Gebet und keine Touristen. Die Kirche in der Klosteranlage wird wegen ihrer Fresken „Sixtinische Kapelle des Ostens“ genannt. Farblich ist sie im sogenannten „Voroneț-Blau“ gestaltet. An ihrer Westwand befindet sich die Darstellung des Jüngsten Gerichts. Ich genieße die Ruhe und die Malereien bis der erste Touristenbus ankommt.

Kloster Voronet
Kloster Voronet

Die Busfahrt nach Sighetu Marmației ist landschaftlich reizvoll. Dörfer mit Häusern, die mit traditionellen Mustern verziert sind, ziehen am Fenster vorbei; von einer Passstraße schweift der Blick auf schneebedeckte Gipfel und herrliche Täler.

In Sighetu Marmației ist alles Sehenswerte rund um den Freiheitsplatz zu finden. Die Stadt hat es nach dem Zweiten Weltkrieg zu negativer Berühmtheit gebracht, als sich ihr Gefängnis zu einer der berüchtigtsten Haftanstalten Rumäniens entwickelte, in der Intellektuelle, Priester, Landarbeiter, Jugendliche gefoltert und hingerichtet wurden.

Der „Fröhliche Friedhof“ in Săpânța 

Sighet ist ein guter Ausgangspunkt, um zum „Fröhlichen Friedhof“ in Săpânța zu gelangen. Einen Bus für die Hinfahrt kann ich ausfindig machen und stehe eine halbe Stunde später auf einem Friedhof mit blau leuchtenden Holzkreuzen, auf denen ein geschnitztes Bild und gereimte Verse das interessante Leben der Verstorbenen beschreiben. Einige der Dichtungen erzählen von Trunksucht und Liebschaften, manche sind bissige Bemerkungen der Ehefrauen auf den verstorbenen Ehemann.

Froehlicher-Friedhof-Sapanta-Bukowina
Gräber mit Geschichten über die Verstorbenen
Froehlicher-Friedhof-Sapanta-Bukowina
Geschnitztes Grabkreuz

Auf dem Weg zum Friedhof erhalte ich den Tipp, das am Ortsrand gelegene Kloster des Erzengels Michael zu besuchen. Die bis 2003 errichtete Kirche soll mit 75 Metern die höchste Stabkirche Europas sein: Auch wenn sie aufgrund ihrer Größe beeindruckend ist, hat sie nicht das Flair der Jahrhunderte alten Holzkirchen in der Maramureș.

In der Mittagshitze stehe ich wieder am Fahrbahnrand und rechne mit zwei Stunden Wartezeit auf einen Bus. Hunger stellt sich ein. Während ich unschlüssig darüber, ob ich mir ein Eis kaufen oder doch besser ins Restaurant gehen solle, an der Straße stehe, hält ein klappriger Daewoo. Der Mann am Lenkrad zeigt Richtung Sighet; ich nicke; er winkt mich auf den Beifahrersitz; ich sage Sighet; er nickt. Unterwegs steigen noch ein Mann und eine Frau ein. Der Mann schimpft sofort los. Jedes dritte Wort ist entweder Politik oder Bus: Züge fahren keine mehr, Minibusse auch nicht und die offiziellen Mikrobusse fahren selten und ohne Fahrplan.

Die Wassertalbahn: die letzte Waldbahn Rumäniens

Für den Bus von Sighet nach Vișeu de Sus, meinem nächsten Ziel, gibt es einen Fahrplan. Vișeu de Sus ist vor allem bekannt durch die Wassertalbahn, die letzte regulär betriebene Waldbahn Rumäniens. Im Ort gibt es eine deutschsprachige Minderheit, die Zipser, die lange Zeit in einem eigenen Stadtteil, der sogenannten Zipserei wohnten. Mein Quartier beziehe ich in diesem Viertel. Dort gibt es ein „Grüß Gott“, ein „Guten Tag“ oder „Hallo“ zur Begrüßung.

Straßenzug im Zipserviertel
Straßenzug im Zipserviertel
Das Holz wird noch mit Pferdekarren transportiert
Das Holz wird noch mit Pferdekarren transportiert

Am nächsten Morgen besteige ich eines meiner persönlichen Highlights der Reise: die Wassertalbahn. Der Zug, auch Mocănița genannt, steht bereits im Bahnhof und besteht aus einem originalen Waldbahn-Personenwagen aus den 1930er-Jahren, drei ehemaligen Wagen der Wengernalpbahn und wird gezogen von der Dampflok Resita.

Zögernd stehe ich vor dem Zug. Am liebsten würde ich in den alten Waldbahn-Personenwagen einsteigen. An dem hängt jedoch ein Reserviertschild. Ich folge den Leuten in den moderneren Wagen der Wengernalpbahn, lege meine Jacke auf einen Platz und gehe auf Kaffeesuche. Die Suche ist genauso erfolglos wie meine Platzreservierung. Mittlerweile ist am Waggon ein Reserviertschild angebracht worden. Alle, die dort eingestiegen sind, müssen wieder aussteigen. Eine Frau, die ebenfalls rausfliegt, beschimpft deswegen den Bahnangestellten. Ich dagegen werde vom Reiseleiter der Gruppe, die den Waggon reserviert hat, beschimpft. Letztendlich bleibt für Einzelreisende der originale Personenwagen übrig. Ich jubele innerlich, andere reagieren wütend.

Der Waggon ist komplett aus Holz. In der Mitte steht ein Holzofen, die Fenster lassen sich durch einen Holzriegel öffnen, der, wenn man ihn zur Seite schiebt, das geöffnete Fenster krachend nach unten sausen lässt. Auf den Drehschemeln fahren Bremser mit, die den Wagen mit der Handbremse zum Halten bringen.

Mit durchschnittlich zehn Kilometern pro Stunde gondelt die Bahn durchs Wassertal. Hinter dem Zug zuckelt ein zu einer Draisine umgebauter VW-Bus her, später gesellt sich noch ein Pkw dazu. Hängebrücken verbinden die Bahnseite mit den Häusern, die auf der anderen Flussseite stehen. Nach kurzer Zeit umgibt uns nur noch das Wassertal.

Wassertalbahn und Auto-Draisine
Wassertalbahn und Auto-Draisine
Ein Traktor zieht Holzstämme durch den Fluss
Ein Traktor zieht Holzstämme durch den Fluss

Der Zug zuckelt gemütlich den Flusslauf entlang. Vor einer Weiche springt der Lokführer, – er ist alleine auf der Lok – ab, rennt vor dem Zug zur Weiche, stellt sie, kommt dem Zug wieder entgegen und springt auf. Plötzlich pfeift der Bremser. Die Bahn hält und fährt rückwärts. Eine falsch gestellte Weiche muss korrigiert werden und dann geht es weiter bis zur Station Paltin, der Endstation für Touristen. Waldarbeiter fahren noch bis an die Grenze zur Ukraine.

Paltin liegt in der Schlucht des Vaser. Ein Picknickplatz, eine Grillstation und ein kleines Museum verkürzen die Wartezeit bis zur Rückfahrt. Abseits vom Gruppenrummel entspanne ich in der malerischen Landschaft.

Konnte ich wegen der frühen Abfahrt der Mocănița gestern nicht frühstücken, habe ich heute genügend Zeit bis zur Weiterreise nach Cluj. Als ich zur besten Frühstückszeit am Büfett auftauche, wird es gerade abgeräumt. Eine Reisegruppe hat bereits alles geleert. Ich bekomme eine Packung Weißbrot und einen Teller mit magerem und fettem Speck vorgesetzt. Eine Scheibe Brot würge ich herunter.

Hungrig mache ich mich auf den Weg zur Bushaltestelle für die Weiterreise nach Cluj. Der Weg ist weit, der Rucksack ist im Lauf der Reise gefühlt immer schwerer geworden, der Magen knurrt. Leider gibt es nirgendwo einen Laden, in dem man einen Snack kaufen kann.

Die Fahrt über Pässe und durch Täler ist landschaftlich die schönste der Rumänienreise, für meinen leeren Magen jedoch beinahe zu viel. Ich bin froh, als Cluj erreicht ist.

Cluj in Transsilvanien

Cluj ist die zweitgrößte Stadt Rumäniens. Die Sehenswürdigkeiten lassen sich am besten zu Fuß erkunden: Sankt Michaelskirche, Reiterstandbild von Matthias Corvinius sowie sein Geburtshaus, die Orthodoxe Kathedrale, Nationaloper, Reformierte Kirche, ein Stück Stadtmauer und zahlreiche Herrenhäuser aus ungarisch-bürgerlicher Zeit.

Als alles besichtigt ist, ist es auch schon Zeit, um zum Flughafen aufzubrechen und nach Deutschland zurückzukehren.

Nationaloper von Cluj
Nationaloper
Reiterstandbild von Matthias Corvinius in Cluj
Reiterstandbild von Matthias Corvinius

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