Brügge

Herbstlich warm scheint die Sonne auf die mittelalterliche Altstadt von Bruegge, die heute fast noch genauso aussieht wie zu Lebzeiten ihres berühmten Bürgers, dem Maler Jan van Eyck. In den schmalen Gassen erinnern nur kleine Parkhäuser daran, dass man sich im 21. Jahrhundert befindet. Autos stehen davor Schlange, um einen der wenigen freien Plätze zu ergattern.

Ähnlich schwierig ist es, am Abend einen Tisch in einem Wirtshaus zu bekommen. „Reserviert? Nein? Tut mir leid!“, erfahren wir beim Betreten der Lokale. Je tiefer wir in die Altstadt eintauchen, desto höher werden die Menüpreise. In einem urig eingerichteten Restaurant werden wir dennoch fündig. Das Essen wird zügig serviert, genauso zügig wird abkassiert und der Tisch neu eingedeckt. Wer nicht schnell genug bestellt, wird vom Kellner nachdrücklich dazu aufgefordert.  

Es ist eine milde Nacht, die Sehenswürdigkeiten sind in warmes Licht getaucht und in den mittelalterlichen Gassen umgibt uns der Hauch der Vergangenheit. In einem alten Mietshaus haben wir ein kleines Appartement gemietet. Ein Teppich mit orientalischem Muster liegt im geräumigen Hauseingang: wo in Deutschland Briefkästen an der Wand hängen, sind hier gusseiserne Haken befestigt. Neben dem Treppenaufgang stehen ein Tisch und zwei bequeme Sessel; durch das enge Treppenhaus winden sich die Stufen in die oberen Etagen.   

Stadtspaziergang Tag 1

Pferdehufe klappern über Kopfsteinpflaster; schmale Gassen winden sich an mittelalterlichen Bürgerhäusern entlang; historische Gebäude mit prachtvollen Fassaden umgeben majestätische Plätze. Am beeindruckendsten ist der Burgplatz, der gesäumt wird von Heilig-Blut-Basilika, Rathaus und Freiamt und der seit jeher das Machtzentrum der Stadt bildet.

Fahnen mit dem Löwen von Flandern, Zinnen und Türmchen schmücken die helle Fassade des Rathauses aus dem 14. Jahrhundert, in dem auch heute noch die Stadtverwaltung ihren Sitz hat. Ebenso prächtig wie das Äußere ist der gotische Saal im Inneren des Gebäudes. Auf herrlichen Wandmalereien haben die Künstler die Geschichte vom Aufstieg Brügges zu einer reichen Stadt abgebildet.

Beeindruckend, aber nicht so farbenfroh ist der Schöffensaal im benachbarten, ebenfalls zum ehemaligen Machtzentrum gehörenden Freiamt (Gericht). Der Saal ist düster. Beklemmung macht sich breit, die durch den wuchtigen Kamin aus dunklem Eichenholz, Marmor und Alabaster noch verstärkt wird.

Neben ihren prunkvollen Nachbarn wirkt die Heilig-Blut-Basilika etwas erdrückt. Dabei beherbergt das älteste sakrale Bauwerk der Stadt eine der heiligsten Reliquien ganz Europas. Der Legende nach brachte Ritter Graf Dietrich von Elsass im 12. Jahrhundert ein Gefäß mit dem Blut Christi aus dem Heiligen Land nach Brügge mit und ließ es in der Burg verwahren. Heute befindet sich die Reliquie in der Heilig-Blut-Basilika und wird im Rahmen der Messe den Gläubigen präsentiert. Anschließend können Besucher einen Blick auf das Heiligtum werfen und erhalten ein Gebetsblättchen.    

Burgplatz in Bruegge
Auf dem Burgplatz mit Rathaus und Heilig-Blut-Basilika
Gotischer Saal im Rathaus in Bruegge
Gotischer Saal im Rathaus

Vom Burgplatz bummeln wir weiter durch die mittelalterlichen Gassen, vorbei an unzähligen Waffel- und Pommesbuden und den langen Warteschlangen davor zu den Grachten. Aber auch am Wasser stehen Besucher in langen Reihen an und warten auf eine Fahrt mit dem Boot.

Neben Waffeln und Pommes frites gilt Belgien auch als Heimat einer lebendigen Bierkultur. Wir kehren in eine der am Wasser liegenden Brauereien ein und verkosten bei Wurst und Käse sechs Biersorten, streiken aber bei zuckersüßem Kirsch- und Mangobier. Unsere Favoriten bleiben die Trappistenbiere, von denen wir uns im Lauf des Brügge-Trips durch alle Sorten trinken.

Wir folgen dem Kanal bis zum Beginenhof. Über eine Brücke und durch ein historisches Tor betreten wir einen von weiß getünchten Häuschen, Klostergarten und Kirche umgebenen Hof. In diesem Idyll lebten früher Beginen, weltliche Frauen, die ein frommes Leben ohne Ehe führten. Heute wohnen hier Schwestern des Benediktinerordens.

Von Weitem sichtbar ragt der 115 Meter hohe Backsteinturm der Liebfrauenkirche in den blauen Himmel. Maria von Burgund und ihr Vater Karl der Kühne liegen hier in prächtig verzierten Sarkophagen, während Michelangelos weiße Marmorstatue „Madonna mit Kind“ in einer schwarzen Wandnische steht. Gemeinsam mit dem Belfried (Glockenturm) und dem Turm der Sankt-Salvator-Kathedrale bilden die Turmspitzen die Silhouette von Brügge.

Wir folgen der Skyline zur Sankt-Salvator-Kathedrale. Auch dieser Monumentalbau beherbergt in seinem Innern eine Sammlung von Kunstwerken flämischer Maler und Gräber aus dem Mittelalter. Als ein Tonband zu schnarren anfängt, setzen wir uns in Erwartung interessanter Informationen in eine Gebetsbank. „Die Kirche schließt jetzt und öffnet in einer Stunde wieder. Bitte gehen Sie!“ wird den Besuchern mitgeteilt.

Stadtspaziergang Tag 2

Mit der Besteigung des dritten der ikonischen Türme und Wahrzeichen der Stadt, dem Belfried, starten wir in den nächsten Tag. Über 366 immer enger werdende Stufen geht es auf der gewendelten Treppe nach oben. Zur Erholung gibt es zwischendurch die Möglichkeit, die Schatzkammer, in der im Mittelalter die Stadtrechtsurkunden, das Stadtsiegel und die Stadtkasse aufbewahrt wurden, die eindrucksvolle Musikrolle, die das Glockenspiel ansteuert und das Turmzimmer mit dem Klavier, auf dem die 47 Glocken bespielt werden, zu besichtigen. Der mühsame Aufstieg wird belohnt mit einem Panoramablick über die Stadt. Da es noch früh am Tag ist, schimmern die Silhouetten der Häuser und Kirchen mystisch durch den Morgennebel.

Belfried in Bruegge
Belfried
Auf dem Wasser durch die Stadt
Auf dem Wasser durch die Stadt

Nach der sportlichen Einlage wollen wir uns eine Pause bei einer Grachtenfahrt gönnen. Es ist immerhin noch so früh am Tag, dass sich keine Warteschlangen an den Bootsanlegern gebildet haben. 30 Minuten dauert die Rundfahrt an den mittelalterlichen Häusern in der Altstadt vorbei und unter Brücken hindurch, die so niedrig sind, dass wir manchmal den Kopf einziehen müssen.

Anschließend erlaufen wir uns einen Teil der bereits vom Wasser aus erkundeten Stadt. Im Hanseviertel bewundern wir die prachtvollen Gildehäuser, das mittelalterliche Zollhaus, die „Poortersloge“, in der sich die wohlhabenden Bürger der Stadt trafen und eines der beiden letzten Gebäude Brügges, das noch seine Holzfassade behalten hat.

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