Wer nirgends hingeht, kann auch nirgends hinkommen.
(Sprichwort aus Siebenbuergen)
Reisejahr 2009
Ungarn: Budapest – Rumänien (Regionen Siebenbürgen und Walachei): Sibiu – Brasov – Honigberg – Bukarest – Moldawien
Für einen Bummel durch Budapest unterbrechen wir die Zugfahrt, die uns von Berlin über Rumänien nach Moldawien bringen wird.
Während die Stadt ihren morgendlichen Verkehrsinfarkt erlebt, machen wir uns auf den Weg zu einem der Lieblingserholungsorte der Budapester: die mitten in der Donau liegende Margaretheninsel. Dort kühlen wir unsere Füße im Brunnen und sehen den Fontänen zu, die nach klassischer Musik ihr Wasser versprühen.
Erfrischt gehen wir zum Burgberg, beschließen jedoch spontan nicht hinauf zu laufen, sondern die Standseilbahn zu nutzen. Oben angekommen schlendern wir durch die Gassen, besichtigen Fischerbastei und Matthiaskirche und genießen den herrlichen Blick über die Donau auf den Stadtteil Pest.
Unweit der Margaretheninsel steht direkt an der Donau das wohl schönste Parlamentsgebäude Europas. Die angebotene Führung durch das Haus hat unser Interesse geweckt. Da wir anschließend ins Gellert-Bad gehen wollen, lassen wir die Pässe im Hostel. Am Parlament erleben wir eine Enttäuschung: Es gibt keine Tickets mehr.
„Woher kommt ihr?“, werden wir von einem Wachmann gefragt. Als er Deutschland hört, lässt er uns zum Schalter vor. Die Freude darüber ist groß und kurz. Um Tickets zu erhalten, muss der Pass vorgelegt werden.
Der sportliche Ehrgeiz ist geweckt. Wir rennen zur Metro und ins Hostel. Zehn Minuten vor Beginn der Führung sind wir zurück. Die Chance, eingelassen zu werden, ist aber vertan. Gerade als wir umdrehen wollen, kommt ein Guide, um seine Gruppe abzuholen. Wir fragen ihn, ob wir noch Tickets haben können. Er redet auf die Sicherheitsleute ein und schon gehören wir zur Gruppe.
Das Haus, dem der Palace of Westminster als Vorbild diente, zieren 365 Türme. Mit 10 Innenhöfen, 13 Fahrstühlen, 27 Eingängen, 29 Treppenhäusern und 691 Räumen ist es das drittgrößte Regierungsgebäude der Welt. Die klassizistische Innenarchitektur ist von 40 Kilogramm Gold verziert. Der Kuppelsaal beherbergt Stephanskrone und Reichsinsignien. Nach einer Stunde verlassen wir fasziniert das beeindruckende Gebäude.
Vom Parlamentsgebäude gehen wir ins nicht minder beeindruckende Gellert-Bad, einem Schwimm- und Thermalbad am Donau-Ufer aus der Zeit der türkischen Herrschaft. Liebevoll gestaltete Mosaikwände, Stein- und Marmorstatuen, das Kuppeldach und das Säulen umrahmte Schwimmbecken sorgen auch bei uns Schwimmbadmuffeln für Badelaune.
Budapest verlassen wir in einem komfortablen Zug und fahren vorbei an endlosen Sonnenblumenfeldern nach Sibiu in Rumäniens Region Siebenbuergen.
Sibiu: Rumäniens Mitte
Nicht weit vom Bahnhof in Sibiu (Hermannstadt) liegt die Wohnung, die wir in einem der typischen alten Häuser gemietet haben. Von den Hausbewohnern werden wir wie langjährige Nachbarn empfangen.
Der historische Kern der mittelalterlichen Stadt ist gut zu erlaufen. Wir umrunden die drei Festungsmauerringe mit ihren zentralen Plätzen, Wehrtürmen, Kirchen und Häusern aus dem 17. Jahrhundert und können den Worten Kurt Tucholskys nur zustimmen:
„Hermannstadt ist entzückend, bestes, altes, gutes Deutschland. Winklige Gassen, eine wundervolle Bevölkerung, sehr gutes Essen, nicht zu vergessen.“
Bahnfahren in Rumänien
Ein moderner Nahverkehrszug bringt uns nach Braşov. Fast jedenfalls. Nach einer Stunde Fahrt ist Schluss: Brückenarbeiten.
Auf einem Feldweg in der Nähe des Bahnhofs wartet ein alter klappriger Bus. Durch Maisfelder holpert er zur nächstgelegenen Straße. Nach ein paar Metern Fahrt ist der Bus innen wie außen in eine Staubwolke gehüllt. Eine Bodenwelle verhindert vorerst das Weiterkommen. Mit Anlauf schafft der Bus den Sprung auf die Straße und steht mitten auf einer gut befahrenden Kreuzung.
An einem Bahnhof in der Pampa können wir wieder in einen Zug umsteigen. Statt des modernen Nahverkehrszuges finden wir uns in einer Bahn mit klapprigen Wagen wieder, in denen in den letzten Jahren nicht mehr sauber gemacht wurde. Die Sitze in den Abteilen sind jedoch geflickt und sehr bequem. Langsam ruckeln und zuckeln wir durch die Gegend. Die Wagentüren stehen während der Fahrt offen, ein Luftzug weht durch die Abteile, der angenehmer ist als jede Klimaanlage.
Brasov: Stadt in den Karpaten
Gegründet wurde Brasov (Kronstadt) 1211 von den Rittern des Deutschen Ordens. Jahrhundertelang war die Stadt neben Sibiu das religiöse und wirtschaftliche Zentrum der Siebenbürger Sachsen.
Die spätmittelalterlichen Bürgerhäuser der Altstadt sind hübsch renoviert, in der Mitte des Marktplatzes steht das 1420 erbaute Rathaus. Schon von Weitem ist die schwarze Kirche, die ihren Namen dem Stadtbrand im Jahr 1689 verdankt, zu sehen.
Nicht weit von Brasov entfernt liegt Bran mit dem berühmten „Dracula-Schloss“. Wir ersparen uns den Touristennepp und besichtigen lieber eine der größten Kirchenburgen Siebenbürgens: die Honigburg in Honigberg.
Honigburg: Kirchenburg in Honigberg
Der Zug hält an einem kleinen Bahnhof in Transsylvanien. In zwei Kilometer Entfernung leuchtet der Kirchturm von Honigberg in der flirrenden Hitze.
Massive Mauern und Wehrtürme umgeben die Honigburg, eine Anlage aus dem 13. Jahrhundert. Ein fünf Meter hoher ovaler Mauerring ist durch sieben Wehrtürme mit der zwölf Meter hohen Ringmauer verbunden. Dunkel ist der überdachte Gang, der über den Burggraben zur Kirche führt. Am Ende des Ganges steht das schmiedeeiserne Tor offen.
Die Burg sieht bewohnt aus. Rasen, Sträucher und Pflanztöpfe mit Blumen und Kräutern stehen vor den doppelstöckigen Gebäuden, die an der Mauer kleben. In den Häuschen befindet sich nur ein Raum. Zu den oben gelegenen Wohnungen führt eine steile Leiter mit Handlauf. Zwischen den Quartieren befinden sich die Vorratsspeicher. Der Schwingbaum eines Ziehbrunnens ragt in den Himmel.
Hinter der verschlossenen Tür einer der Wehrtürme ist eine mit Wandmalereien ausgestaltete Kapelle aus dem 15. Jahrhundert.
Die mittelalterliche Stimmung nimmt uns gefangen.
Der Blick geht zur Kirchturmspitze. Der Glockenturm ist 56 Meter hoch. Seine vier Stockwerke sind mit Schießscharten ausgerüstet. An der Südseite der Kirche kleben Vorratsspeicher wie Schwalbennester unter dem Dach des Mittelschiffes. An den Galerien lehnen steile Leitern.
Das Erdgeschoss des Turmes ist der Eingang zur Kirche. Der niedrige Zugang öffnet sich mit spitzen Bögen zum Kirchenschiff. Kissen liegen verstreut auf jahrhundertealten groben Holzbalken – dem Gestühl für Frauen. Die Sitzbalken sind ohne Lehnen, damit Frauen die bestickten Rückenbänder ihrer Trachten schonen konnten. Um die Frauen zu beschützen, saßen sie immer in der Mitte.
Über den Bänken, die im quadratischen Chor stehen, hängen orientalische Teppiche. Es war Brauch, der Kirche aus Dankbarkeit für die glückliche Rückkehr der Kaufleute Teppiche zu spenden.
Nach einer Pause auf einem Sitzbalken kehren wir zurück in die Gegenwart und fahren mit einem modernen Zug nach Bukarest.
Bukarest: eine Erfahrung
Dort beziehen wir in einem alten Mietshaus ein Zimmer, das offensichtlich das ehemalige Badezimmer des Hauses ist: Die Fliesen reichen bis unter die Decke, das Abflussrohr hängt aus der Wand, unter dem Wasseranschluss steht raumausfüllend ein Doppelbett.
Wegen der Hitze nutzen wir die U-Bahn, um vorwärtszukommen. Die Bukarester Metro ist die Einzige in Rumänien, die Bahnhöfe sind modern und haben hohe Decken. An der Haltestelle Piata Uniri steigen wir aus und befinden uns auf dem Boulevard Uniri, an dessen einem Ende der Parlamentspalast steht. Die Straße wird gesäumt von Gebäuden mit Marmor- und Glasfassaden, Regierungsgebäuden und Apartmenthäusern. In der Mitte der Straße ist ein breiter Grünstreifen mit Springbrunnen, die die Luft angenehm kühlen. Acht Quadratkilometer historisches Stadtzentrum mit Klöstern, Kirchen, Synagogen wurden eingeebnet, um den Parlamentspalast und den Boulevard hinzustellen.
Unweit von Bukarest ist das ehemalige Domizil von Dracula. Der Mittagszug bringt uns nach Targoviste, zum Fürstenhof von Vlad III Drăculea. Leider sind Fürstenkirche und Ruinen eingerüstet. Nur der ehemalige Wohnturm von Vlad III kann besichtigt werden. In ihm ist eine interessante Ausstellung über den Fürsten, die sich an die historischen Tatsachen hält.
Der Ausflug nach Targoviste ist schneller beendet als gedacht, der Zug nach Chisinau in Moldawien fährt erst am Abend und so verbummeln wir die Zeit in Bukarest mit dem Besuch der alten Karawanserei, des ehemaligen Fürstenhofes sowie von Markthalle und Athenäum.