Litauen

Eile, wenn du versäumen willst.
(Sprichwort aus Litauen)

Kirdeikiai – (Nationalpark Aukštaitija) – Berg der Kreuze – Nida (Kurische Nehrung) – Klaipėda und Kaunas Polen (Mauerwald und Wolfsschanze, Masurischer Kanal) – Vilnius

Ein mysteriöser Berg voller Kreuze, dichte Wälder, ursprüngliche Sumpflandschaften und alte Holzhäuser in verstreut liegenden Dörfern – eine Reise durch Litauen ist pure Entschleunigung.

Obwohl wir erst am frühen Abend in Vilnius ankommen, mieten wir sofort ein Auto und fahren in den Nationalpark Aukštaitija. Wir folgen einer als Autobahn bezeichneten zweispurigen Straße mit Kreuzungen und Ampeln, ehe wir auf eine Landstraße abbiegen, die sich nur durch ihre Bezeichnung vom „Highway“ unterscheidet.

Wälder, Seen und abgeerntete Weizenfelder ziehen am Fenster vorbei; riesige, aufwendig geschnitzte Holzkreuze stehen am Straßenrand und in so manchem Garten. Die Häuser in den kleinen Dörfern sind aus Holz gebaut. Frisch geschnitten und gepflegt sind die Rasenflächen in den Vorgärten. Die Zeit ist hier stehen geblieben und wir lassen uns von der Ruhe und Ursprünglichkeit der Landschaft verzaubern.

Litauen
verträumte Dörfer
Holzkreuz-Litauen
Aufwendig geschnitzte Holzkreuze stehen in so manchem Garten.
Litauen
typisches Holzhaus
Nationalpark Aukštaitija: Park der Seen

Nach einer Nacht in der Nähe von Kirdeikiai durchqueren wir am nächsten Tag den Aukštaitija in alle Himmelsrichtungen. Zahlreiche Seen, eingerahmt von dunklen Wäldern und Mooren, prägen die Landschaft. „Einen schönen Blick über sechs Seen habt ihr vom Ladakalnis“, gibt uns Anna, die Vermieterin, einen Tipp.

Als wir auf dem immerhin 176 Meter hohen Ladakalnis ankommen, können wir jedoch nur zwei Seen entdecken. Dafür steht in Sichtweite eine Eichenallee: Jeder Präsident Litauens verewigt sich dort mit einem Baum.  

Vom Hügel gelangt man über einen Wanderweg zum ethnografisch geschützten Dorf Salos II. Versteckt zwischen Seen und Wäldern und mit volkstümlicher Architektur hat es seinen ursprünglichen Charakter bewahrt. Wegen seiner Lage ist es aber im Herbst und Winter nur schwer zu erreichen.

Nach einer abenteuerlichen Fahrt auf einer unbefestigten, schmalen Piste mitten durch den Wald liegt vor uns das ethnokulturelle Dorf Varniškis II. Während wir in Salos II noch ein paar Leute gesehen haben, wirkt der kleine Ort mit den gepflegten Holzhäuschen bewohnt und verlassen zugleich.

Ein weiteres im Volksarchitekturstil erbautes Gebäude, das angeblich ohne Säge und Nägel errichtet wurde, ist die St.-Joseph-Kirche in Paluse. Ihr achteckiger Glockenturm – der einzige in Litauen – erinnert an Wachtürme alter Burgen.

Dorf-Salos-in-Litauen
Salos II
Varniskis-Litauen
Varniškis II
Kirche-in-Paluse-Litauen
St.-Joseph-Kirche in Paluse

Zu den Symbolen des Parks gehören die sechs noch erhaltenen Wassermühlen. Eine steht im Dorf Ginučiai und ist die einzige mit authentischer Einrichtung. Sie wurde allerdings zu einer Herberge umgebaut und da der Bach an der Mühle von unzähligen Badelustigen bevölkert ist, gehen wir gleich weiter in eines der drei Lokale und essen eine Fischsuppe, die althergebracht im Topf über einem offenen Feuer köchelt. Anschließend wollen wir den Sonnenuntergang am See bei unserem Quartier genießen. Dafür haben wir uns am Vormittag im Dorfladen mit zwei Flaschen Bier eingedeckt. Nach dem ersten Schluck ist klar, dass wir uns vergriffen haben. Wir haben zuckersüßes Kirschbier und ebenso zuckeriges Johannisbeerenbier gekauft. Nun ja, ein Sonnenuntergang am See ist auch bei einem Glas Wasser schön.

Von Ost nach Süd

Vom Nationalpark zieht es uns auf die Kurische Nehrung am anderen Ende Litauens. Die dichten Wälder weichen gelb leuchtenden Stoppelfeldern. Störche nisten allenthalben auf Masten oder stolzieren in Gruppen über Wiesen und Ackerland.

Kurz bevor wir die Stadt Šiauliai erreichen, weist ein Schild auf den Berg der Kreuze hin. Wir folgen ihm zu einer neun Meter hohen Anhöhe inmitten von Wiesen. Hunderttausende von Kreuzen in allen Größen, ineinander verkeilt oder aufgestapelt, verteilen sich über die Erhebung und um sie herum. Auf schmalen Pfaden spazieren wir durch den Wallfahrtsort. Meterhoch bis handgroß, schlicht oder aufwendig geschnitzt, stehen die Kruzifixe wild durcheinander. Rosenkränze aus Perlen und Weinkorken verzieren sie. Ein Kreativer hat seinen Zollstock zu einem Kreuz geformt, an einem anderen Kruzifix hängt Firmenwerbung.

Litauen-Berg-der-Kreuze
Berg der Kreuze
Litauen-Berg-der-Kreuze
Berg der Kreuze
Litauen-Berg-der-Kreuze
Berg der Kreuze

Im September 1993 hielt Papst Johannes Paul II. hier eine Messe. Er nannte den Kreuzberg „Gottes Gabe, Quelle des Segens zu sein und Zeichen der Versöhnung der Menschen“.

Kurische Nehrung: Halbinsel aus Sand

Nach einer ermüdenden Fahrt kommen wir am Nachmittag in Klaipėda an. Obwohl an der Fähre zur Kurischen Nehrung lange Autoschlangen parken, geht es durch den Betrieb von zwei Schiffen zügig auf die Halbinsel. Bis zum Hauptort Nida liegen noch 40 Kilometer vor uns.

Am Eingang zum Nationalpark gilt es eine Gebühr für das Befahren zu entrichten. Wir reichen dem Kassierer das Geld, der aber wehrt ab: „Die Erlaubnis für das Auto ist zwar abgelaufen, aber es hat noch eine Fahrt frei. Ihr müsst nichts bezahlen.“

Nach der sechsstündigen Anreise brauchen wir noch etwas Bewegung und durchstreifen Nida. Obwohl sich viele Touristen im Ort tummeln, hat das Dorf seinen Charme bewahrt. Zwischen den farbenfroh angestrichenen kurischen Holzhäuschen und Gärten hinter Jägerzäunen wähnt man sich noch immer im alten Ostpreußen.

Eine Reminiszenz an Preußens Fischereiverordnung sind die Holzstäbe mit Kurenwimpeln an der Spitze, die am Kahnmast befestigt wurden und jetzt an der Strandpromenade stehen. Die schwarz-weiß gefärbten Blechtafeln haben ein weißes und ein rotes Fähnchen, um den Heimathafen des Bootes anzuzeigen.

Über einen mittelalterlichen Markt schlendern wir zum Hafen, essen in einem Lokal frisch geräucherten Fisch und trinken gutes Bier. Wir genießen beides beim Plätschern der Wellen und beenden zufrieden den Tag.

Kultur und Natur entdecken

Der Charme Nidas hat schon früher neben Erholungssuchenden auch Künstler angezogen. 1930 ließ Thomas Mann auf dem „Schwiegermutterberg“ ein Sommerhaus bauen. Das restaurierte, reetgedeckte Haus bietet neben einem reizvollen Blick über das Haff eine gut aufbereitete Ausstellung über den Schriftsteller.

Hinter Nida erhebt sich die Parnidder Düne. Durch einen lichten Kiefernwald und einem steilen Anstieg über eine Holztreppe gelangt man zum höchsten Punkt des Sandmeeres. Zwei Kilometer und gut sichtbar ist die Grenze der russischen Enklave um Kaliningrad, das ehemalige Königsberg, entfernt. Wir steigen zur Ostseeseite hinab und laufen abwechselnd am herrlichen, kilometerlangen Strand und durch den Wald in Richtung Nida. An einer weniger besuchten Stelle gehen wir ins Wasser. Obwohl die Wassertemperatur bei 19 Grad Celsius liegt, kostet es Überwindung, im gefühlt 12 Grad kalten Meer zu baden.

Nach der ausgiebigen Wanderung besichtigen wir die Insel weiter per Auto. An der „Toten Düne“ heißt es aber wieder laufen. Über Holzbohlen und weichen, goldgelben Sand geht es bis zum Haff. Ein paar Kreuze weisen darauf hin, dass dort einst das Dorf Neegeln stand. Der Fischerort wurde innerhalb von 200 Jahren viermal an anderer Stelle aufgebaut, aber immer wieder unter Wanderdünen begraben.

Thomas-Mann-Haus
Thomas-Mann-Haus
Kurische-Nehrung-Parnidder-Duene
Parnidder-Düne
Kurische-Nehrung-Tote-Duene
Tote Düne

Ein weiteres Highlight der Halbinsel soll eine Kormorankolonie in der Nähe des Ortes Juodkrante sein. Von einem 45 Meter hohen Aussichtspunkt kann man ein paar Kormorane auf den Baumspitzen fast weißer Pinien beobachten. Nach einem anschließenden Bummel durch Juodkrante kehren wir zurück nach Nida und packen die Sachen für die Weiterfahrt am nächsten Tag.

Über Klaipėda nach Kaunas

Klaipėda, das zu preußischer Zeit Memel hieß, wurde im Zweiten Weltkrieg zu zwei Dritteln zerstört. Ein paar wenige Fachwerkbauten mit schicken Läden, dazu alte Speicher, zwischen die sich Hotels und Appartementhäuser im Speicherlook gesellt haben sowie Kopfsteinpflastergassen erinnern an die Zeit Memels als wichtiger Handelsplatz.

Das Herz der Stadt und frühere Markt ist der heutige Theaterplatz. Hier steht vor dem Schauspielhaus das Wahrzeichen Klaipėdas, ein Brunnen mit einer Skulptur der Pastorentochter Anna Neander aus dem nahe gelegenen Tharau, welcher der in Memel geborene Dichter Simon Dach sein berühmtestes Gedicht „Ännchen von Tharau“ widmete.

Unweit vom Theater überspannt am Ufer der Dane eine Drehbrücke aus dem Jahr 1855 einen Kanal zwischen dem Fluss und einer Bucht, in der Jachten und Boote vor Anker liegen. Bis heute wird die Brücke nach einem 24-stündigen Zeitplan von zwei Männern per Hand geöffnet, damit die Kähne ihren Liegeplatz verlassen können.

Ebenfalls an der Dane steht das alte Rathaus, in dem während des Krieges zwischen Preußen und Frankreich Königin Luise und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen von 1807 bis 1808 auf der Flucht vor Napoleon residierten. In dieser Zeit galt Memel als heimliche Hauptstadt Preußens.

Klaipeda-Aennchen-von-Tharau
Brunnen mit einer Skulptur der Pastorentochter Anna Neander aus dem nahe gelegenen Tharau auf dem Theaterplatz
Klaipeda-Altstadt
renovierte Häuser in der Altstadt
Klaipeda-Drehbruecke
Drehbrücke aus dem Jahr 1855
Kaunas: Kulturhauptstadt Europas 2022

Im Gegensatz zu Klaipėda ist in Kaunas viel mittelalterliche Substanz erhalten geblieben. Für den besten Blick über die Stadt überqueren wir die Memel (litauisch: Nemunas) und fahren mit der Standseilbahn auf den Aleksotas. Unter uns breitet sich das Panorama der Altstadt mit dem Rundturm der Festung, der vom Universitätsgebäude „lächelnden“ Sonnenuhr und der Vytauto-Brücke, die im 18. Jahrhundert als die längste Brücke der Welt galt, aus. Während in den meisten europäischen Ländern zu der Zeit bereits der gregorianische Kalender galt, lebte Russland noch mit dem alten julianischen und so brauchte man 13 Tage, um von der zu Russland gehörenden Uferseite, auf die zu Preußen gehörende Seite zu gelangen.

Das Zentrum der Altstadt bildet der Rathausplatz. Eingerahmt ist er von Bürgerhäusern mit gotischen Fassaden, in die Restaurants Einzug gehalten haben sowie dem ehemaligen Rathaus, das mit seinem 53 Meter hohen Turm an eine Kirche erinnert und der St.-Franziskus-Xaver-Kirche, die während der Sowjetzeit als Schule, Sporthalle, Schießstand und Sauna genutzt wurde.

Vytauto-Bruecke-Kaunas
Vytauto-Brücke, die im 18. Jahrhundert als die längste Brücke der Welt galt
Altstadt-Kaunas-Litauen
Häuser am Rathausplatz
Altes-Rathaus-Kaunas
Das ehemaligen Rathaus, das mit seinem 53 Meter hohen Turm an eine Kirche erinnert.

In einer Seitenstraße steht das Perkunas-Haus. Das im 15. Jahrhundert im gotischen Stil erbaute und nach einem Donnergott benannte Gebäude wurde vermutlich von der Hanse als Kontor in Auftrag gegeben und genutzt.

Während wir noch den besonders schön gestalteten Giebel des Hauses bewundern, klingen Orgeltöne aus der Hl.-Jungfrau-Mariä-Himmelfahrt-Kirche herüber. Wir eilen in die älteste Kirche der Stadt. Leider ist es kein Konzert, sondern nur das Ende der Messe. Aber auch ohne Musik ist die im gotischen Stil erbaute Hallenkirche einen Besuch wert. Neben dem Eingang zeigt ein Wasserstandsanzeiger, wie hoch der Pegel der Memel vor dem Bau des Wasserkraftwerks östlich von Kaunas war.

Durch den Bau des Kraftwerks entstand das Kaunasser Meer, an dessen Ufer das Pažaislis-Kloster steht. Gebaut wurde es im 17. Jahrhundert für den Orden der Kamaldulenser. Inzwischen wird die Anlage jedoch vom Orden der Schwestern des Heiligen Kasimir geleitet. Beeindruckend ist vor allem die sechseckige Kirche im florentinischen Design. Schwarzer und rosa Marmor sowie wunderschöne Fresken zieren den Innenraum.

Pazaislis-Kloster-Litauen
Kirche im Pažaislis-Kloster
Pazaislis-Kloster-Litauen
Kirche im florentinischen Design
Pazaislis-Kloster-Litauen
Kirche im florentinischen Design
Ein Abstecher nach Polen

Unweit der Grenze zu Litauen befinden sich in den dichten Wäldern der polnischen Masuren zwei Bunkeranlagen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Wir mieten uns in Mragowo ein und erkunden die Anlagen am nächsten Tag.

Im Hauptquartier des Oberkommandos des Heeres

Gut getarnt liegt der „Mauerwald“ – 30 unzerstörte Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg, in denen sich das Oberkommando des Heeres (OKH) einquartiert hatte – zwischen hohen Bäumen. Von hier aus begann am 22. Juni 1941 unter dem Tarnnamen „Barbarossa“ der Krieg gegen die Sowjetunion.

Wasser tropft von den Wänden und sammelt sich auf dem Boden des Bunkers. Lebensgroße Figuren stellen den Alltag nach, an einer Hitlerfigur mit grotesk verzerrtem Gesicht knabbern Ratten. Durch einen 30 Meter langen unterirdischen Tunnel erreicht man einen weiteren Bunker.

OKH-im-Mauerwald-Masuren
Hauptquartier des Oberkommandos des Heeres
An einer Hitlerfigur mit grotesk verzerrtem Gesicht knabbern Ratten.
Hochbunker

Moos bewachsen liegt ein gesprengter Bunker im Wald. Hier wurde das legendäre Bernsteinzimmer vermutet, welches der preußische König Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1716 dem russischen Zaren Peter I. als Zeichen der Freundschaft schenkte. Im Zweiten Weltkrieg raubten die deutschen Besatzer die Kostbarkeit. Bis heute ist das Zimmer nicht gefunden worden. Einziger Hinweis ist eine Andeutung von Erich Koch, dem Gauleiter Ostpreußens, das Bernsteinzimmer könne im Mauerwald versteckt sein. In der Hoffnung, er würde sein Schweigen brechen, wurde er nach dem Krieg nicht hingerichtet. Aber er blieb stumm.

Eine Kopie des Bernsteinzimmers befindet sich in einem der tiefer im Wald liegenden Bunker, ebenso ein U-Boot und Nachbildungen der Wunderwaffen V2, Haunebu III und Horten HO 229.

Ebenfalls im OKH wurde das Attentat auf Adolf Hitler, der unweit im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ lebte, durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg geplant. Bevor wir jedoch dorthin aufbrechen, legen wir noch einen Abstecher zum Masurischen Kanal ein.

Masurischer Kanal

Der nie fertiggestellte Masurische Kanal sollte die Masurische Seenplatte durch eine schiffbare Wasserstraße mit der Ostsee verbinden. Die Bauarbeiten begannen bereits 1911, wurden durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen, 1934 wieder aufgenommen und bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges endgültig eingestellt. Um die Höhenunterschiede zu überwinden, waren bereits zehn Schleusen erbaut worden.

Nahe der Ortschaft Fürstenau (Leśniewo), nur acht Kilometer vom Mauerwald entfernt, steht mitten im Wald eine der Schleusen, die auf den ersten Blick den Hochbunkern im OKH ähnelt. An der offenen Stirnseite sind die Umrisse des Reichsadlers mit Eichenblätterkranz und Hakenkreuz zu erkennen. In der 21 Meter tiefen, 7,5 Meter breiten und 46 Meter langen Schleusenkammer ruht still von grüner Entengrütze überzogenes Wasser.

Schleuse-Masurischer-Kanal
Obere Schleusenkammer
Schleuse-Masurischer-Kanal
Obere Schleusenkammer
Schleuse-Masurischer-Kanal
Untere Schleusenkammer
Im Führerhauptquartier Wolfsschanze

Das ehemalige Führerhauptquartier wurde bei Rastenburg (polnisch Kętrzyn) im Görlitzer Forst gebaut. Sümpfe, dichter Wald, drei schwer gesicherte Sperrkreise und ein zehn Kilometer langer und rund 150 Meter breiter Minengürtel schirmten das Gelände, bestehend aus rund 50 Bunkern, 70 Kasernen, zwei Flugplätzen und einem Bahnhof, hermetisch ab.

Als die Rote Armee im Januar 1945 anrückte, versuchte die deutsche Wehrmacht die Bunker zu sprengen, die aber dank ihrer Stahlbetonummantelung der Zerstörung weitestgehend standhielten. Lediglich die einfach gebauten Häuser und Kasernen wurden verwüstet.

Heute ist der Eingang zum Areal nur noch von zwei aus Holz geschnitzten Wölfen bewacht. Die Wände der hohen Bunker überzieht eine dicke Schicht Moos, auf den Dächern wachsen Sträucher. 

Bunker-in-der-Wolfsschanze
Teil eines gesprengten Bunkers.
Bunker-in-der-Wolfsschanze-Masuren
Bunker
Wolfsschanze
Bei dem Attentat im April 1944 zerstörte Baracke.

In einer Baracke ist die Szenerie des wohl bekanntesten Attentats auf Hitler nachgestellt. Am 20. April 1944 platzierte Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Rahmen einer Lagebesprechung eine in einer Aktentasche befindliche Bombe unter dem Besprechungstisch und verließ unter einem Vorwand den Raum. Bei der Explosion starben vier Leute, Hitler wurde jedoch nur leicht verletzt.

Rückkehr nach Litauen

Am nächsten Tag reisen wir in die Hauptstadt Litauens zurück. Am Flughafen von Vilnius geben wir das Auto ab und erkundigen uns nach einem Taxi. „Nutzt Uber oder Bolt. Die Taxifahrer berechnen gerne 7 Euro für jeden Kilometer“, wird uns in der Autovermietung geraten.

Am Taxistand hängt jedoch ein großes Schild mit den Preisen. Demonstrativ fotografieren wir die Übersicht und verhandeln mit einem Fahrer, der direkt danebensteht. Mit säuerlicher Mine verlangt er den auf der Tafel angegebenen Preis.

Vilnius: Stadt der Kirchen

Vilnius ist mit seinen verwinkelten Gassen, prächtigen Bürgerhäusern und mittelalterlichen Plätzen ein Touristenmagnet. Wohin wir auch blicken, in jeder Richtung ist ein Kirchturm zu sehen. Den Kern der Stadt bildet der Kathedralplatz mit der Hl.-Stanislaw-und-Hl.-Wladislaw-Kathedrale. Ihr Glockenturm steht separat davor. Das Gotteshaus erinnert durch seine 20 Meter hohen Säulen, die den Eingangsbereich bilden, an einen griechischen Tempel oder an ein klassizistisches Opernhaus. Das Prunkstück im Innern der Kathedrale ist die Grabkapelle des heiligen Kasimir (1458-1484), dem einzigen Heiligen mit litauischen Wurzeln. Da dort aber gerade eine Taufe stattfindet, ist sie verschlossen.

Über eine versteckte Galerie war die Kapelle mit dem Großfürstenpalast verbunden. Im 14. Jahrhundert erbaut, war er die wichtigste Residenz der Großfürsten Litauens. Heute steht an der Stelle des alten Palastes ein Nachbau (erbaut 2002 bis 2012) im Stil des 16. Jahrhunderts. Allerdings überzeugen mich bei der Besichtigung nur die alten Kachelöfen in den Gemächern der Regenten. Den Besuch rundet der Blick vom Palastturm auf Vilnius ab. Die Aussicht reicht weit über die Stadt, sodass wir uns den Gang auf den Burgberg mit dem Gediminas-Turm sparen.

Sehr interessant dagegen ist ein Rundgang durch das Museum der Okkupation und Freiheitskämpfe. Am Gebäude, in dem die Gestapo-Zentrale und später der sowjetische KGB untergebracht waren, erinnern in die Außenmauer eingravierte Namen an die über 100.000 deportierten Litauer, von denen über 50.000 in russischen Lagern am Nordmeer oder in Sibirien starben. Sehr eindrücklich sind vor allem die Zellen im Keller, in denen Andersdenkende eingesperrt und verhört wurden.

Hl.-Stanislaw-und-Hl.-Wladislaw-Kathedrale
Vilnius-KGB-Museum
Museum der Okkupation und Freiheitskämpfe
Vilnius-Anna-und-Bernhardiner-Kirche
Bernhardiner-Kirche und die St.-Anna-Kirche

Wir kehren zurück in die Altstadt. Musik lockt uns in die St.-Johannis-Kirche, in der die größte Orgel Litauens steht. Diesmal wird zwar nicht das Ende der Messe eingeläutet, aber es sind die letzten Töne einer Konzertprobe. Schnell stehen wir wieder auf der Straße und beschließen noch das schönste Bauensemble von Vilnius, die Bernhardiner-Kirche und die St.-Anna-Kirche, zu besichtigen. 

Während die Augen gesättigt sind von den Besichtigungen der Sakralbauwerke, knurrt der Magen. Wir verzichten auf den Besuch der selbsternannten, den Dadaismus und Frank Zappa verehrenden „Republik Uzupis“, die sich gleichzeitig auch als „Montmartre von Vilnius“ bezeichnet und kehren in eines der vielen Lokale ein.

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