Einfarbig oder bunt, mit Borte oder ohne, aus schwerer Baumwolle oder leichter Synthetics – die Auswahl an Hängematten ist groß, die Entscheidung fällt schwer.
Ausgestattet mit schweren bunten Hängematten und großen Wasserflaschen machen wir uns zu zweit auf den Weg zum schwimmenden Hafen von Manaus. Der Kai im Hafen ist 1300 Meter lang. Die senkrecht dazu verlaufenden Schiffsanlegeplätze werden von großen Eisentanks über Wasser gehalten.
Unser Ziel ist Belem an der Atlantikküste mit Umsteigen und Schiffswechsel in Santarem, einer Stadt im Gebiet des Amazonas.
Verkehrsboote mit zwei Etagen und kleine Fähren schaukeln im Wasser. Nirgendwo gibt es einen Hinweis darauf, welches Boot wohin fährt. Nachfragen. Ein Hafenarbeiter bringt uns zum Pier, von dem das Boot nach Santarem abfährt. Das Schiff, die Anna Karoline, wird gerade mit Matratzen beladen. Von ihren beiden Decks leuchten bunt Hängematten. Ein Schiffsjunge bringt uns auf das oberste Deck. Im vorderen Teil, hinter der Bar sind noch einige Haken frei. Ein paar schnelle Handgriffe und schon hängen die Matten, das Gepäck wird darunter verstaut, wir können Probe liegen.
Leicht schaukelnd beobachten wir das Treiben um uns herum und am Pier. Die leeren Haken werden weniger, das Schaukeln schwieriger. Die Matten hängen nun dicht nebeneinander.
Plötzlich fegen Sturm und Regen über das Deck. Hastig werden an der Reling die Planen heruntergelassen. Zeit, die Hängemattennachbarn kennenzulernen. Auf der einen Seite schaukeln zwei junge Männer, auf der anderen ein Missionarspaar. Mit den jungen Männern sind wir schnell im Gespräch. Einer von ihnen spricht etwas deutsch.
Regen und Sturm haben aufgehört, die Planen werden aufgerollt, das Schiff legt ab. Es gleitet an schwimmenden Tankstellen vorbei in die Mitte des Rio Negro. Das anfänglich dicht besiedelte Ufer wird Regenwald. Dazwischen liegen eingeklemmt zwischen Regenwald und Amazonas kleine Orte mit bunt bemalten Häuschen und einfache, auf Stelzen stehende Holzhütten.
Der Magen knurrt. Auf dem unteren Deck ist die Essensausgabe. Zu den festgelegten Zeiten bildet sich eine lange Schlange davor. Wir reihen uns ein. Nach dem Mahl gibt es noch einen Cocktail an der Bar, dann sinken wir zufrieden in die Hängematten. Die Missionare nutzen diese Gelegenheit für einen zweistündigen Bekehrungsversuch.
Um 23 Uhr wird es ruhig auf dem Schiff. An der Bar wird die Jalousie herunter gelassen, die Musik abgedreht, die Missionare haben bereits aufgegeben, auf dem Deck scheint schwach das blaue Licht der Notbeleuchtung.
Stille. Für eine kurze Zeit lehne ich an der Reling und blicke in die tiefschwarze Nacht. Ab und an tauchen Schiffe auf, die als Lichtpunkte vorbei schwimmen. Dann zwänge auch ich mich in meine Hängematte, schiebe mir ein Kissen unter den Rücken und schlage die seitlichen Enden der Matte über mir zusammen.
„In Kürze laufen wir einen Hafen an“ dröhnt eine Stimme aus dem Lautsprecher. Es ist 6 Uhr morgens. Die letzten Leinen sind noch nicht am Pier festgemacht, schon stehen fliegende Händler auf den Decks. Süßigkeiten, Herzhaftes, kleine Spielwaren, Uhren – sie haben ein käufliches Sammelsurium an Waren im Angebot.
Rufe, Pfiffe, so schnell, wie sie da waren, sind sie auch wieder verschwunden. Das Schiff hat bereits abgelegt. Zeit fürs Frühstück. Ausgestattet mit Obst, Milchreis, Sandwich, Kuchen und Kaffee, setzen wir uns an einen der Tische, die vor der Bar stehen. Dazu holen wir noch ein Glas Wasser aus dem Trinkwasserkanister, der einladend an der Wand hängt.
Das Schiff legt an der Spitze einer kleinen Landzunge an. Der Anleger ist so kurz, dass nicht mal die fliegenden Händler an Bord kommen. Sie drängeln sich am Ufer, Passagiere rufen hinunter, was sie kaufen möchten, Händler reichen lange Stangen, an deren Ende Haken mit Waren und Becher für Geld befestigt sind, nach oben.
Aus Grün wird bunt. Ein Dorf mit Kai taucht aus dem Dschungel auf. Fliegende Händler sind nicht zu sehen, nur ein paar Uniformierte warten am Anleger. Zollkontrolle. Pässe werden gezückt, Gepäck verschoben. Die Männer vom Zoll kontrollieren jeden Pass und durchsuchen jedes Gepäckstück nach Rauschgift. Mit einer Ausnahme. Unser Gepäck fassen sie nicht an. Die Hängemattennachbarn scheinen das zu wissen. Vorsichtig schieben sie ihre Reisetaschen und Koffer zu unseren Rucksäcken.
Am frühen Abend legt das Schiff an einem größeren Hafen an. Aufregung auf dem Deck, Sachen werden hastig zusammengepackt, ein großer Teil der Passagiere geht von Bord. Unsicherheit macht sich nicht nur bei uns breit. Dann folgt die Erklärung, wir haben in Santarem angelegt. Statt morgens um 5 Uhr sind wir schon am Vorabend angekommen.
Froh über die frühe Ankunft – das Wasser aus dem Trinkwasserkanister ist deutlich in Magen und Darm zu spüren – verlassen wir das Schiff.